Kapitel 26

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Einige Stunden später, hatte ich Justin informiert und mit ihm geredet. Er war gerade bei mir im Zimmer. Genauso wie Kyle und Riley. Durch sie wirkte alles, was ich ihm versuchte zu erklären, irgendwie logischer. 

»Du willst also Sam hintergehen und Julien befreien«, schlussfolgerte Justin. Ich nickte, obwohl ich es anders ausgedrückt hätte, denn hintergehen wollte ich Samuel ganz bestimmt nicht. Das würde ich nie tun. Aber hier blieb mir keine andere Wahl. Julien war unschuldig und wir waren die Guten, nicht die Bösen. War es da nicht quasi unsere Aufgabe, ihn zu retten?

»Samuel muss ihn mit jemandem verwechselt haben, Justin«, meinte Riley. Justin seufzte und schien hin und her gerissen. Einerseits schien er uns zu glauben, andererseits vertraute er Samuel fast blind. Ich konnte verstehen, dass die Entscheidung für ihn schwer war. 

»Fein, wir holen Julien da raus. Unter zwei Bedingungen«, begann er. Wir drei nickten, dann sprach er weiter.

»Erstens; du bleibst hier Kayleight.« Während er das sagte, sah er zu mir. Am liebsten würde ich widersprechen, doch das konnte und würde ich nicht. Ein Grund war, weil ich morgen früh aufstehen und zur Schule gehen musste, ein anderer, weil er sonst nicht helfen würde, das konnte ich ihm ansehen. Justin ging es um meine Sicherheit und heute würde ich dagegen keine Einwende haben.

»Und zweitens; nur wir drei. Vielleicht noch Arizona. Der Rest soll davon keinen Wind bekommen. Es würde sich am Ende nur rumsprechen und das will ich vermeiden. Ich weiß, wo er gefangen gehalten wird.«

* * *

Seitdem er das gesagt hat, sind mehrere Stunden vergangen. Sie waren gegangen und ich war bei mir Zuhause geblieben. Nach einiger Zeit wurde mir langweilig und ich hatte Felice angerufen. Nun waren wir zusammen in der Stadt. 

Sie erinnerte mich ein wenig an Josi und auch Jazmyn. Ihr Charakter hatte etwas von beiden und mit beiden war ich sehr eng befreundet. Sie fehlten mir so sehr. 

Wir waren bei Starbucks und saßen dort quasi fest, denn es hatte zu regnen begonnen. Den Tisch am Fenster hatten wir uns geschnappt. Felice wartete noch auf ihr Getränk, während ich meins schon hatte. Dann konnte sie es endlich holen und sie setzte sich wieder zu mir.

»Ich mag all deine Freunde, aber ich habe eine Frage«, begann sie und kaute auf ihrer Unterlippe. Fragend sah ich sie an und sagte ihr, sie könne ruhig fragen. 

»Woher weißt du, dass du ihnen allen trauen kannst?« Ich trank einen Schluck meines Kaffees, bevor ich über diese Frage nachdachte. Mir war klar, weshalb sie das fragte. Die meisten meiner Freunde waren in der übernatürlichen Welt nicht sonderlich beliebt. 

Vor allem aber Samuel und Travis nicht. Bei Travis kannte ich den Grund noch immer nicht. Irgendwann entschloss ich, einfach zu antworten, was mir dazu gerade durch den Kopf schwirrte.

»Am Anfang wusste ich es nicht, aber ich hatte keine wirkliche Wahl. Und einigen traue ich immer noch nicht hundertprozentig. Bei manchen wurde mir einfach in schwierigen Situationen bewusst, dass man ihnen wirklich vertrauen konnte«, sagte ich und meinte jedes Wort davon ernst. 

Wem ich nicht zu einhundert Prozent traute, waren Travis, Arizona und auch Heaven. Bei den ersten beiden vor allem, weil ich sie noch nicht so gut kannte und bei Heaven war es einfach so. Zwar hatte sie uns schon sehr geholfen, aber trotz allem schien sie uns nicht wirklich zu vertrauen. Und wer mir nicht traut, dem traue ich ebenfalls nicht.

Justin vertraute ich blind, genauso wie Samuel. Jedenfalls normalerweise. Aber vor einer Weile habe ich auch begonnen Mary und Riley zu vertrauen. Sie hatten sich mein Vertrauen verdient. Mehr als einmal haben sie mir das Leben gerettet und Mary konnte mich nicht einmal leiden. 

Bei dem Rest lag das Vertrauen bei normalem Niveau. Mein Leben würde ich ihnen nicht komplett anvertrauen, aber ich wusste, dass sie mir helfen würden, egal was war. 

Felice schenkte mir ein Lächeln, dann wurde sie wieder ernst. »Gibt es jemanden, dem du überhaupt nicht traust?«, wollte sie dann wissen. Am liebsten würde ich jetzt einen Namen nennen, doch ich entschied mich dagegen und schüttelte einfach nur den Kopf. 

Ich tat es nicht, weil ich keine Lust dazu hatte, oder weil ich nicht wollte, dass sie es wusste. Der Grund war simple; es war der Person nicht fair gegenüber. Zwar traute ich ihm nicht - das würde ich wahrscheinlich nie - aber er hat uns quasi allen das Leben gerettet. Außerdem kannte Felice ihn sowieso nur flüchtig. 

Mein klingelndes Handy riss mich aus den Gedanken. Ich sah drauf. Es war Riley. Nun bekam ich Angst. Was, wenn etwas passiert ist? Ich nahm ab. 

»Alles in Ordnung?«, wollte ich wissen und stand dabei auf. Felice sollte das nicht mithören, weshalb ich auf die Toilette ging. 

»Wir haben Julien«, sagte jemand, doch es war nicht Riley, sondern Justin. Wahrscheinlich hatte er sein Handy verloren oder es einfach vergessen. Das war gerade nicht das Schlimmste. Der Satz wurde so betont, dass noch ein 'aber' folgen würde. Und ich sollte recht behalten.

»Aber Riley ist schwer verletzt. Kyle geht es gut«, fügte er noch hinzu. Oh Gott. Ich legte meine Hand auf den Mund. 

»Wir haben ihn in ein Krankenhaus gebracht. Es sieht nicht gut für ihn aus, Kayleight«, sprach er weiter. Genug. Ich fragte ihn, in welchem Krankenhaus er liege, dann legte ich einfach auf. Riley würde nicht sterben. Jedenfalls nicht heute. 

Ich verließ die Toilette und zog Felice mit raus. Wir waren zu Fuß hier und mussten zum Krankenhaus laufen, doch das war mir egal. Felice konnte ihm helfen. Wir müssten nur schnell genug dort sein. Doch bei der Hälfte des Weges mussten wir anhalten. Viel zu sehr waren wir aus der Puste. Das würden wir niemals rechtzeitig schaffen.

Felice nahm ihr Handy raus. Mittlerweile hatte ich ihr erzählt, was geschehen war. Sie konnte nicht viel dazu sagen, denn sie hatte nicht wirklich etwas mitbekommen. 

»Komm schnell zum Eingang des Central Parks. Mit einem Auto! Es ist dringend«, sagte sie und legte wieder auf. Mit wem hatte sie geredet? Doch ich hatte keine Zeit zu fragen, denn sie zog mich zu dem Eingang. Dort warteten wir auf wen auch immer. Als ich dann endlich doch fragen wollte, standen Samuel und Mary vor uns. 

»Ihr solltet mit Auto kommen«, meckerte Felice. 

»Wir sind so schneller als ein Auto. Was ist los?«, wollte Samuel wissen. Wir sagten ihm, dass wir so schnell wie möglich zum Krankenhaus mussten. Ohne zu zögern nahmen sie uns auf den Rücken und rannten dort hin.

Beim Krankenhaus angekommen waren wir alle von oben bis unten nass, doch das war egal. Jetzt zählte nur, dass wir noch rechtzeitig bei Riley waren. Wir gingen zur Information und fragten nach ihm. Dann gingen wir in die Etage, in der sich Rileys Zimmer befand. Justin, Kyle und - oh shit. Julien war ebenfalls mit hier. 

Sie kamen alle aus dem Zimmer und sahen überrascht zu uns. Jetzt im Moment war Samuels Meinung egal. Felice und ich rannten in das Zimmer. Sie legte sofort ihre Hände auf Rileys Arm. Ich war nicht gläubig, aber innerlich betete ich gerade. 

Die anderen kamen ebenfalls herein und Samuel schloss als Letzter die Tür. Er sah sauer, nein wütend, aus. Julien lief in Vampirgeschwindigkeit bis zu der Wand, an der auch ich stand. Samuel sah uns alle an. 

»Ihr habt ihn da rausgeholt und mich hintergangen. Wieso?«, sagte er. Doch er sagte es nicht sauer oder wütend. Seine Stimme klang kalt. Und genauso sah er uns auch an. Wie an dem Tag, als ich ihm zum ersten Mal begegnet bin. Oh Mist. Deshalb sollte er es nicht herausfinden. Geplant war, dass Julien sofort die Stadt verlässt. Weshalb war er also mit hergekommen? 

dark life ➹ j.b ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt