Entscheidung des Herzens

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**Jakes Sicht**

Ich wartete nervös darauf, dass Jessica sich meldete und berichtete, wie es Lia ging und ob sie vielleicht wütend war. Da ertönte ein *Ping* aus meinem Handy.

*Jessica hat dich der Gruppe hinzugefügt.*

"Eine neue Gruppe?" dachte ich irritiert. Jessica hatte eine Gruppe mit dem Namen „Lia" erstellt und Cleo, Dan, Thomas sowie Lilly hinzugefügt. Anscheinend wollte sie uns alle zeitgleich informieren.

Jessica: Leute, wir haben ein verdammt großes Problem!

Mein Herz begann sofort wieder zu rasen. Was war mit Lia? Ging es ihr schlechter? Ich tippte hektisch auf meinem Handy.

Ich: Was ist mit Lia? Geht es ihr wieder schlechter?
Dan: Hey, was geht ab?

Manchmal könnte ich Dan wirklich den Hals umdrehen. Entweder überdramatisiert er alles oder er nimmt es viel zu locker. Was stimmte manchmal nicht mit ihm? Aber ich war zu frustriert, um mich jetzt auf ihn einzulassen, also sparte ich mir einen Kommentar.

Jessica: Nein, ihr geht es den Umständen entsprechend gut. Sie sieht zwar aus, als hätte sie einen Kampf mit Goliath gehabt - so grün und blau ist sie -, aber ansonsten geht es ihr ganz gut.

Erleichterung durchströmte mich. Wenigstens ging es ihr nicht schlechter. Trotzdem brach es mir das Herz, wenn ich daran dachte, wie sie jetzt aussehen musste - überall Schrammen und Hämatome.

Jessica: Wie soll ich euch das jetzt sagen?
Ich: Jessica! Bitte sag uns einfach, was los ist, sonst drehe ich gleich komplett durch.
Jessica: Sorry, ich bin noch völlig aufgewühlt. Ich komme gerade aus dem Krankenhaus. Und was soll ich sagen? Lia hat mich nicht erkannt...
Dan: Wie, sie hat dich nicht erkannt? Sie kennt doch Fotos von dir.
Jessica: Nicht nur nicht erkannt - sie erinnert sich an nichts. An niemanden. An nichts, was passiert ist. Nicht mal an Jake. 😔

Ich konnte nicht fassen, was Jessica da gerade geschrieben hatte. Ich hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit.

Cleo: Bist du dir sicher, Jessy?
Lilly: Das kann nicht sein!
Dan: Bestimmt durch ihre Kopfverletzung.

Die anderen waren genauso schockiert wie ich. Jeder versuchte, etwas dazu zu sagen, aber niemand wusste wirklich, wie er damit umgehen sollte.

Ich: So etwas nennt man dissoziative Amnesie. Sie tritt am wahrscheinlichsten bei schweren oder langfristigen Traumata auf.
Dan: Hackerman bleibt natürlich wieder bei den Fakten.

Wenn er nur wüsste, wie es in mir aussah, würde er das nicht sagen. Innerlich war ich ein komplettes Chaos. Ich hatte keine Ahnung, wie ich mit dieser Information umgehen sollte. Daten und Fakten waren das Einzige, was mich jetzt irgendwie ruhig hielt.

Jake: Was anderes bleibt mir gerade nicht übrig, Dan.
Jessy: Auf jeden Fall habe ich ihr nichts Genaueres von euch erzählt. Nur, dass wir Freunde sind und uns darauf freuen, sie kennenzulernen, wenn sie wieder aus dem Krankenhaus kommt. Ich habe ihr meine Nummer gegeben, um in Kontakt zu bleiben.
Ich: Hat sie schon ein neues Handy? Dann brauche ich ihre Nummer.
Dan: Du willst sie doch nur wieder kontrollieren.
Jessy: Dan, lass es bitte. Ja, ich schicke sie dir gleich.
Dan: Pff.

Ich wollte sie nicht kontrollieren. Das war das falsche Wort. Ich wollte einfach nur wissen, mit wem sie schreibt - falls ihre Erinnerungen plötzlich zurückkehren.

Jessy: Sie will so lange hier bleiben, bis sie sich wieder an alles erinnern kann. Ich weiß nicht, ob das so gut ist, aber ich wollte ihr das nicht direkt ausreden.
Ich: Danke für die Informationen, Jessica.

Ich schloss den Gruppenchat und öffnete den alten Chatverlauf zwischen Lia und mir. Ich las ihre letzte Nachricht, die sie mir vor ihrer Abfahrt nach Duskwood geschickt hatte, noch einmal durch:

Lia: „Jake, bitte! Ich weiß, du bist jetzt unglaublich sauer auf mich, aber irgendwann wirst du zurückblicken und verstehen, warum ich das getan habe! Ich mache das für euch alle - vor allem für dich! Ich möchte so sehr, dass du deine Halbschwestern endlich kennenlernen kannst und wieder eine Familie hast! Egal, ob du nie wieder mit mir reden möchtest oder nicht - die Zeit, die wir miteinander verbracht haben, werde ich niemals vergessen und immer in meinem Herzen tragen! Ich hoffe so sehr, du kannst mir irgendwann verzeihen. ❤️"

Ich wusste nicht, ob ich weinen oder lachen sollte. Das war doch die Ironie des Schicksals: "Die Zeit, die wir miteinander verbracht haben, werde ich niemals vergessen und immer in meinem Herzen tragen" - und nun hat sie einfach alles vergessen. Ich kann es nicht fassen. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, und ich schluckte die Tränen hinunter. „Ach, Lia", seufzte ich. Warum musste unser Leben so kompliziert sein? Hätten wir uns nicht einfach unter normalen Umständen kennenlernen können? In einer Bar oder bei einem Online-Game, zum Beispiel? Ich musste innerlich schmunzeln.

Aber was sollte ich jetzt tun? Ich konnte doch nicht einfach zu ihr ins Zimmer spazieren und sagen: „Hallo, ich bin Jake, der komische Hacker, in den du dich verliebt hast." Ich musste das alles erstmal sacken lassen und mir überlegen, wie ich weiter vorgehen sollte. Also setzte ich mich an meinen Laptop, um noch ein bisschen zu arbeiten.

**Lias Sicht**

Der nächste Morgen begann wunderbar. Als ich aufwachte, kitzelten Sonnenstrahlen mein Gesicht. Ich liebte es, wenn die Sonne schien. In den letzten Tagen war es zwar warm gewesen, aber meistens bewölkt. Voller Tatendrang klingelte ich nach einer Schwester und fragte, ob ich endlich duschen gehen dürfte. Ich fühlte mich so unglaublich schmutzig. Sie versprach mir, dass bald jemand kommen würde, um mir zu helfen, da es allein noch zu gefährlich wäre, falls mein Kreislauf nicht mitspielen sollte.

Ich nahm mein Handy und schrieb Jessy eine Nachricht:

Ich: „Guten Morgen, Jessy 😊! Hast du heute Zeit und Lust, mich zu besuchen? Ich würde gerne an die frische Luft, aber die Krankenschwestern lassen mich auf keinen Fall allein raus."

Kurz darauf antwortete Jessy:

Jessy: „Guten Morgen, Lia! Sehr gerne. Ich komme um 14 Uhr vorbei, vorher schaffe ich es leider nicht."

Ich: „Super, bis später!"

Jessy: „Bis später!"

Nach einer Weile kam eine Krankenschwester, um mir beim Duschen zu helfen. Ich fühlte mich danach wie neugeboren. Ich hoffte, dass ich bald aus dem Krankenhaus entlassen würde. Ich hatte es satt, die ganze Zeit hier herumzuliegen. Ich wollte Duskwood erkunden und endlich meine neuen Freunde richtig kennenlernen. Bis Jessy kam, schaute ich mir online noch ein paar lustige Videos an.

**Jakes Sicht**

Ich hatte die Nacht wirklich schlecht geschlafen, nachdem ich gestern eine schwerwiegende Entscheidung getroffen hatte: Ich würde Lia nicht wiedersehen. Nie wieder. Sie erinnerte sich nicht an mich, also war es das Beste, wenn sie auch nie von mir erfährt. So hätte sie die Chance, jemanden kennenzulernen, mit dem sie ein normales Leben führen konnte. Meine Vergangenheit würde das niemals zulassen. Ich wollte sie nicht auch noch mit meinen Problemen belasten - das hatte sie nicht verdient. Mein Herz zerbrach, als ich diese Entscheidung endgültig fällte. Ich brach in Tränen aus. Ich wollte sie nicht gehen lassen. Ich liebte sie so sehr, dass es schmerzte. Aber ich wollte immer nur das Beste für sie. Am Ende weinte ich mich in einen unruhigen Schlaf.

Am Morgen wurde ich durch das Geräusch meines Handys geweckt. Wer schrieb mir so früh? Es war Jessica.

Jessica: „Guten Morgen, Jake. Lia hat mir geschrieben. Sie möchte, dass ich sie besuche. Komm doch mit! Dann könntest du sie überraschen. Vielleicht erinnert sie sich wieder an alles, wenn sie dich sieht."

Ich: „Hallo Jessica. Nein. Ich habe gestern Abend beschlossen, Lia nicht mehr zu sehen. Es ist besser für sie."

Ich ging offline. Am liebsten hätte ich einfach nur geschrien. Meine Gefühle überwältigten mich, ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte. Ich musste hier weg. Hastig packte ich meine Sachen, checkte aus und fuhr los. Einfach nur weg von hier.

Vergiss mich nicht - eine Duskwood StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt