Dass Desna nicht so war, wie die meisten ihrer Klassenkamerad*innen, wusste sie schon seit einer Weile. Sie war vierzehn Jahre alt und sich seit ungefähr einem Jahr sicher, pansexuell zu sein.Vielleicht war sie, was das anging etwas frühreif, zumindest hatte sie immer wieder gelesen und auch von Erwachsenen gehört, dass sich Jugendliche in ihrem Alter doch noch keinerlei Gedanken über Sex machten und noch gar nicht wüssten, auf was sie ständen.
Aber vielleicht lag es auch einfach an der mangelnden Repräsentation queerer Menschen in dieser Altersgruppe, die es so erscheinen ließ.
Desna war dafür selbst das beste Beispiel: Sie hatte sich bisher noch bei niemandem geoutet und trug damit nicht gerade zur Sichtbarkeit junger queerer Menschen bei.
Natürlich wusste sie, dass sie sich nicht outen musste, ihre sexuelle Orientierung ging erstmal niemanden etwas an. Doch manchmal hatte sie auch das Bedürfnis, es andere einfach wissen zu lassen um wirklich für sich selbst und andere queere Menschen einstehen zu können.
Nur würde dies zumindest in ihrem familiären Umfeld eher weniger möglich sein. Ihre beiden Eltern kamen aus Indien und vorallem ihre Mutter war sehr traditionell und konservativ in all ihren Werten.
Desnas Großeltern waren mit ihrer Mutter und ihrer Tante nach Deutschland gekommen, als die beiden Schwestern ungefähr im selben Alter gewesen waren wie sie selbst es gerade war. Und während ihre Tante in Deutschland nicht glücklicher hätte sein können, wusste Desna, dass ihre Mutter hingegen eigentlich am liebsten nie aus Indien fortgegangen wäre.
Sie verabscheute viele Aspekte der westlichen Kultur und zeigte dies auch immer wieder mit kleinen Bemerkungen. Dies kränkte Desna oft oder versetze sie in Wut, da sie selbst sich als Deutsche verstand.
Natürlich hatte sie indische Wurzeln - ein Teil, den sie ebenso an sich mochte - aber sie war in Deutschland geboren und aufgewachsen, sie fühlte sich hier wohl und Zuhause. Viele der sozialen und gesellschaftlichen Normen und Werten in diesem Land vertrat auch sie.
Deutschland war ihre Heimat und ein Teil von ihr. Aber manchmal gab Desnas Mutter ihr das Gefühl, genau diese deutschen Anteile in ihrer Tochter an ihr am wenigsten zu mögen.
Darüber hatte Desna bereits mit ihrem Vater geredet, sie hatte das Gefühl, dass er sie eher verstehen konnte, da auch er in Deutschland geboren worden war. Ihr Vater hieß das Verhalten von Desnas Mutter nicht gut, er hatte seine Tochter immer getröstet und ihr zugestimmt, dass seine Frau im Unrecht sei.
Jedoch schien das alles für ihn keine so große Sache zu sein, wie für Desna, denn er hatte seine Frau noch nie damit konfrontiert oder seine Tochter aktiv in ihrer Identität als Deutsche unterstützt. Häufig sagte er nur, sie solle ihrer Mutter ihre Meinung lassen und sich ihre Worte nicht so zu Herzen nehmen. Sie meine es nicht so und wolle ihre Tochter nicht verletzen.
Eigentlich wusste Desna, dass er damit zumindest teilweise Recht hatte. Natürlich wollte ihre Mutter ihr nichts böses. Aber trotzdem waren ihr Verhalten und ihre Worte verletzend und Desna befürchtete, dass das alles nur schlimmer werden würde, wenn sie sich bei ihrer Mutter als pansexuell outete.
Wohlgemerkt, dass ihre Mutter ja ohnehin nicht einsehen würde, dass eine vierzehnjährige sich überhaupt schon über sexuelle Orientierung und Sexualität Gedanken machte.
Desna war auch nie wirklich über das Thema Sex aufgeklärt worden, dies war eine Sache, über die in ihrer Familie einfach nicht gesprochen wurde.
Als sie im Alter von elf Jahren zum ersten Mal ihre Periode bekommen hatte, hatte ihre Mutter ihr zwar erklärt, was diese Funktion ihres Körpers bedeutete und wie sie damit umzugehen hatte. Doch abgesehen davon waren Themen wie Sex und Menstruation im Gespräch mit dieser ein absolutes Tabu.
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AroAce-Spektrum Oneshots
Short StoryGeschichten über Romantik und Sex - davon gibt es hier auf Wattpad mehr als genug. Aber was ist eigentlich mit den Menschen, die in diesem Bereich ein bisschen anders ticken? Mit den Menschen, die so oft vergessen werden, weil ihre Identitäten so un...