Im Bann des Barkeeper

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Als wir an der Aurora ankamen, war ich ein wenig aufgeregt. Ich war gespannt, wie Phil aussah und wie er drauf war. Wahrscheinlich ein typischer Barkeeper, der den Mädels den Kopf verdreht und sie so ins Bett bekommt.

Wir betraten die Bar, und ich war positiv überrascht, wie gemütlich es hier war. Auf der rechten Seite gab es eine kleine Bühne mit einer Tanzfläche davor. Auf der linken Seite standen mehrere kleine Tischgruppen, und direkt vor uns erstreckte sich ein langer Bartresen mit bequemen Barhockern. Wir schienen die ersten Gäste zu sein, aber es war auch noch früh am Abend. 
"Wow, das ist ja echt cool hier", sagte ich anerkennend. 
Jessy nickte zustimmend. "Ja, oder? Es ist eine Mischung aus Bar, Club und Restaurant. Wir können hier auch eine Kleinigkeit essen, wenn du möchtest." 
"Das klingt super", erwiderte ich, und meine Nervosität war wie weggeblasen. Ich freute mich einfach auf den Abend, egal, was kommen würde.

Wir setzten uns an einen kleinen Tisch in der Nähe der Bar. Kurz darauf erschien ein großer, schlanker Mann mit langen, schwarzen Haaren, die zu einem Pferdeschwanz gebunden waren. Sofort fiel mir das Drachentattoo an seinem Hals auf. Das musste Phil sein. Irgendwie hatte ich ihn mir ganz anders vorgestellt.

"Hallo Jessy, wen hast du denn da Hübsches mitgebracht?", fragte er lässig grinsend und zog sich einen Stuhl heran, den er falsch herum drehte, um sich darauf zu setzen. Seine Arme legte er lässig auf die Rückenlehne. 
Holy Moly, dachte ich. Jessy hatte nicht zu viel versprochen. Er flirtete schon, bevor wir überhaupt ein Wort gewechselt hatten. Unglaublich.

"Hi Phil, das ist meine Freundin Lia", stellte Jessy mich ihrem Bruder vor, als wäre das ganz normal. 
"Hallo", sagte ich lächelnd. 
"Lia? Die Lia? Schön, dich endlich persönlich kennenzulernen!", sagte Phil überrascht und erfreut zugleich. 
"Ähm, keine Ahnung? Haben wir uns schon mal getroffen?", fragte ich ihn etwas unsicher. 
Bevor Phil antworten konnte, schaltete sich Jessy ein: "Ach stimmt ja, Phil. Lia hatte durch den Unfall eine Amnesie. Sie kann sich an nichts erinnern."

Phil wirkte kurz irritiert, fing sich aber schnell wieder. "Oh, verstehe. Dann nochmal von vorne: Hi Lia, ich bin Phil, Jessys Bruder." 
Ich lachte. "Hi Phil, ich bin Lia." 
Wir alle lachten, und die anfängliche Anspannung war sofort verflogen.

"Was wollt ihr trinken? Geht heute aufs Haus!", fragte Phil großzügig. 
Ich bestellte eine Spezi, Jessy eine Fanta. Phil brachte uns die Getränke und setzte sich wieder zu uns. "Und, Lia? Bist du eigentlich noch Single?" fragte er direkt. 
Ich beschloss, auf seine Flirtereien einzugehen, und antwortete neckisch: "Ja, warum fragst du?" 
Phil grinste. "Ach, nur so. Du bist einfach eine sexy Frau." 
Er zwinkerte mir zu, und ich lachte verlegen. Komplimente waren mir immer etwas unangenehm.

Wir plauderten noch eine Weile, bis Jessy und ich beschlossen, etwas zu essen zu bestellen. Ich nahm ein belegtes Käsebaguette mit Kräuterdip, und Jessy bestellte Camembert mit Preiselbeeren, Toast und Butter. Phil ging in die Küche, um unsere Bestellung weiterzugeben. Inzwischen waren mehrere Gäste eingetroffen, und Phil hatte keine Zeit mehr, sich zu uns zu setzen. Ein bisschen enttäuscht war ich schon. Er schien zwar ein typischer Fuckboy zu sein, aber er hatte auch eine charmante und eloquente Seite.

Jessy und ich aßen und beobachteten die anderen Gäste. Die Altersgruppen reichten von jung bis alt. Es schien, als ob sich hier Menschen aus ganz Duskwood trafen, was ich echt cool fand. Als Phil gerade nichts zu tun hatte, winkte ich ihm zu. "Na, was kann ich für euch tun?" fragte er. 
"Ich hätte gerne einen Caipirinha, aber bitte mit wenig Alkohol. Ich nehme noch Antibiotika, und das wäre sonst keine gute Idee", sagte ich lachend. 
Phil nickte. "Und du, Schwesterherz?" fragte er Jessy. 
"Pina Colada", antwortete sie. 
"Alles klar, Ladys, kommt sofort", sagte Phil und ging zur Bar, um unsere Cocktails zu mixen.

"Ihr habt echt ein gutes Verhältnis", sagte ich zu Jessy. 
"Dank dir. Früher hat mein Bruder mir für alles die Schuld gegeben, aber nachdem du ihm einmal die Meinung gegeigt hast, hat er sich verändert. Seitdem ist er total nett zu mir. Ich glaube, er hat wirklich darüber nachgedacht, wie er mich behandelt hat." Jessy lächelte. 
"Oh, das klingt nach mir", sagte ich grinsend, und wir lachten.

Phil brachte uns die Cocktails, und Jessy und ich quatschten über Gott und die Welt, bis ich mich kurz verabschiedete, um auf die Toilette zu gehen. 
"Ich gehe mal kurz zur Toilette", sagte ich. 
Jessy fragte scherzhaft: "Brauchst du Hilfe?" 
Ich schmunzelte. "Nein, das kriege ich noch alleine hin."

Ich ging auf die Toilette und wusch mir die Hände. Als ich durch die Tür trat, erschrak ich plötzlich – Phil stand direkt im Flur vor der Tür, als hätte er auf mich gewartet. "Meine Güte, du hast mich erschreckt", sagte ich und sah ihn überrascht an. 
Er grinste amüsiert. "Keine Sorge, ich bin kein Serienkiller, Lia." 
Ich musste lachen. "Zum Glück", entgegnete ich, "denn mein Motto lautet: 'Don't fuck with serial killers.'"

Phil schaute mich irritiert an. "Okaaay..." 
Ich konnte mir ein Lachen kaum verkneifen. "Keine Sorge, ich bin nur ein True-Crime-Junkie", erklärte ich trocken und boxte ihm spielerisch gegen den linken Oberarm.

Plötzlich griff er nach meiner Hand und zog mich sanft zu sich heran. "Na, wenn das so ist, dann steht uns ja nichts mehr im Wege", flüsterte er mir nah ans Ohr. Ein Schauer lief mir über den Rücken, und ich bekam eine Gänsehaut. 
Ich sah ihm tief in die Augen und ließ meine Finger langsam über seine Wange gleiten. Er atmete scharf ein, und für einen Moment spürte ich die Spannung zwischen uns.

"Ach, Phil", sagte ich schließlich spöttisch und zog mich etwas zurück, "da musst du dir schon mehr einfallen lassen, um mich rumzukriegen." 
Mit einem lachenden Stoß schob ich ihn sanft zur Seite und ging mit einem Lächeln im Gesicht zurück zu Jessy. Ich konnte fühlen, wie sein geschockter Blick auf mir ruhte, als ich wegging. Dem hatte ich es gezeigt.

Jessy sah mich irritiert an, als ich zum Tisch zurückkam. "Was ist da gerade passiert? Phil lief knallrot hinter dir her." 
"Ach, ich hab ihn verarscht," sagte ich grinsend. "Er dachte, er könnte mich mit einem seiner Sprüche rumkriegen. Ich hab erst so getan, als würde ich darauf anspringen, und ihm dann eine Abfuhr erteilt." Wir mussten beide anfangen zu kichern. 

"Setzen wir uns an die Bar?" schlug Jessy vor. Ich nickte: "Von mir aus." 

Als wir uns an die Bar setzten, zwinkerte ich Phil zu. Er lächelte zurück. 
"Gut gekontert, Lia. Das muss ich dir echt lassen." 
Ich grinste, wurde aber dann etwas ernster. "Danke, aber ich meinte das ernst, Phil. Ich bin keine Frau für eine Nacht. Für mich muss da schon mehr sein als nur körperliche Anziehung." 

Phil lehnte sich auf den Tresen, sah mir direkt in die Augen und sagte: "Challenge accepted." 
Ich schnaufte lachend und streckte ihm meine Hand hin. "Deal." Er ergriff meine Hand und schüttelte sie. 

Jessy lachte auf. "Ihr seid beide so verrückt!" 
Wir sahen sie an und sagten gleichzeitig: "Manchmal." Daraufhin mussten wir alle drei laut loslachen, und einige Gäste drehten sich zu uns um. 

Der Abend verging mit viel Gelächter, und als ich schließlich ins Bett fiel, war ich völlig erschöpft. Zum ersten Mal seit Langem schlief ich wunderbar durch.

Vergiss mich nicht - eine Duskwood StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt