Etienne seufzte erleichtert. Es war zwar erst vorbei, wenn sie wirklich hier raus waren, aber nun würde der Weg nach Draußen deutlich einfacher werden. Sie saß an der Wand, lehnte sich tiefer in die Kälte hinein, welche den Schmerz in ihrer Schulter etwas linderte, und atmete tief durch. Dann noch einmal. Sie hatte nun ihren ersten Stein. Etienne konnte nicht anders, als zu grinsen, als sie endlich ihrem Ziel einen Schritt näher gekommen war. Und diesmal würde es ihr niemand wegnehmen.
Mit einem kurzen Blick durch den Raum, schätzte sie die Situation schnell ein. Der Geist war eindeutig eingeschränkt, er müsste sie nicht mehr allzu sehr belästigen dürfen. Catjill war immer noch bei Meta, welche einfach nur traurig Gilgian dabei zusah, wie er den Körper weiter zerschmetterte. Das beißende Gefühl der Schuld stach in Etiennes Brust. Sie hätte geduldiger sein müssen, etwas mehr Informationen sammeln und anschließend alleine mit Catjill gehen sollen. Ein leises Seufzen entschlüpfte ihr und sie wechselte den Blick in die zweite Ebene, in welcher die Schatten tobten und ihr die Sicht erschwerten. Der Geist war immer noch an Ort und Stelle. Schrie Gilgian weiter an, er solle aufhören. Solle sich seiner Rolle als kleiner Zahnrad seines mächtigen Lebens fügen und zur Seite treten. Eine interessante Aussage, von welcher sie sich nicht sicher war, was sie über diese denken sollte. Etienne ließ den Blick wieder fallen. Wie soll ich jetzt mit Gilgian umgehen?
Seine Fäuste stellten schon unglaublichen Krach mit den Steinen an, Etienne wollte sie nicht im Gesicht spüren. Sie war der Meinung, dass es noch immer keinen Grund dafür gab, dass er und Raffael hier aufgetaucht waren. Selbst wenn sie Etienne mit Meta vermutet hätten, hatten sie erstaunlich schnell zusammengezählt, dass sie mit ihr auf die Suche nach dem zweiten Stein von Expulsio sein würde.
Ihre Augen wanderten zu Raffael und entdeckte ihn dabei, wie er das Wesen unter sich betrachtete. Er hob seinen Kopf an einem Ohr an, runzelte die Stirn. Dann sah er seinen Nacken an, rieb die dunkle Flüssigkeit zwischen den Fingern sah zu Etienne. Sie hatte sich gewehrt und um ihr Leben gekämpft, dennoch fühlte sie sich ertappt, als wäre sie diejenige, welche das Monster überfallen hatte und ihre dunkle Tat wäre ans Tageslicht gelangt. Die Tatsache, dass sie nicht wusste, ob das Beseitigen von diesem Wesen ein Bruch ihres Versprechens an ihren Bruder war oder nicht, stresste sie zusätzlich.
„Du solltest aufpassen, dass es nicht wieder aufwacht", sagte sie schlecht gelaunt und hoffte, ihn etwas zu erschrecken.
Er ließ den Kopf fallen und sah stirnrunzelnd wieder zu dem Wesen, „Kann es das?"
„Vielleicht", sagte Etienne und hatte nicht das Gefühl, dass ihre schwachsinnige Warnung ihn groß davon ablenken würde, was sie mit dem Carwling gemacht hatte. Aber sie hatte nicht gelogen. Er müsste nur wenige Fragmente wieder in den Sarg legen, dann würde dieses Wesen wahrscheinlich nach einigen Jahren wieder auferstehen. So hatte es wohl auch Metas Vater gemacht. Hatte Überreste gefunden, alte Knochen oder vertrocknete Haut, und diese dort hineingelegt. Die Frage war nur, woher er das Wissen hierzu hatte und woher er wusste, wie die Särge zu verzaubern waren. Etienne war sich sicher, dass niemals ein kleiner unbekannter Herrscher von einer kleinen Provinz einer kleinen Stadt, welches sich maximal mit angeborener Magie auseinandersetzte, dieses Wissen besitzen würde. Und erst recht nicht, in welcher Konstellation und Anordnung die Symbole dieser Flüche gesetzt werden musste, um einen Crawling wieder aufblühen zu lassen. Er musste es von jemanden herausgefunden haben und Etienne wunderte sich, welches Individuum einer mächtigen Familie geplappert hatte.
Oder es war Tatinne?, fragte sie sich unruhig. Aber das war unwahrscheinlich. Diese alte Frau mochte in ihrem Leben viel Wissen durch ihre zwielichtigen Methoden angesammelt haben und wenn es eins gab, von dem Etienne sich sicher war, dann war es, dass es bei ihr nichts umsonst gab, nicht einmal für ihre Nichte. Niemals hatte dieser komische Mann auch nur etwas, was Tatinne haben wollen würde. Sie interessierte sich nicht für solche Sachen.
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Calisteo - Stadt der Geister
FantasíaUmgeben von Meer und Wüste steht in einem Fleck von Grün die kleine Stadt Calisteo. Sie ist ein Zufluchtsort für Reisende, scheinbar friedlich und unwichtig, fernab all des Chaos der Neuen Welt. Der fragile Frieden der Stadt wird durch eine Vorhers...