01 | For What It's Worth

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Livia's Sicht

Samstag, 11. November 2023


Ein Blick aus den bodentiefen Fenstern versicherte mir, dass es weit nach Mitternacht sein musste. Das Wolfsgeheule von draußen war längst erloschen und so hatte mich eine Ruhe und Stille umfasst, die wahrlich merkwürdig war. Ich war es einfach nicht gewohnt, dass es um mich herum so leise war, denn im Grunde genommen war hier immer etwas los. Es war immer jemand hier und doch war ich heute alleine und dies schmeckte mir nicht im Geringsten. Die Wahrheit war, ich wollte nicht alleine sein, denn diese Trostlosigkeit war nicht gut für mich und im Prinzip wusste dies jeder. Doch ich hatte allen versichert das es mir gut gehen würde und das es kein Problem darstellte, wenn ich für einige Stunden alleine war. Ich war eine fünfundzwanzigjährige Frau und somit sollte mich nicht die Angst packen, wenn ich wusste, dass niemand bei mir war. Dennoch hielt sie mich fest im Griff und so drehte ich mich seufzend auf die andere Bettseite und versuchte mich auf diese Weise zu beruhigen. Ein unverkennbarer Geruch haftete an den Polstern auf denen ich nun lag und diese halfen mir tatsächlich etwas gelassener zu werden.

Ein leichtes Lächeln schlich sich dabei um meine Lippen, denn dieser Geruch hatte mir schon immer geholfen all das schlimme aus meinen Gedanken zu verbannen und mich sicher zu fühlen, weil es sich einfach nach Zuhause anfühlte. Ich war auch Zuhause, denn dieser Ort hier bedeutete die Welt für mich. Es hatte eine Zeit gegeben in welcher ich nicht so gedacht hatte und doch hatte sich meine Meinung diesbezüglich beinahe schlagartig verändert. Es hatte lediglich ein paar Worte gebraucht um mich umzustimmen und noch jetzt war ich dankbar dafür, sodass ich diesen Dank darüber beinahe nicht in Worte fassen konnte. Es war komisch wie verrückt zeitweise das Leben spielte, welche Veränderungen es mit sich brachte und welche schönen und dunkle Seiten es gab. Die Dunkelheit dessen kannte ich nur zu gut, hatte sie oft genug ihre Klauen fest um mich geschlungen und doch war ich bereits in der Lage dazu auch die Helligkeit zu ergreifen, die mir das Licht darin bot. Es war bei weitem nicht so schwer wie gedacht und dies war mein Glück.

Den Kopf darüber schüttelnd schmiegte ich mich tiefer in die Kissen, hasste dabei das Gefühl das sie eisig kalt waren und doch besänftigte mich der Geruch darauf um ein weiteres Maß. Diese Kissen würden nicht mehr lange so kalt sein, denn schon bald würden sie erwärmt werden und damit würde die Wärme auch in meinen Körper zurückkehren. Diese vermisste ich in den meisten Augenblicken meines Lebens, denn nach wie vor war Raiden's Tod in mir präsent und dies verursachte heftige Kälteschübe, denen ich kaum entkommen konnte. Sein Verlust war nun schon beinahe sechs Monate her und die Narben dessen saßen nach wie vor tief. Ein gewisser Grad an Heilung hatte begonnen, dies konnte ich nicht abstreiten und doch war es noch lange nicht so, als das ich normal damit umgehen konnte. Es würde nach wie vor noch einiges an Zeit brauchen, doch irgendwann würde ich darüber hinwegkommen, selbst wenn es noch Jahre dauern würde. Allerdings war ich mit meiner Trauer um ihn nicht alleine und dies gab mir die Kraft jeden einzelnen Tag durchzuhalten.


«Du liebst mich?» Mehr als nur fassungslos stieß ich diese Worte hervor, wobei sich in meinem Kopf alles zu drehen begann. Solange hatte ich darauf gewartet, dass Damien diese Worte aussprach und nun wo er es getan hatte, trug es einen bitteren Beigeschmack mit sich und dies konnte er mir kaum verübeln. «Sagst du diese Worte bloß, um mich zu halten, damit ich hierbleibe?», setzte ich nach, wobei ein kalter Schauder meinen Körper erfasste. War das hier wieder eines seiner Spielchen, mit welchen er mein Vertrauen missbrauchen wollte? Zwar war ich mir beinahe sicher das dem nicht so war, weil wir darüber längst hinweg waren und doch beschlich mich dieser Gedanke und ließ mich nicht mehr los. «So ist es nicht und das weißt du.», grollte Damien kehlig und fuhr sich dabei mit unruhigen Gesten durch die Haare. Sein durchdringender Blick brannte sich in mich und alleine dieser sollte ausreichen um mir zu zeigen, dass er nichts weiter als die Wahrheit aussprach, selbst wenn ich unfähig war dieser Glauben zu schenken.

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