Als Gilgian in der Schule ankam, war er noch verwirrter als am Morgen. Metas Brief ließ ihn ratlos zurück. Irgendwie widersprach er sich. Wahrscheinlich hatte das neue Balg damit zu tun. Taucht einfach auf und macht, was es will. Genauso wie die zwei Idioten, die er beinahe jeden Tag ertragen musste. Wieso starben sie nicht einfach einen langen, qualvollen Tod, um niemanden weiter zu nerven? War das zu viel verlangt?
Dann unterdrückte er ein Seufzen, wie ein Verlierer, welcher sein Leben nicht auf der Reihe bekam. Gilgian wollte wirklich dem Balg die Schuld geben. Aber er konnte nicht, denn es war nicht erst seit gestern so, dass er und Meta kaum miteinander sprachen. Wann hatten sie das letzte Mal ein richtiges Gespräch miteinander geführt? Und nun solch eine kryptische Entfernung. Vielleicht hätte er vor ein paar Tagen doch nachfragen sollen. Aber er hatte gekniffen ... wie ein Verlierer. Die gehässigen Worte seiner Kindheit kreisten ihm im Kopf herum.
Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und machte die Tür auf. Wie immer war Gilgian einer der ersten in der Klasse. Man sah es ihm vielleicht nicht an, aber er wollte eine gute Bildung haben. Er wollte zu dem werden, was sein Vater gewesen war. Nur nervten die Lehrer ihn. Und zwar ständig. Fünf Lehrer, die er fast jeden Tag sah und nicht einer von denen konnte einfach normal sein. Er seufzte und warf seine Tasche neben seinen Tisch. Khalas war bereits da. Mit seiner Brille und den zu großen Streberkleidern sah er wie ein unschuldiger Junge aus. Er hatte nichts an sich, was einen fantastischen Boxer vermuten ließ. Gilgian hatte einmal gegen ihn gekämpft und nur mit viel Mühe gewonnen. Deswegen hatte Gilgian ihn bei sich. Einen sehr guten Kämpfer, der ihm zur Not beistehen würde. Aber er sollte nicht Gilgian, sondern seine Schwester beschützen. Nicht, dass Gilgian nicht selbst dazu in der Lage gewesen wäre. Er wollte aber, dass sie in sicheren Händen war, falls es einen direkten Angriff auf ihn geben sollte. Und Khalas war gut genug dazu. Und wenn nicht, würde Gilgian ihm alle Knochen brechen.
„Wo ist Meta?", fragte dieser.
„Nicht hier", knurrte Gilgian.
Und damit war das Gespräch beendet. Ein weiterer Grund, weshalb Gilgian ihn gewählt hatte. Eine Antwort reichte ihm, er brauchte nicht nachzuhaken, so hielt er danach immer den Mund und nervte ihn nicht unnötig. Nicht so wie diese nervigen Arbeiter, die wie Fliegen um ihn herumschwirrten und ihm erzählen wollten, was er noch alles für die Provinz machen sollte.
Du musst die Verträge durchlesen, äffte er sie in seinem Kopf nach, Du musst eine Entscheidung zum Budget treffen.
Er hasste sie. Und er hasste diese Arbeit. Und es war nur Raffaels Schuld, dass er sie noch einige Jahre machen musste.
Langsam trödelten alle in die Klasse. Scarlett, die Kuh, kam ebenfalls als eine der Ersten. Dann die ganze, hinterhältige Eliastruppe. Obwohl Gilgian Scarlett absolut nicht mochte, war es beachtenswert, dass sie immer ganz allein in einer Klasse voller Feinde war, ohne auch nur die Spur von Angst zu zeigen. Raffael und sein treuer, kleiner Kämpfer kamen immer als Letztes, meistens auch zu spät. Heute kamen sie jedoch tatsächlich sogar etwas früher. Nicht gleich zu Unterrichtsbeginn, knapp vor dem Lehrer, sondern tatsächlich ganze fünf Minuten früher. Gilgian beobachtete, wie Raffaels verdammtes, lächelndes Gesicht, in das er am liebsten stundenlang einschlagen würde, leicht verwirrt zuckte, als er den Platz dieses nervigen Balgs leer entdeckte. Auch jetzt fiel es Gilgian auf, dass sie nicht da war und das machte ihn wütend. Nicht nur schlafen, sondern auch schwänzen. Was zur Hölle wollte sie in der Schule, wenn nicht lernen? Es war eine sinnlose Frage, denn Gilgian kannte die Antwort bereits von Tatinne. Natürlich war wieder der Idiot schuld. Wieso konnte er dem blöden Mädchen nicht einfach den Stein überlassen, damit sie verschwand und nicht alles durcheinander brachte? Er hatte bereits vermutet, dass Raffael versuchen würde Einfluss auf die Person der Vorhersehung auszuüben. Er verstand noch nicht genau, was sein Plan war, denn momentan sah es eher danach aus, als würde er sie gegen sich aufbringen. Gilgian selbst war es herzlichst egal, ob er als Herrscher abgelöst wird oder nicht. Er hatte sowieso nicht vor, lange in dieser verfluchten Stadt zu bleiben und er zählte jede Sekunde ab, welche ihn näher an seinen Abschied brachte. Interessanter wäre es jedoch herauszufinden, was Elias und seine Familie planen würden. Diese würden niemals die Macht abgeben. Raffael würde einiges vor sich haben, wenn er sich aktiv auf Etiennes Seite stellen würde. Oder wollte er sich gegen sie stellen?
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Calisteo - Stadt der Geister
FantasyUmgeben von Meer und Wüste steht in einem Fleck von Grün die kleine Stadt Calisteo. Sie ist ein Zufluchtsort für Reisende, scheinbar friedlich und unwichtig, fernab all des Chaos der Neuen Welt. Der fragile Frieden der Stadt wird durch eine Vorhers...