Lügen haben kurze Beine

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Baris Sicht

Jetzt standen wir hier, zu dritt: Mira, Ömer und ich.

Nuri musste eben noch ins Büro, weil er etwas vergessen hatte. Er befahl, dass wir wie schon einmal den Aufzug nehmen sollten.

Obwohl Mira und ich im Leben sehr unterschiedliche Positionen hatten und sie in einer eigenen Lebenswelt lebte, trafen wir uns in letzter Zeit öfter als erhofft. Diese unerwarteten Begegnungen schufen eine Verbindung, die ich nicht ganz verstand, aber die mich dennoch faszinierte. Es war, als ob wir in einer kleinen Blase lebten, abgekapselt von unseren unterschiedlichen Lebensrealitäten.

Es herrschte eine unangenehme Ruhe im Aufzug. Ömer unterbrach die Stille.

„Barış abi?"

„Hmm?" Ich blickte runter und bemerkte, dass wir immer noch Händchen hielten.

Ömer schaute uns an, seine Augen funkelten vor Neugier. „Bist du auch morgen im Kader?"

Ich schüttelte den Kopf und lächelte entschuldigend. „Nein, leider nicht aslanım. Aber ich werde auf jeden Fall die Daumen drücken."

Sein Gesichtsausdruck verriet eine Mischung aus Enttäuschung und Bewunderung. „Das ist schade", murmelte er, „aber ich freue mich darauf, dass du bald spielen wirst!"

„Ich will, dass du mir morgen die besten Plätze im Stadion sicherst, kriegst du das hin Ömer?" Ich zwinkerte ihm zu, und er grinste.

„Deal!"

Jetzt herrschte erneut diese Stille. Ich blickte unauffällig rüber zu Mira, die auf ihre Füße schaute und hin und her wippte. Ihre Nervosität war förmlich spürbar, und ich fragte mich, ob sie auch so fühlte wie ich.

Wieso fühlt sich die Fahrt im Aufzug auf einmal länger an als sonst? Es war, als würde jeder Stockwerk, das wir passierten, sich endlos hinziehen. Die Spannung in der Luft war greifbar, und ich konnte nicht anders, als mich zu fragen, was sie dachte.

„Wirst du dich morgen im Stadion als der neue Transfer präsentieren oder machst du das an deinem Debüt-Tag, nach der EM?" unterbrach unerwartet Mira die Ruhe.

Ich blickte rüber zu ihr, glücklich darüber, dass wir endlich eine Konversation anfingen.

„Ich werde mich nach der EM vorstellen, wie es die meisten machen, wenn die Transferphase vorbei ist. Ich hab echt keine Lust auf einen Shitstorm, während der Em, von den Fans, weil ich einfach so ohne Ankündigung und ordentliche Verabschiedung gehe."

Ich blickte zu ihr hinüber, die immer noch auf ihre Füße starrte.

„Mein Transfer war immerhin sehr kurzfristig und ungeplant...", setzte ich fort.

Ihr Kopf schnellte plötzlich hoch, und ihre Augen trafen direkt meine.

„Warum eigentlich? Ich meine, nicht mal ich habe mitbekommen, dass du zu BVB wechseln würdest."

„Es sollte so sein", entgegnete ich knapp. Meine Entscheidung hatte eine Vorgeschichte, aber das musste sie nicht wissen, nicht jetzt.

„Oh", gab sie leise von sich und strich sich eine Strähne hinter das Ohr.

„Und wieso dann die Eile?", fragte sie, „Warum wolltest du die Bilder vom Training, wenn der Transfer doch eigentlich geheim bleiben sollte?", fragte sie mich, etwas kalt und ernst, als würde sie nach einer ganz bestimmten Antwort suchen.

Scheiße... Hatte sie etwa durchschaut, dass ich ihr näherkommen wollte? Der erste Schritt war doch nur, ihre Nummer zu bekommen.

Ich hatte geplant, ihr die Tage abends zu schreiben, damit sie mir vielleicht Dortmund genauer zeigt. Schließlich hatte ich ja angeblich niemanden hier – ironischerweise kannte ich schon Kaan's Freunde, die ebenfalls hier wohnten, und die hätten mich ebenso rumgeführt.

Von der Arbeit ins Herz 🏹Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt