Ihr Herz pochte. Die Krallen ihres Djinn schnitten ihr in die Schulter. Ganz hinten in ihrem Kopf meldete sich ihre vernünftige Stimme und sagte ihr, dass er wahrscheinlich furchtbar Stolz mit seiner Leistung war und deswegen ganz erfreut seine Krallen ein- und ausfuhr. Aber Etienne fürchtete sich. Die kalte Angst ließ sie in Schweiß ausbrechen. Dieselbe Angst war auch bei Anaki zu sehen, welcher immer wieder mit großen Augen zu Catjill sah, mehrmals verwirrt blinzelte und dann wieder wegsah. Nur um dann erneut alarmiert wieder zu ihm zu blicken.
Magie, rief sie sich ins Gedächtnis, wiederholte das Wort wie ein Mantra, versuchte sich wieder aus dem Bann zu ziehen.
Catjill hatte den Menschen nicht unbedingt gezeigt, wie gefährlich er war, aber er ließ sie dennoch um ihr Leben zittern. Die meiste Zeit über war er still und ruhig gewesen. War von zu neugierigen Blicken und Fragen abgeschirmt, hatte dafür gesorgt, dass er nicht zu viel Aufmerksamkeit bekam. Was, wenn es zu viel gewesen war? Wenn es jetzt in ihren Köpfen zu rattern anfangen würde, sich langsam ihre Gedanken durch die Magie kämpften, dann könnten sie plötzlich zur Realisation kommen, dass es sich wahrhaftig um einen Djinn handelte. Sie würden verstehen, was für ein besonderes Wesen er war, anstatt sich einfach nur damit zufriedenzugeben, dass es sich um ein Anhängsel von Etienne handelte.
„Was zum Teufel,-", spuckte Anaki atemlos aus. Er beendete den Satz nicht und sah dann zu dem Djinn an ihren Schultern, welcher weiterhin Stolz und Selbstzufriedenheit ausstrahlte. Neben der Angst setzte nun Panik bei Etienne ein.
„Was genau hat Halil gegen dich?", fragte sie ihn schnell, versuchte seine Aufmerksamkeit von dem Djinn abzulenken, damit sein Zauber wieder subtil zu wirken anfing.
„Was?", fragte er und sein panischer Blick wanderte wieder zu ihr, schien seine Schmerzen für einen Moment vergessen zu haben.
„Ich hätte nicht gedacht jemanden an dieser Schule zu treffen, der so schnell und agil scheint", plapperte sie los, „Und mit so jemandem hast du einen Streit? Und wieso hat die Lehrerin sich nicht eingemischt? Und wieso kam Halil heute zu dir?"
Sie bombardierte ihn mit Fragen und merkte, wie er langsam sich mehr und mehr auf ihre Stimme konzentrierte. Sein Blick wurde wieder etwas klarer. Seine Hände zitterten weniger, die Atmung beruhigte sich. Der künstlich erzeugte Schleier der Angst, welcher sich um sie alle gelegt hatte, wurde langsam ersetzt durch den Schleier der unfreiwilligen Ignoranz und Ahnungslosigkeit. Sie würden ihn bald vergessen. Und auf einen Schlag war sie so glücklich darüber, dass Raffael nicht anwesend war. Etienne war sich wirklich nicht sicher, ob er es wieder vergessen würde, nicht bei seinen stetig prüfenden Blicken.
Anaki stöhnte plötzlich schmerzerfüllt auf, als sie die Treppenstufen hinunterstiegen. Etienne sah besorgt hinter sich, aber die Klassentür war noch geschlossen. Ihr Hirn fing wieder zu funktionieren an. Sie sollten schnell weg, bevor Halil ebenfalls zu sich kam.
Schnell und besorgt, half sie Anaki hinunter. Auf dem Weg zur Krankenstation, von denen es, wie sie erfahren hatte, ganze vier gab, begegneten sie anderen Schülern und neugierigen Blicken. Einer fragte Anaki sogar lachend, ob er sich wieder mit Halil angelegt hatte, woraufhin Anaki nur ein müdes Lächeln zustande brachte.
„Scheinen ja alle zu wissen, worum es geht", meinte Etienne dann. War das ein seltsames Spiel zwischen ihnen, von dem alle wussten und sich deswegen nicht einmischten?
Ein schwaches Seufzen und dann eine leise Antwort, „Ich hatte noch nie mit jemandem aus der Schule einen Streit. Aber als ich dann doch einen hatte, habe ich mir natürlich den besten Gegner herausgesucht."
„Könnt ihr euch nicht einfach wieder vertragen?", fragte Etienne.
Ein Husten, noch mehr schmerzerfüllte Blicke. Anaki hielt sich weiterhin die Seite, lief gekrümmt, „Er will sich nicht vertragen."
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Calisteo - Stadt der Geister
FantasyUmgeben von Meer und Wüste steht in einem Fleck von Grün die kleine Stadt Calisteo. Sie ist ein Zufluchtsort für Reisende, scheinbar friedlich und unwichtig, fernab all des Chaos der Neuen Welt. Der fragile Frieden der Stadt wird durch eine Vorhers...