**Jakes Sicht**
Ich raste so schnell wie möglich zum Motel. Noch immer konnte ich nicht fassen, was gerade geschehen war. Alles fühlte sich so unwirklich an, wie in einem schlechten Traum. Wie hatte das alles so eskalieren können? Es war mittlerweile stockdunkel, doch das Navi führte mich sicher zurück zum Motel.
Während der Fahrt konnte ich an nichts anderes denken als an Lia. Wie sie mich angesehen hatte, als sie erkannte, dass ich es war. Ich hätte sie so gerne unter anderen Umständen zum ersten Mal gesehen. Hätte gerne Zeit gehabt, ihre schönen blauen Augen zu betrachten und ihren Anblick zu genießen. Doch jetzt sah ich immer nur die angsterfüllte Lia vor mir, wie sie den Halt verlor und den Wasserfall hinabstürzte, wie sie bewusstlos im Wasser trieb, ihre Wunden, ihr gebrochener Arm. Der Gedanke daran ließ mir den Magen umdrehen.
Als ich endlich am Motel ankam, stieg ich hastig aus. Mit schnellen Schritten ging ich zu meinem Zimmer, holte den Schlüssel heraus, schloss auf und setzte mich sofort an meinen Laptop.
Ich griff auf Lias Handy zu. Das hatte ich schon oft gemacht, aber diesmal begleitete mich ein ganz seltsames Gefühl. Ich kam mir vor wie ein Einbrecher, der in einem Haus herumschlich. So etwas hatte ich noch nie gefühlt, wenn ich mich in die Handys oder Laptops anderer Leute eingehackt hatte. Hacken war meine Leidenschaft, mein Hobby und letztendlich mein Beruf. Ich hatte in meinen 26 Lebensjahren nie einen anderen Job ausgeübt.
Statt auf Partys zu gehen, mich zu betrinken und Frauen abzuschleppen, machten meine Freunde und ich uns damals einen Spaß daraus, die Passwörter unserer Mitschüler zu knacken und in deren Namen irgendwelchen Blödsinn bei Social Media zu posten. Tage und Nächte lang hatten wir Spaß daran und lachten uns Tränen. Ich vertiefte mich immer weiter in dieses Thema und experimentierte. Irgendwann hatte ich mir in der Hackerszene einen Namen gemacht, da musstr ich etwa 18 Jahre alt gewesen sein. Ich konnte mir damit neben meinem Abi ein wenig Geld dazuverdienen. Und als ich mit 19 Jahren meinen Abschluss in der Tasche hatte, konnte ich mir nichts anderes vorstellen, als meine Leidenschaft weiter auszuleben und damit Geld zu verdienen. Ich verdiente jahrelang gutes Geld und konnte sehenswerte Rücklagen bilden. Aber irgendwann habe ich leider den falschen Leuten auf die Füße getreten, und seitdem bin ich auf der Flucht. Das ist mittlerweile über vier Jahre her, und seitdem lebe ich jeden Tag in der Hoffnung, irgendwann ein normales Leben führen zu können.
Ich suchte jeden einzelnen Chat auf Lias Handy heraus, in dem mein Name erwähnt wurde. Es war in Ordnung, dass der Hacker darin vorkam, denn ohne diese Erklärung hätte die Gruppe Schwierigkeiten gehabt, der Polizei zu erklären, wie sie an all die Daten und Informationen gelangt war. Aber vor allem durfte die Polizei nicht den Verdacht schöpfen, dass zwischen Lia und mir mehr als nur ein Informationsaustausch über Hannah stattfand. Sie würden sie so lange unter Druck setzen, bis sie Informationen über mich preisgab. Das konnte ich ihr nicht antun, nicht nach dem, was heute passiert war.
Wenn sie überhaupt überlebte, schoss mir plötzlich durch den Kopf. Nein, diesen Gedanken durfte ich nicht zulassen. Lia ist stark, sie schafft das. Sie musste es schaffen, dachte ich verzweifelt.
Ich musste mich konzentrieren, sonst passierten mir Fehler, die uns noch teuer zu stehen kommen würden.
Es war tief in der Nacht, als ich endlich meine Arbeit beendet hatte. Erschöpft überlegte ich, ob ich Lilly anrufen sollte. Sie müsste doch wissen, was mit Lia passiert war. Und Hannah? Wie ging es ihr? Ich musste unbedingt herausfinden, wie es Lia erging. Egal wie.
Ich griff nach meinem Handy und wählte Lillys Nummer. Es klingelte mehrmals, bevor sie abnahm. Ihre Stimme klang müde. "Hallo Jake, was gibt's?" "Hi Lilly, alles okay bei dir?" fragte ich, meine Stimme angespannt. "Ja, soweit. Ich war noch bei meinen Eltern."
"Wie geht es Hannah? Hat sie es ins Krankenhaus geschafft?" fragte ich direkt. "Ja, gerade noch. Sie hat eine Unterkühlung, aber körperlich scheint alles stabil. Psychisch ist sie natürlich fertig. Sie bleibt im Krankenhaus." Erleichterung machte sich in Lillys Stimme breit. "Das ist gut zu hören," sagte ich, obwohl ein Knoten in meinem Magen saß.
Es folgte eine kurze Pause. "Jake, ich weiß, was du wissen willst. Aber ich kann dir leider nicht mehr sagen. Lia wurde operiert, mehr weiß ich auch nicht."
"Okay, danke trotzdem," antwortete ich kurz angebunden und legte auf.Ein Gefühl der Ohnmacht überkam mich. Ich musste mehr wissen. Plötzlich fiel mir Jessica ein. Sie war Lias beste Freundin und würde alles tun, um ihr zu helfen.
Ich schrieb ihr: "Hallo Jessica, ich weiß, wir kennen uns nicht gut. Aber bitte sag mir, wie es Lia geht. Ich mache mir große Sorgen."Da sie nicht sofort antwortete, ging ich duschen. Unter der heißen Dusche versuchte ich, die Bilder aus meinem Kopf zu verdrängen. Als ich fertig war, zog ich mich um und setzte mich ans Bett. Immer noch keine Nachricht von Jessica. Frustriert schnaubte ich aus. Es war mittlerweile fünf Uhr morgens. Ich musste versuchen, ein paar Stunden zu schlafen.
Nach einer Weile fiel ich in einen unruhigen Schlaf. Die Bilder von Lia verfolgten mich auch in meinen Träumen.
Am nächsten Morgen, genauer gesagt am Vormittag, schreckte ich mit klopfendem Herzen hoch. Panisch griff ich nach meinem Handy. Wie spät war es? Hatte Jessica geantwortet? Es war bereits 10 Uhr. Verdammt, ich hatte viel zu lange geschlafen!
Sofort sah ich die Nachricht von Jessica. Angst machte sich in mir breit. Mit zitternden Fingern öffnete ich den Chat.
Jessica schrieb: "Hey Jake, ich bin gestern direkt nach unserem Gruppen-Telefonat ins Krankenhaus gefahren. Kurz darauf kam auch der Rettungswagen mit Lia. Sie wurde sofort operiert. Mehr konnten mir die Ärzte nicht sagen. Ich fahre gleich wieder hin und stelle die auf den Kopf, wenn sie mir nichts sagen!"
War das gut oder schlecht? Ich war genauso ratlos wie zuvor.
Ich ging ins Bad und sah mein Spiegelbild an. Unter meinen Augen waren tiefe Schatten. Ich hatte schlecht geschlafen, immer wieder tauchten Bilder von Lia in meinem Kopf auf.
Angezogen und bereit, setzte ich mich an meinen Laptop. Ich musste überprüfen, ob meine Verfolger mir auf die Spur gekommen waren. Zum Glück schien alles in Ordnung zu sein. Ein Albtraum wäre es gewesen, jetzt fliehen zu müssen.
Mein Handy klingelte. Es war Jessica. Sie hatte eine Sprachnachricht geschickt: "Hi Jake, ich komme gerade aus dem Krankenhaus. Die Ärzte wollten natürlich nichts sagen. Schweigepflicht und so... Also bin ich zur Intensivstation gegangen. Dort habe ich zufällig eine wartende Frau getroffen.Ich habe sie einfach gefragt, ob sie eine Lia Hansen kennt. Und tatsächlich, es war ihre Mutter. Sie ist noch gestern Abend angereist, nachdem die Polizei sie informiert hatte was mit Lia geschehen ist. Ich habe sie natürlich sofort gefragt wie es Lia geht."
*kurze Stille*
"Jake, Lia lebt. Sie hatte unglaublich viel Glück im Unglück. Ein gebrochener Arm, viele Schürfwunden und eine schwere Gehirnerschütterung. Sie ist noch nicht wach, aber die Ärzte sind optimistisch. Ich durfte sie leider nicht sehen, aber bald können wir sie besuchen."
Ich hörte mir die Nachricht immer und immer wieder an. Es war unfassbar. Lia lebte! Ich konnte meine Erleichterung kaum beschreiben.
Nun konnte ich mich endlich Hannah und Lilly widmen. Ich wollte sie unbedingt persönlich kennenlernen und es tat gut, sie in dieser schweren Zeit zu unterstützen. Für Lia musste ich geduldig sein. Solange sie auf der Intensivstation lag, konnte ich nur abwarten.
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Vergiss mich nicht - eine Duskwood Story
ФанфикDies ist eine Fanfiction des Mobilegames Duskwood. Alle Rechte der Figuren gehören der Firma Everbyte. Meine Geschichte beginnt an der Stelle, an der der Mann ohne Gesicht uns auffordert, nach Duskwood zu kommen. Dies ist die erste Geschichte, die i...