„Das ist ja wie im Horrorfilm. Naja, die gutaussehenden überleben meistens", sagte Raffael unbesorgt. Er zog seine Schuljacke aus und hängte sie zwischen den Eisenstangen des Zaunes.
Gilgian verdrehte die Augen und murmelte, „Was für ein Idiot."
„Sei dankbar, dass ich mitkomme", erwiderte Raffael.
„Wann hast du überhaupt einen Horrorfilm gesehen?"
„Nexim hatte ein paar", sagte er.
„Muss schön sein, wenn man bedenkt, was du alles von ihm übernehmen konntest."
Raffael funkelte ihn wütend an, sagte aber nichts dazu. Alle wussten, dass er seine Rolle als Provinzherrscher nicht wegen Nexims Reichtum an sich genommen hatte. Als Gilgian ihn und Scarlett kennengelernt hatte, haben die beiden gemeinsam mit Raffaels Mutter in ärmlichen Verhältnissen gelebt, wie nahezu alle Mitglieder der zweiten Provinz. Sie sind erst mit zehn Jahren an Calisteos stolze Schule gekommen, davor haben sie ein bürgerliches Lernhaus in ihrer Provinz aufgesucht. Aber ihre Leistungen waren so bemerkenswert, dass sie, wie Anaki, aufgenommen wurden. Kleidung und Bücher wurden ihnen von der Schule bezahlt und dies war immer an gute Leistungen gebunden, auf welche sie regelmäßig überprüft wurden. Aber keiner von den beiden schien damit ein großes Problem gehabt zu haben. Die Schule gab ihnen zusätzlich etwas mehr Geld, nicht genug um über die Runden zu kommen, aber genug, dass es ihnen damals sicherlich eine Erleichterung war.
Raffaels Mutter hatte beide Kinder alleine erzogen. Das wusste nun beinahe die ganze Stadt. Nachdem er an die Macht gekommen war, haben sich alle Zeitungen auf ihn gestürzt. Das war zwei Jahre nach Gilgians Machtübernahme und über ihn waren die Leute zu Lesen müde geworden. Und Raffaels Geschichte hatte ihnen viel geboten. Sie haben gekramt und gesucht und ihn verfolgt, Scarlett belästigt, seine Mutter belagert, bis Eldan dem einen Riegel vorgeschoben hatte. Zumindest in seiner Provinz, in welcher er als Held gefeiert wurde, welcher die Menschen von einem grausamen Herrscher befreit hatte. Sie schrieben immer noch gerne über ihn, aber lauerten nicht mehr von seinem Haus darauf, ihn in Person zu treffen.
Anders war es in den anderen Provinzen. Vor allem in Elias' Provinz gingen die Gerüchte rund, dass Raffael nur deswegen die Macht an sich gerissen hat, um an Reichtum zu kommen. Sie zerfetzten ihn regelmäßig und Gilgian wusste ganz genau, wer dafür zuständig war, diese Lügen im Umlauf zu halten. Das er ein gieriger, niederer Mensch war, der sich als guter, weiser Mann posierte, in Wahrheit jedoch nur den Nexims Reichtum genoss.
Und auch wenn es nicht stimmte, würde Gilgian Raffael dennoch Habgier vorwerfen. Einfach nur, weil es ihn nervte.
„Wie sollen wir reinkommen? Hast du einen Schlüssel?", fragte dieser ihn. Seine wachsamen Augen inspizierten das Anwesen. Gilgian hat auch schon einen Blick auf den Garten geworfen. Hier und da hat er eindeutige Fußspuren im Schlamm sehen können. Es war eindeutig, dass hier jemand gewesen war. Blieb nur zu hoffen, dass es sich um Meta handelte und sie nicht woanders hin verschleppt wurde. Zeitgleich wünschte er sich, dass sie es nicht war. Er wollte ihr diesen Schmerz ersparen, welcher zwangsläufig kommen würde, wenn sie ihren Vater wiedersah. Und daran war dieses Balg schuld, welches Raffael von irgendwoher angeschleppt hatte. Die Wut setzte wieder ein.
Gilgian beantwortete Raffaels Frage, „Nein."
„Wie kommen wir rüber?", fragte dieser dann, mit dem Blick auf den Zaun.
Ohne Raffael etwas Näheres zu sagen, nahm er ihn am Kragen seines Hemdes.
Raffael blickte ihn warnend an, „Wag dich."
„Mach ich", sagte Gilgian lächelnd. Dann hob er ihn hoch und warf ihn über den Zaun. Gott, wie leicht er war. Genauso leicht, wie all die anderen Menschen und Gilgian hatte in seiner blinden Wut viele von sich gestoßen. Verflucht sei sein Onkel, der Mistkerl, der seinen Körper so verändert hatte. Immerhin hatte Gilgian nun langsam seine Emotionen genug unter Kontrolle, dass er niemandem im Wahn verletzen würde. Und es war lange her, seit er das letzte mal im Wahn war.
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Calisteo - Stadt der Geister
FantasíaUmgeben von Meer und Wüste steht in einem Fleck von Grün die kleine Stadt Calisteo. Sie ist ein Zufluchtsort für Reisende, scheinbar friedlich und unwichtig, fernab all des Chaos der Neuen Welt. Der fragile Frieden der Stadt wird durch eine Vorhers...