POV Narin
In den Tagen nach diesem Treffen fühlt sich mein Leben an, als würde es komplett entgleisen. Ich habe kaum mit jemandem gesprochen – weder mit meinen Freundinnen noch mit Kidd. Ela hat sich nicht mehr gemeldet, und die Situation mit Kidd und Tessa verfolgt mich in meinen Albträumen. Ich versuche, normal weiterzumachen, aber die Unruhe lässt mich nicht los. Da ist dieses Gefühl, dass mehr dahinter steckt, als mir gesagt wurde.
Burak hat mich in der letzten Zeit noch mehr beschützt als sonst. Er merkt, dass etwas nicht stimmt, aber ich halte mich bedeckt. Wie sollte ich ihm auch erzählen, dass Kidd in etwas viel Größeres verstrickt ist? Er würde komplett ausrasten.
Doch es ist Mittwochabend, als alles endgültig aus dem Ruder läuft.
Ich liege auf meinem Bett, starre an die Decke und denke darüber nach, was Kidd gesagt hat. Da bekomme ich eine Nachricht. Mein Herz stockt. Es ist von Kidd.
„Bitte, Narin. Ich muss mit dir reden. Diesmal geht es um alles."
Meine Finger schweben über dem Handy. Sollte ich überhaupt antworten? Ich bin so tief in diese Sache hineingezogen worden, und das alles macht mir Angst. Aber ich kann nicht einfach nicht antworten. Etwas in mir drängt mich dazu.
„Was ist los?" schreibe ich zurück.
Keine Minute später kommt eine Antwort. „Ich werde dir alles erklären. Aber nicht per Nachricht. Bitte, komm raus. Ich bin vor deinem Haus."
Panik durchströmt mich. Er ist hier? Jetzt? Ich sitze aufrecht, und mein Herz rast. Ich ziehe schnell eine Jacke über und schleiche mich nach draußen, in der Hoffnung, dass Burak nichts mitbekommt. Draußen ist es dunkel, aber ich sehe Kidd, wie er an der Straßenecke wartet. Er wirkt noch angespannter als beim letzten Mal.
„Was ist passiert?" frage ich sofort, als ich auf ihn zutrete.
Er holt tief Luft, als ob er sich auf das vorbereitet, was er gleich sagen wird. „Narin, ich habe dir nicht die ganze Wahrheit gesagt." Seine Stimme zittert leicht. „Es geht nicht nur um die Leute, die mich kontrollieren. Es geht um viel mehr."
„Mehr?" Mein Magen verkrampft sich. „Kidd, du machst mir Angst."
„Das solltest du auch haben", sagt er leise. „Es geht um Burak."
Ich starre ihn ungläubig an. „Was redest du da? Was hat Burak damit zu tun?"
Kidd tritt einen Schritt näher, seine Augen sind ernst und voller Sorge. „Narin, ich habe Nachforschungen angestellt. Die Leute, die mich kontrollieren... sie arbeiten schon lange mit jemandem zusammen, der ganz nah bei dir ist."
„Was?", keuche ich. „Was meinst du?"
„Burak", flüstert er, und mein Herz bleibt stehen. „Dein Bruder ist nicht der, für den du ihn hältst."
Mir wird übel. „Das ist doch verrückt! Burak würde niemals..."
„Doch, Narin", unterbricht mich Kidd, seine Stimme dringlich. „Er hat sich mit diesen Leuten eingelassen. Er hat einen Deal mit ihnen. Es ist kompliziert, aber sie kontrollieren ihn genauso wie mich."
Ich spüre, wie mir der Boden unter den Füßen weggezogen wird. „Nein. Das kann nicht sein. Burak würde niemals in so etwas verwickelt sein. Du lügst!"
„Ich wünschte, ich würde lügen", sagt Kidd leise. „Aber es ist die Wahrheit. Er ist Teil von etwas Größerem. Und er hat dich all die Jahre belogen, um dich zu schützen. Aber jetzt bist du in Gefahr, Narin. Sie werden dich nicht mehr in Ruhe lassen."
Meine Gedanken rasen. Alles, was ich geglaubt habe, zerbricht. Mein eigener Bruder? Teil dieses kranken Systems? Wie konnte ich so blind sein?
„Ich weiß nicht, was ich tun soll", flüstere ich, während Tränen in meine Augen steigen.
„Du musst ihn zur Rede stellen", sagt Kidd. „Aber sei vorsichtig. Du weißt nicht, wie tief er wirklich in dieser Sache steckt."
Ich nicke mechanisch, unfähig, wirklich zu begreifen, was gerade passiert. „Und was ist mit dir?" frage ich schließlich, meine Stimme kaum hörbar.
„Ich werde dir helfen", sagt er entschlossen. „Egal, was es kostet. Ich bin auf deiner Seite, Narin."
Ein Teil von mir will ihm glauben. Aber der andere Teil ist wie gelähmt vor Angst. Burak... mein eigener Bruder... hat er mich all die Jahre belogen? Hat er mich in Gefahr gebracht?
Kidd nimmt meine Hand, und für einen Moment spüre ich seine Wärme, die mir Kraft gibt. Doch die Wahrheit, die er mir gerade offenbart hat, liegt schwer auf meinen Schultern. Was mache ich jetzt?
„Pass auf dich auf", sagt Kidd noch einmal, bevor er sich umdreht und in die Dunkelheit verschwindet.
Ich bleibe alleine zurück, meine Gedanken ein einziges Chaos. Wie konnte das passieren? Wie konnte alles, was ich kannte, so plötzlich auseinanderbrechen?
Langsam gehe ich zurück ins Haus, die Fragen in meinem Kopf brennen wie Feuer. Als ich die Tür leise hinter mir schließe, weiß ich, dass ich Burak zur Rede stellen muss. Aber wie? Was, wenn alles, was Kidd gesagt hat, stimmt?
Und vor allem: Kann ich meinem eigenen Bruder noch vertrauen?