03 | Your Silent Face

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Livia's Sicht


Aus den Augenwinkeln heraus beobachtete ich Damien, welcher neben mir auf einem der Barhocker saß und sichtlich genüsslich seinen Kaffee trank. Währenddessen scrollte er auf seinem Handy herum, ehe er dieses vor sich ablegte und seinen Kopf in meine Richtung drehte, sodass sich seine Blicke nun förmlich in mich brannten. «Wieso starrst du mich so an, Livia?» Fragend hatte er dabei eine Augenbraue in die Höhe gezogen und ertappt biss ich mir auf die Unterlippe und zuckte unschuldig mit meinen Schultern. «Keine Ahnung, es ist einfach nach wie vor ungewohnt, dass du hier mit mir sitzt und frühstückst.» Nun, essen tat er ohnehin nichts und dennoch war es nach wie vor merkwürdig. Seit Wochen saß er mit mir hier, wartete geduldig darauf das ich mein Frühstück verschlang und noch nie hatte ich es gewagt ihn darauf anzusprechen. Früher hatte er das hier auch nie getan und gerade deshalb verwunderte es mich so dermaßen. «Das ist dein bevorzugter Platz und ich passe mich dem einfach nur an.», murmelte er eine Antwort, die wohl alles aussagen sollte.

«Früher hast du solche Dinge wie diese auch nicht getan, obwohl ich schon immer am liebsten hier gesessen habe.», raunte ich leise und sprach somit meine Gedanken laut aus, da ich diese Worte einfach nicht länger zurückhalten konnte. Sicher, ich freute mich über seine Anwesenheit und doch war es ein merkwürdiges Verhalten, dass er hierbei an den Tag legte. «Ich bin ohnehin in wenigen Minuten weg, danach hast du die Küche wieder für dich alleine, Prinzessin.», grinste er die Augen verdrehend und trank provozierend seine Tasse Kaffee leer, nur um mich danach weiterhin feixend anzusehen. «Ich will dich nicht loswerden, falls du das denkst. Du hast meine Erlaubnis solange hier zu sitzen, wie du willst.», gab ich großzügig von mir und sprach damit die vollste Wahrheit aus. Ich wollte ihn keinesfalls loswerden, denn ich genoss seine Anwesenheit hier durchaus. Wir sahen uns ohnehin nur morgens und abends und so wollte ich diese Zeit ausnutzen, die wir zusammen verbringen konnten. «Das ist äußerst großzügig von dir.», murmelte er spöttisch und entlockte mir so ein seichtes Lächeln, weil er einmal mehr meine Gedanken aussprach, auch wenn sie sarkastisch gemeint waren.

Hätte mir jemand vor über vier Jahren gesagt, dass es so zwischen uns ablaufen würde, so hätte ich diesen jemand definitiv einweisen lassen. Aber die Dinge zwischen Damien und mir hatten sich nun einmal verändert und ich musste zugeben, dass es durchaus auf eine gute Weise passiert war, wenngleich die Gründe dahinter grausamer nicht sein konnten. Doch mich darauf zu konzentrieren kam nicht in Frage, denn es würde mich auf den Boden der Realität zurückziehen und im Moment wollte ich dies keinesfalls. «Führt ihr immer so langweilige Unterhaltungen? Ehrlich, das ist kaum zu ertragen.», mischte sich nun Holly ein, die bis dato stillschweigend neben uns gesessen und kein Wort von sich gegeben hatte. Sie fand unsere Unterhaltung langweilig? Nun, für mich bedeutete es im Grunde genommen die Welt, denn auch wenn sie unser Gespräch für langweilig hielt, so hieß es für mich einen Lichtblick in der Dunkelheit, welche mein Leben seit Monaten begleitete. Es fühlte sich ein stückweit nach Normalität an und schlussendlich war dies alles, was ich wollte.

Normalität half mir mich besser zu fühlen und sie hielt mich definitiv davon ab den Klauen der Finsternis nachzugeben, die ständig ihre Griffe über mich ausbreitete. «Dich hat keiner nach deiner Meinung gefragt, Holly.», grollte es mit einem Mal tief aus Damien's Kehle und dies veranlasste meine Schwägerin lediglich dazu, großzügig ihre Augen zu verdrehen. «Ich meine ja nur, aber wie auch immer.», nuschelte sie und widmete sich anschließend wieder ihrem Frühstück, welches sie in aller Seelenruhe weiter aß. Ich hingegen musterte sie weiterhin, ließ mich von ihren vorherigen Worten und meinen eigenen Gedanken nicht beirren und dabei fiel mir etwas auf, was mir merkwürdig erschien. «Du siehst müde aus, Holly.» Sie sah nie danach aus, selbst wenn sie die halbe Nacht nichts schlief. Ich wusste das auch sie Alpträume plagten, weil sie sich die Schuld an der Tragödie gab, die unser aller Leben erteilt hatte. Mehrmals hatten wir darüber gesprochen und immer wieder hatte ich ihr zu verstehen gegeben, dass sie an nichts Schuld hatte.

Grieving SoulsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt