Versprochen ist versprochen

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**Lias Sicht**

Michael, alias der Mann ohne Gesicht, unterbreitete mir das Angebot, nach Duskwood zu kommen, während Hannah und Richy stattdessen gehen dürften. Unglaublich! Ist das sein Ernst? fragte ich mich verzweifelt. Was will er damit bezwecken? Was will er von mir?

Sofort erhielt ich eine Nachricht von Jake. Natürlich hatte er mal wieder mitgelesen – ausgerechnet jetzt.

Jake: „Da gibt es nichts zu diskutieren. Nein, einfach nein."

Ich spürte, wie mein Herz schneller schlug. 

Ich: „Was ist, wenn er Hannah und Richy wirklich gehen lässt? Dann hätten wir unser Ziel endlich erreicht."

Jake: „Und stattdessen bringt er dann dich um? Niemand kann ein solch großes Opfer von dir verlangen. Auf gar keinen Fall, Lia."

Meine Gedanken rasten wie ein Sturm durch meinen Kopf. Ich muss doch irgendetwas tun können, damit dieser Wahnsinn ein Ende nimmt! Ich hatte Jake versprochen, nicht nach Duskwood zu gehen; aber die Situation war jetzt völlig anders als damals. Damals war ich machtlos – jetzt fühlte ich mich stark genug, um zu kämpfen. Er wird so unglaublich sauer sein, wenn ich mein Versprechen breche; und ich kann ihm das nicht einmal übel nehmen.

Ich schrieb in unseren Gruppenchat:

Ich: „Hey Leute, ich muss euch etwas sagen."

Jessy online
Dan online
Thomas online

Ich: „Michael hat mir geschrieben. Er hat gesagt, wenn ich nach Duskwood zum Grimrock gehe, lässt er Hannah und Richy gehen."

Jessy: „Du überlegst doch nicht ernsthaft darauf einzugehen!"
Dan: „Auf gar keinen Fall! Rabenfresse spinnt doch."
Thomas: „Lia, was ist, wenn er die Wahrheit sagt? Du solltest es zumindest probieren."
Dan: „Probieren, Thomas? Spinnst du? Hackerman, sag doch auch mal was dazu!"
Jake: „Ich habe es Lia auch schon im Privatchat gesagt. Ich halte von der Idee auch nichts."

Ich fühlte mich hin- und hergerissen zwischen Angst und Hoffnung. Einerseits hatte ich unglaubliche Angst davor, Michael gegenüberzustehen; andererseits könnte ich Hannah und Richy retten... ach Richy. Ehrlich gesagt würde ich sofort einen Rückzieher machen, wenn es nur um Hannah ginge. Aber Richy habe ich so unglaublich ins Herz geschlossen – ich kann ihn nicht im Stich lassen.

Ich atmete tief durch und fasste den Mut zusammen: Ich: „Ich glaube, ich habe mich entschieden – ich gehe nach Duskwood."

Mit zitternden Händen wechselte ich den Chat zu Michael und schrieb ihm meine Entscheidung:

Ich: „Ich habe nachgedacht. Ich nehme das Angebot an. Bringen wir es zu Ende."

Jake schrieb mir direkt im Privatchat:

Jake: „Lia. Bitte hör mir zu. Ich weiß natürlich nicht, warum Michael dir plötzlich dieses Angebot gemacht hat. Aber es ist viel zu gefährlich."

Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. 

Ich: „Du hast immer gesagt, dass ich noch wichtig sein werde."

Jake: „Du bist es schon immer gewesen."

„Du hast mich gebeten, diesen Weg bis zum Ende mit dir zu gehen", tippte ich zurück. 

Ich: „Heute bin ich es, die dich darum bittet. Bitte mach es mir nicht noch schwerer als es ohnehin schon ist."

Jake: „Ich kann dich nicht verlieren! Du bist das Einzige, was ich habe..."

Seine Worte schnürten mir die Kehle zu.

Jake: „Ich habe einen Gegenvorschlag: Ich gehe nach Duskwood und rette Hannah und Richy."

Ich: „Ach so? Ich muss zulassen, dass du das tust? Das ist nicht fair!"

Jake: „Nein, das ist es nicht! Aber ich habe mir geschworen, dich zu beschützen – um jeden Preis."

Die Verzweiflung stieg in mir auf wie eine Welle.

Jake: „Ich bin seit über vier Jahren auf der Flucht... In nur einer einzigen Nacht hatte ich alles verloren... mein Zuhause... meine Identität... jeden einzelnen Menschen in meinem Leben. Ich konnte niemandem mehr vertrauen."

Ein Tränenstrom bahnte sich seinen Weg über meine Wangen.

Jake: „Irgendwann gewöhnte ich mich daran. Ich wurde zu jemandem, der die Einsamkeit bevorzugte... Und dann kamst du in mein Leben und alles änderte sich."

„Mir geht es doch genauso", schrieb ich.

Jake: „Ich bin dir völlig ausgeliefert. Ich kann mich dir einfach nicht entziehen – und will es auch gar nicht mehr."

Ich: „Jake", bat ich eindringlich.

Ich: „Bitte! Ich habe mich entschieden! Ich habe Michael bereits geschrieben und mache mich jetzt auf den Weg nach Duskwood – mit oder ohne deine Unterstützung! Du weißt wie sehr ich dich respektiere; aber diesmal kannst du mir diese Aufgabe nicht abnehmen! Michael will mich und niemand anderen – das ist nicht verhandelbar."

Jake schreibt...
Jake ist offline.

Das kann jetzt nicht sein Ernst sein! Schockiert schaute ich auf mein Handy; mein Herz raste und Tränen stiegen mir erneut in die Augen. Wie kann er mir das antun nach all dem? Ich weiß zwar, dass ich mein Versprechen gebrochen habe – aber verdiente ich deshalb so eine Abfuhr?

Mit zitternden Fingern tippte ich:

Ich: „Jake, bitte! Ich weiß du bist jetzt unglaublich sauer auf mich; aber irgendwann wirst du zurückblicken können und nachvollziehen warum ich das getan habe! Ich mache das für euch alle – vor allem für dich! Ich möchte so sehr, dass du deine Halbschwestern endlich kennenlernen kannst und wieder eine Familie hast! Egal ob du nie wieder mit mir reden möchtest oder nicht; die Zeit die wir miteinander verbracht haben werde ich niemals vergessen und immer in meinem Herzen tragen! Ich hoffe so sehr du kannst mir irgendwann verzeihen ❤️"

Doch Jake kam nicht wieder online.

Was macht er jetzt? Fährt er selbst los um sich Michael auszuliefern? Das kann ich auf gar keinen Fall zulassen! Jake hat schon genug Stress damit sich vor der Regierung zu verstecken; da muss er sich jetzt nicht auch noch mit einem kranken Entführer auseinandersetzen.

Im Gruppenchat kamen eine Nachricht nach der anderen; aber ich ignorierte sie und schaltete mein Handy in den Flugmodus.

Jetzt muss ich mich konzentrieren und alles für meine Reise nach Duskwood vorbereiten.

Vergiss mich nicht - eine Duskwood StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt