2. Kapitel

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Nachdem ich gehört hatte, wie König Henry Briannas Gemach verlassen hatte und vorsichtshalber ein paar Minuten wartete, eilte ich zu Brianna. Sie saß zusammengesunken mit hängenden Schultern an ihrem Bett und sah blicklos auf den Mosaikboden vor sich.»Brianna? Was wollte König Henry von dir?« fragte ich. Auch wenn ich es bereits wusste, wollte ich es nochmal von ihr hören. Als Brianna ihren Kopf langsam hob und zu mir hochsah, war ich schockiert darüber, welche Erschöpfung und Ergebenheit in ihren Augen lag. »Mein Vater hat mich mit Prinz Lucian von Kanderia vermählt. Wenn ich mich weigere ihn zu heiraten, wird er ...dich köpfen lassen.« »Oh...« Mir stockte der Atem. Den Teil der Unterhaltung hatte ich nicht mitbekommen.Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Ich verspürte kurz Ärger darüber, dass ich scheinbar nur ein Druckmittel war und Scham, weil ich Briannas Schwachpunkt zu sein schien und sie ohne mich nie in dieser Lage wäre.Kurz saßen wir im Stillen da, jeder nach einen Ausweg suchend seinen eigenen Gedanken nachgehend. Brianna brach schließlich das trübselige Schweigen. »Versuchen wir das Beste aus meiner freien Zeit zu machen. Komm! Wir müssen die Kleider anprobieren!« sagte sie gespielt fröhlich und erhob sich, um ihr Kleid in der kleinen Stube, nebenan anzuprobieren. Zu gern hätte ich etwas aufmunterndes gesagt, dass sie die Ausweglosigkeit ihrer Situation für einen Moment vergessen ließ, so wie sie es für mich zuvor getan hatte. Doch mir fiel nichts Tröstendes ein, was ich hätte sagen können. Ich war schrecklich in solchen Dingen. Also folgte ich ihr nur stumm mit den zwei Kleidern über dem Arm. Brianna hatte schon ihr rosafarbenes Kleidund den Schmuck, den sie heute getragen hatte, ausgezogen und zog sich ohne meine Hilfe ihr Kleid an. Sie wollte als erstes auch keine Hofdame, doch nachdem ihre Mutter verstarb, schottete sie sich von allen ab und so wurde ich als kleines Kind zu ihr geschickt, damit sie eine Gleichaltrige zum Spielen hat und nicht vollkommen vereinsamt. Damals war ich sechs und sie sieben und ich lebte erst seit einem Jahr im Palast als Aushilfe in der Küche. Brianna war alles an Familie, was ich hatte. Meine Eltern waren umgekommen als ich fünf Jahre alt war und ich erinnerte mich kaum an sie. Brianna und ich hatten uns auf der Stelle verstanden, weil sie nun selber den Verlust eines Elternteils nachvollziehen konnte doch sie sah nicht ein, mich wie eine normale Dienerin zu behandeln und lehnte meine Hilfe auch dieses Mal kategorisch ab. Sie machte alles selber und meine Aufgabe war allein, ihr eine loyale, unterstützende Freundin zu sein. Was mir nicht schwer fiel, da ich diese Aufgabe als völlig selbstverständlich ansah. Nun war ich auch mit meinem Kleid fertig und wir betrachteten uns im großen Spiegel. »Oh, Elaine! Du siehst umwerfend aus. Das Kleid betont deinen hellen Teint so toll.«Ich spürte Hitze in meinen Wangen aufsteigen und brachte nur ein genuscheltes »Danke.« heraus, so überfordert war ich mit den ganzen Komplimenten. Als ich selber an mir runtersah, versuchte ich, mir eine eigene Meinung zu meinem Aussehen zu bilden und tatsächlich, ich musste Brianna zustimmen, das Kleid war tatsächlich sehr vorteilhaft geschnitten und stand mir gut. Ich erkannte mich selber kaum wieder. Diese junge, zierliche Frau mit der leicht gebräunten Haut, den langen dunkelblonden Haaren und dem schmalen Gesicht mit den großen, leuchtend grünen Augen, den langen Wimpern und der schmalen Nase, die überseht von kleinen Sommersprossen war, konnte doch unmöglich min Spiegelbild sein. Ein kleines Lächeln schlich sich auf mein Gesicht, obwohl sich das gerade für mich wie ein Traum anfüllt, denn Brianna hatte vollkommen Recht: ich sah aus wie eine Prinzessin.Den restlichen Abend blieb ich bei Brianna und wir sprachen über das morgige Fest, wobei es bei belanglosen Themen blieb, wie die Frage, welche Tänze wohl geführt werden. Keine von uns sprach nochmal an, was zuvor geschehen war, obwohl uns die Sätze und Pläne vom König wahrscheinlich beiden keine Ruhe ließen. Nachdem ich Brianna eine gute Nacht gewünscht hatte, ging ich in mein Gemach. Dort ließ ich mich erschöpft auf mein Himmelbett fallen und wollte gerade die Augen schließen, als ohne Vorwarnung die Tür zu meinem Gemach aufgerissen wurde und Prinz William, Briannas gleichaltriger Bruder, den Raum betrat.Hastig richtete ich mich auf und machte einen nicht sehr eleganten Knicks. Meine Wangen fingen an zu brennen und spürte deutlich seinen durchdringenden Blick auf mir ruhen. Ich strich mein Kleid glatt und verbeugte mich noch einmal, etwas langsamer und vorsichtiger.Dann erhob ich mich wieder mit gesenktem Blick ohne ihm ihn die Augen zu sehen. Doch ich musste nicht aufsehen, um mir sein Gesicht vorstellen zu können. Es hatte sich genauso wie alles andere an ihm in mein Gedächtnis gebrannt. Vor meinen Augen sah ich sein markantes Gesicht, seine warmen, braunen Augen in denen so viel entwaffnende Offenheit lag, das mir jedes Mal die Knie weich wurden und Lippen, die stets zu einem Lächeln verzogen waren. Er war immer freundlich zu mir gewesen, wenn ich ihm zufällig im Palast begegnet war und hatte mich nie von oben herab behandelt, wie man es von einem Prinzen eigentlich erwartete.Als seine tiefe Stimme erklang, kriegte ich einen Gänsehaut und ich schaut auf. »Elaine? Entschuldige mein Hereinstürmen. Ich muss mich in der Tür geirrt haben. Ich wollte eigentlich zu meiner Schwester.« sagte Prinz William in beschämten Tonfall. Er drehte sich um und wollte die Tür hinter sich schließen, als es plötzlich aus mir herausbrach:»Ihr habt es schon erfahren, oder? Das mit Eurer Schwester?« Sofort bereute ich meine Worte und senkte meinen Blick wieder. So sprach man nicht mit Adligen, besonders nicht mit der Königsfamilie, ausgenommen Brianna, wenn ich mit ihr alleine war. Schon allein dafür könnte man mich bestrafen. Mein Blick senkte sich beschämt. Prinz William wandte sich bei meinen Worten wieder zu mir um. Überraschung zeichnete sich auf seinem Gesicht ab.»Du klingst nicht so, als ob du dich freuen würdest. Wäre es kein Segen, wenn zwei so mächtige Länder endlich vereint werden?«Ich musst schlucken und wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Ich mochte William, aber er war immer noch der Prinz und ich befand mich hier auf sehr gefährlichem Terrain. Noch ein falsches Wort und ich könnte des Hochverrats beschuldigt und geköpft werden. Prinz William machte ein paar Schritte ins Zimmer rein auf mich zu bis er direkt vor mir stand. Das machte mich nur noch nervöser. Mein Kopf war wie leer gefegt und ich war mir nur allzu bewusst, wie schnell mein Herz schlug.Da ich noch nicht geantwortet hatte, sprach Prinz William weiter:»Sag es mir ruhig. Ich bin nicht wie mein Vater. Ich würde dich nicht für den kleinsten Ausrutscher köpfen lassen. Außerdem darfst du mich angucken. Hebe deinen Blick. Bitte.« Dass mich ein Mann, ein Prinz, um etwas bat, war so unvorstellbar, dass ich ohne Nachzudenken hochsah und der durchdringende Ausdruck in seinen schokoladenbraunen Augen mich völlig unvorbereitet traf. Nach einer kurzen Stille in der mich sein Blick so gefangen nahm, dass ich kein Wort rausbrachte, rieß ich mich schließlich zusammen und begann zu reden: »Obwohl unser Reich diese Allianz gebrauchen könnte, möchte ich doch nicht, dass der Preis dafür Briannas Glück ist. Sie wird nicht glücklich werden mit Prinz Lucian.«»Allem Anschein nach magst du ihn nicht besonders.« Belustigung schwang in Williams Stimme mit.»Ich kenne ihn zwar nicht, aber sein Ruf eilt ihm voraus. Er würde ihr doch nicht länger als zwei Tage treu bleiben.«Die Worte verließen meinen Mund ohne mein Zutun und ich konnte selber kaum glauben, was ich da von mir gab. Mir schien es, als hätte ich alle Regeln der Etikette, die ich über die letzen Jahre gelernt hatte, vergessen.Prinz William musterte mich einen Moment lang einfach schweigend. Ich versuchte in seinem Blick zu lesen, was in ihm vorging und glaubte kurz so etwas wie Neugier in ihnen aufblitzen zu sehen. Doch er nickte nur langsam und ließ nicht erkennen, was er nun von mir dachte.»Ich werde jetzt gehen. Gute Nacht, Elaine.«Freude darüber, dass er sich an meinen Namen zu erinnern schien, machte sich in mir breit.»Gute Nacht, Eure Hoheit.« »Nenn mich bitte einfach William.«, wandte er mit einem spitzbübischen Grinsen ein. »Gute Nacht, William.«, brachte ich zögernd heraus. Er schenkt mir ein Lächeln, das seinen Augen einen warmen Schein verlieh und mein Bauch anfing zu kribbeln.Schließlich schloss er die Tür hinter sich und ließ mich verwirrt und mit einer Aufregung zurück, die keineswegs daher rührte, dass ich nur um Haaresbreite dem Hochverrat entronnen war.

Die Augen des Drachen - Erwacht (in Überarbeitung) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt