Am Ende eines langen Lebens geht auch die Sonne ein letztes Mal auf. Minerva nimmt Abschied, bevor ein neues Abenteuer beginnt.
/* In Erinnerung an die großartige Dame Maggie Smith *\
Heute ein besonderer kleiner Text, den ich leider weder in gewohnter Manier Korrektur lesen noch formatieren konnte - aber geschrieben auf der Rückbank eines Autos auf dem Weg durchs halbe Land, war es mir ein inneres Anliegen, diese Worte loszuwerden.
Danke an eine herausragende Schauspielerin, die mich sehr inspiriert hat.***
Minerva erwachte im Zwielicht, ohne zu wissen weshalb. Für gewöhnlich schlug sie pünktlich mit den ersten Sonnenstrahlen die Augen auf, nur Minuten bevor der Weckzauber sich meldete. Heute hatte das Licht ihr Bett noch nicht erreicht. Durch die dünnen Vorhänge am Bogenfenster gegenüber erkannte sie nur den allerersten Streif Morgenlicht, ein dünnes rotes Band am Horizont, das die dunkle Silhouette von Hogwarts einfasste. Kein Licht brannte in den vielen Fenstern des Schlosses.
Sie seufzte, ein Geräusch gemischt aus Wehmut und Zufriedenheit. Von dem kleinen Cottage in Hogsmeade aus betrachtet, das sie inzwischen (wieder) bewohnte, sah ihre geliebte Schule herrlich friedlich aus. Aber sie kannte die Wahrheit bestens: Mit so vielen Kindern unter einem Dach war es selten ruhig. Ganz zu schweigen von den Geistern, Lehrern und Tieren, denen die Räume ebenfalls gehörten. Und genau dieses Chaos, dieses pure Leben, hatte sie immer geliebt, auch wenn sie dies vor den Schülern niemals zugegeben hätte. (Den meisten gegenüber zumindest. Ausnahmen bestätigten die Regel. Harry Potter hatte sie sich einst anvertraut und einen amüsierten Blick geerntet, ehe er in den Keks gebissen hatte, den sie ihm gewohnheitsgemäß angeboten hatte. »Hogwarts ist eben zuhause«, waren seine Worte gewesen. »Und Hogwarts ist nur Hogwarts, wenn es voller Leben ist.«)
Ein kleines Lächeln strich über ihre Lippen. Es war nur vernünftig, dass sie nach Jahrzehnten den Posten als Schulleiterin abgegeben hatte, um noch ein paar gemütliche Jahre in dem Haus zu verbringen, das ihr geliebter Mann einst anlässlich ihrer Hochzeit gekauft hatte. Mit genug zeitlichem Abstand zu seinem frühen Tod hatte es sich nur richtig angefühlt, es mit der Pensionierung wieder zu beziehen und den Garten, der Elphinstones ganzer Stolz gewesen war, zu pflegen. Weder ihr noch den Kindern hätte es etwas gebracht, wenn sie sich dem wohlverdienten Ruhestand allein des Stolzes wegen verweigert hätte. Die nächste Generation hatte eigene Ideen, eigene Träume und das fand sie gut so.
Sie war nicht Albus und mit den Jahren hatte sie gelernt, auch nicht Albus sein zu wollen. Sie hatte ihren Freund sehr geschätzt, aber ihr Weg war ein anderer gewesen. Sie war keine Stichflamme in der dunkelsten Stunde, sondern eher das unbeugsame Sturmlicht. Klein und stetig, aber immer da. So hatte sie es auch mit ihrem Beruf gehalten. Sie war immer noch da für alle, die ein offenes Ohr brauchten, aber sie drängte sich nicht in den Vordergrund oder maßte es sich an, die Zukunft der Schule bestimmen zu wollen. Und dennoch vermisste sie es in stillen Momenten wie diesen, von Wänden voller Geschichte und Kindern mit ungebändigten Träumen umgeben zu sein. Ihr Herz würde für immer zwei Schläge haben – einen für all die geliebten Menschen, die sie Familie nannte, und einen für Hogwarts.
Vielleicht sollte sie heute mal wieder einen Spaziergang unternehmen. Sie könnte den Schwarzen See umrunden und zum Mittag ihren geliebten Pudding in der Großen Halle essen, wo man jederzeit einen Platz für sie freihielt. Nach der Müdigkeit der letzten Tage wäre das wirklich schön, zumal das Wetter versprach, wunderbar sonnig zu werden.
Erfüllt von unerwarteter Energie setzte sie sich auf. Obwohl es noch so früh war, konnte sie es kaum erwarten. Wo hatte sie nur gestern Abend ihren Zauberstab hingelegt? Sie war nach dem Kochen so müde gewesen, bis runter auf die Knochen, dass sie sich nicht mal erinnerte.
Ihr Blick glitt suchend durch das Schlafzimmer ihres kleinen Cottage – und wurde wie von einem Magneten zu der Gestalt auf der anderen Seite ihres Bettes gezogen.
Sie hielt mitten in der Bewegung inne. Eine eigenartige Leichtigkeit machte sich in ihr breit, wo andernfalls ihr Herz wahrscheinlich einen Schlag ausgesetzt hätte.
Ihr Ehemann.
Elphinstone.
Da stand er, im Türrahmen zum angrenzenden Bad, leibhaftig. Wie es zuletzt vor unzähligen Jahrzehnten der Fall gewesen war, wenn er morgens auf dem Weg ins Ministerium seine Manschettenknöpfe geschlossen und dabei mit ihr geredet hatte. Sein Gesicht hatte sich schon im letzten Jahrtausend tief in ihre Erinnerung gebrannt, bis zu den feinsten Lachfältchen und trotzdem ... ihn noch einmal durch ihre Augen zu sehen, wie er einst im Leben gewesen war, kam wie ein Orkan über sie.
»Phin«, formten ihre Lippen den Kosenamen, den sie viel zu lange nicht mehr ausgesprochen hatte. Um genau zu sein nicht mehr seit Dezember 1985 – als sie ihn für immer an den Biss einer Tentacula Venemosa verloren hatte.
Er lächelte so sanft, wie sie es all die Jahre vermisst hatte. »Du erinnerst dich noch.«
»Natürlich!«
Er war so jung, wieder wie der Mann Anfang vierzig, an den sie ihr Herz erst im Ministerium und dann endgültig im ersten Zauberkrieg verloren hatte. Kein weißes Haar, Altersflecken oder ein gebeugter Rücken. Keine Spuren eines entbehrungsreichen Lebens, obwohl dieses jede Falte und jede graue Strähne wert gewesen war.
Sie erhob sich und streckte ihre Beine über die Bettkante, um ihm entgegen zu laufen. Hätten die Sonnenstrahlen ihre Fußsohlen bereits gekitzelt, hätte sie den Augenblick vielleicht früher hinterfragt. Doch so traf es sie unvorbereitet, als ihre Zehenspitzen den Boden berührten.
Die Schmerzen fehlten. So lange waren sie ein Teil ihres Lebens gewesen, ein kleines Übel, das nicht mehr wegzudenken war, aber jetzt ... war da kein ächzendes Rückgrat, keine knackenden Knochen. Woran sie auch dachte, ihre Glieder taten es sofort und ohne Beschwerden.
Ihr Blick traf Elphinstones, der den Kopf schief legte und ihr mit einer sanften Geste bedeutete, sich umzudrehen.
Minerva folgte seiner Geste und sah auf ihr eigenes Gesicht hinab, das ihr bis zur letzten Falte so bekannt war – und dennoch fremd erschien, nun, da die Augen darin vor ihr selbst verschlossen waren. Ihre Finger, die das ergraute Haar auf dem Kissen streiften, waren nicht länger vom Alter gezeichnet, noch mit jenem Körper verbunden.
»Oh.« Langsam zog sie die Hand zurück und sah zu Elphinstone, der vollkommen ... wirklich schien, obwohl sie wusste, dass es nicht möglich war – in der Welt, die sie gekannt hatte. »Ich bin tot«, stellte sie leise, aber doch mit ruhiger Stimme fest.
»Es ist okay«, erwiderte Elphinstone begleitet von einem wehmütigen und doch stolzen Ausdruck. »Du warst lange genug tapfer. Hast so viel gekämpft, bist hingefallen und wieder aufgestanden. Hast anderen eine Hand oder, wenn nötig, einen Ingwerkeks gereicht. Du hast das Leben von so vielen Kindern zum Besseren beeinflusst, so viele in der Schlacht gerettet ... Dein Mut ist wirklich der einer Löwin. Wir sind alle stolz auf dich.«
»... Wir?«
»Deine Eltern. Robbie, dein kleiner Bruder. Alle Freunde, die vor dir gegangen sind. Denk nur an Albus, all deine ehemaligen Schüler und Ordensmitglieder ... und Alston.«
Allein aus Reflex holte sie tief Luft. Die Erinnerungen an so viele geliebte Menschen prickelte in Augen und Brust wie das beste Goldlackwasser.
Ihr Blick fiel auf Elphinstones ausgestreckte Hand und sie wusste, wie warm sich diese in ihrer anfühlen würde.
Elphinstones Augen funkelten im Sonnenlicht, welches langsam das Schloss hinter ihnen überwand. »Mo Ghràidh ... Irgendwann ist es für alle Zeit, zu gehen.«
Die Leichtigkeit breitete sich dem flüssigen Glück gleich von Minervas Herzen in ihrem ganzen Körper aus, bis sie über ihre Wangen strich und ein Lächeln hinterließ, aus dem die Sonne selber zu scheinen schien. Ohne einen Blick zurück stand sie auf und ergriff Elphinstones Hand. Es war die einfachste Entscheidung, ihm endlich in das nächste Abenteuer zu folgen./* *\
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Das Oneshot-Denkarium
FanficWie sagte schon Albus Dumbledore? Neugier ist keine Sünde. Drum taucht in das Denkarium ein und werdet Zeugen verschiedenster Geschichten aus Hogwarts und Drumherum! Erlebt den Anbeginn des ersten Zaubererkriegs, begleitet Todesser und Ordenshelden...