Regen und Tränen

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Der Herbst war hereingebrochen und Alisha saß mit ihrem kuscheligen weinroten Hoodie im Unterricht. Mit Englisch konnte sie wenigstens etwas anfangen, also versuchte sie sich auf das, was ihr Lehrer sagte, zu konzentrieren. Leonie war heute krank, deswegen war der Platz neben ihr leer, ebenso wie der Platz ihrer Freundin in ihrem Herz. Als Leonie am Morgen Alisha geschrieben hatte, dass sie krank geworden war, hatte Leonie ihr auch ausdrücklich verboten, sie zu besuchen, da sie Alisha nicht anstecken wollte. Also saß Alisha jetzt im Unterricht, während es draußen strömte und versuchte sich die Zeit mit der Analyse von Englischen Gedichten zu vertreiben, doch immer wieder kehrten ihre Gedanken wieder zu Leonie zurück. Was fällt der eigentlich ein, fragte sich Alisha schmollend in Gedanken, krank zu werden und mir dann verbieten sie zu besuchen. Ohne die Aussicht, Leonie nach der Schule besuchen zu können, fühlte sie sich etwas verloren, als würde ein essentieller Teil von ihr fehlen. Schließlich kam sie zu dem Entschluss, dass sie bei Leonie wenigstens vorbeischauen und ihr vielleicht ein paar Snacks mitbringen würde, auch wenn sie damit Leonies bitte, sie nicht zu besuchen, missachtete. Doch erst müsste sie sich noch durch einen halben Tag Schule arbeiten, bis sie ihre Freundin besuchen könnte.

Nach einigen quälenden Stunden Unterricht, die Alisha fast zur Verzweiflung gebracht hatten, konnte sie sich endlich auf den Weg zu Leonie machen. Es schüttete immer noch wie aus Eimern, als sie vor die Tür des Schulgebäudes trat und ein kalter Wind blies um die Bäume und Autos auf der Straße. Sie fröstelte und zog ihre Jacke enger um sich, dann machte sie sich zügig auf den Weg zu ihrer Freundin. Die Straßen waren extrem rutschig und die Autos zogen nur langsam an ihr vorbei, während sie vorsichtig den Gehweg entlang lief. Eigentlich mochte sie regnerisches Wetter sehr gerne, aber diese Wetterlage war ihr doch etwas zu extrem, um es faszinierend zu finden. Hätte sie gewusst, dass es jetzt so stark schütten würde, hätte sie am Morgen einen Regenschirm mitgenommen, aber das war zu der Zeit nicht ersichtlich gewesen. Aber die Kapuze ihrer Jacke, die sie sich tief ins Gesicht gezogen hatte, kam gut mit dem Regen klar, der sie erschlagen zu wollen schien. Anstatt sich mit der Zeit zu verziehen wurde der Sturm während Alishas Heimweg schlimmer zu werden, doch sie war entschlossen, Leonie einen Besuch abzustatten, um zu sehen, wie es ihr ging. Durch die strömen von Regen konnte man kaum 15 Meter sehen, aber Alisha hätte diesen Weg blind gehen können, ohne sich zu verlaufen, selbst nachdem sie an der Kreuzung abgebogen war, die zu Leonies Haus führte, zögerte sie keine Sekunde um sich umzusehen. Es war als würde sie ein starker Magnet anziehen. Auf dem Weg betrat sie kurz den Kiosk, bei dem sie oft mit Leonie Snacks und andere Kleinigkeiten kaufte, wenn sie daran vorbeiliefen. Sie kaufte ein paar von Leonies Lieblings-Süßigkeiten und nahm auch einen der süßen kleinen Schlüsselanhänger mit, die bei der Kasse hingen. Glücklich verließ Alisha den Laden und zog sich die Kapuze wieder über den Kopf, doch der Wind hatte die Richtung geändert und der Regen traf sie jetzt trotz Kapuze ins Gesicht. Ich beeil mich wohl lieber ein bisschen, dachte sie gegen den Regen blinzelnd. Auf flinkem Fuß ging sie durch die Straßen, während der Regen gnadenlos auf sie einschlug. Doch sie kam ohne große Probleme voran, bis sie vor einem kleinen Supermarkt ankam, dessen Front eine Überdachung hatte. Sie stellte sich für einen Moment unter das schmale Dach, um kurz durch zu atmen und sich etwas aufzuwärmen, bevor sie weiterging. Der Himmel zeigte immer noch keine Anzeichen davon, dass es bald aufhören würde, zu regnen. Dicke graue Wolken zogen sich in alle Himmelsrichtungen bis hin zum Horizont und obwohl es erst Nachmittag war, war es dunkel genug, dass alle Autofahrer ihre Scheinwerfer angeschaltet hatten. Jetzt drinnen auf der Couch sitzen und Tee trinken, das wär's, überlegte Alisha, während sie das regnerische Treiben verfolgte. Aber jetzt wollte sie erstmal zu Leonie, der Tee musste also warten. Der Gedanke, dass es vom Supermarkt aus nicht mehr weit bis zu dem Haus ihrer Freundin war und sie gleich da wäre, wärmte ihr Herz und spornte sie ein wenig an. Motiviert trat sie unter dem Vordach hervor und wollte gerade weiterlaufen, als ihr linker Fuß keinen richtigen Halt auf dem nassen Gehweg fand und seitlich wegrutschte. Sie versuchte, Halt zu finden, aber vergeblich. Plötzlich verlor sie das Gleichgewicht und fiel zu Boden. Unsanft landete sie auf dem Steinernen Gehweg und erst ein paar Sekunden später, nachdem ihr Kopf den Fall verarbeitet hatte, verspürte sie einen stechenden Schmerz in ihrem Fuß. Ihr traten Tränen in die Augen und sie wimmerte leicht über den Schmerz. Sie lag halb im Regen und halb im Trockenen vor dem kleinen Supermarkt und hielt sich das Fußgelenk, während der Regen weiter auf sie prasselte. Was mach ich jetzt, fragte sie sich verzweifelt und ein wenig panisch, was mach ich denn jetzt?

Was ich dir nicht sagen kann (Eine Omorashi-Story)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt