ZEHN

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SARINA

Ich wachte auf. Nicht weil mich Iván oder sonst wer weckte, einfach weil mein Körper sich dazu entschied, wach zu werden.

Es war ganz klar hell draußen. Die Vorhänge wurden nicht zugezogen. Die Sonne erhellte das gesamte Schlafzimmer.

An die Helligkeit musste ich mich nicht lange gewöhnen, deswegen blickte ich direkt zur Iváns Bettseite. Dass er nicht mehr im Bett lag, war nichts Ungewöhnliches, dafür, dass weder das Kissen noch die Bettdecke ungemacht war.

Er schrie mich gestern zornig an und meinte, ich sollte ihn in Frieden lassen. Kein Wunder, dass er nicht neben mir schlief. Bis ich vor Stunden die Wahrheit erfuhr, wollte ich ja auch nicht neben ihm schlafen.

Schluckend stand ich auf. Der elektronische Wecker zeigte mir an, wir hatten schon kurz nach neun. Frühstück war um 09:00 Uhr.

Ich beeilte mich mit dem Fertigmachen und schminkte mich nicht. In der Stimmung war ich sowieso nicht dafür.

Nur weil ich nun wusste, dass Noah Iván erschießen wollte, hieß das nicht, dass ich nicht trauerte. Noah war mein bester Freund, mein Bruder gewesen. Aber ich hatte vor mir nichts anmerken zu lassen.

Allein an den Schuss und den ohrenbetäubenden Knall zu denken, ließ meine Brust sich zusammenziehen.

Ich atmete tief ein und aus. Meine aufkommenden Tränen verbot ich, meine Augen zu verlassen. Den Kopf in den Nacken gelegt blinzelte ich ein paarmal.

Als ich mich wieder fing, lief ich zu meinem Nachtschrank. Auf ihm hatte ich die Ringe abgelegt. Ich mochte es nicht beim Schlafen Ringe am Finger zu tragen. Allgemein Schmuck.

Würde ich nun nicht wissen, warum genau Iván getan hatte, was er getan hatte und wieso er sich mir gegenüber so schrecklich verhielt, würde ich die Ringe nicht anziehen.

Da ich es jetzt wusste, sollte ich dieser Ehe eine Chance geben. Es wurde Arbeit, das wusste ich, aber aller Anfang war bekanntlich schwer. Am besten sprachen wir uns erstmal aus, redeten über sein und mein Verhalten. Auch bei uns merkte man, Kommunikation war wichtig.

Zuversichtlich verließ ich mit den Ringen am Ringfinger, wo sie seit Wochen eigentlich hingehörten das Schlafzimmer.

Heute musste ich mich nicht nur mit Iván unterhalten, auch mit Rico und Sofia. Mir war klar, Rico war sauer auf mich, das zeigte mir sein Blick gestern. Ich verstand ihn, schließlich vertraute er mir und ich missbrauchte sein Vertrauen. Er sollte auf mich aufpassen. Ließ er mich dann einmal ungewollt aus den Augen, hinterging ich ihn. Was Sofia anging, ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie mich verraten hatte. Ich glaubte fest daran, Iván oder wer anders erfuhr von unserem Kontakt.

Nach wenigen Minuten kam ich vor der Esszimmertür stehen. Auch wenn ich meinen Ehemann früher oder später sah, wollte ich mich am liebsten in irgendeine Ecke verkriechen und nie wieder herauskommen. Ich wollte nicht in sein wuterfülltes Gesicht sehen. So sah er mich bestimmt gleich an. Er könnte mich auch einfach ignorieren, womöglich fände ich das schlimmer. Dann kam wieder Rico. Ich saß ebenfalls neben ihm. Doppelter Mist.

Mit schwitzigen Händen drehte ich die Türknäufe in die entgegengesetzte Richtung und öffnete die Doppeltür.

Ich hielt meine Luft an. Alle, die sich im Esszimmer befanden, hörten mit dem Essen und reden auf. Sie guckten zu mir. Ich versuchte ihnen meine Nervosität nicht zu zeigen. Bereits jetzt spürte ich, wie sich ein Schweißfilm auf meiner Stirn bildete.

Um mich abzulenken, schaute ich mich im Raum um. Mir fielen gleich zwei Sachen auf. Neben Alvaro saß eine junge wunderschöne Frau. Ihre Haut war sonnengeküsst, wie die von den meisten hier. Sie war schlank, ungefähr wie Sofia. Ihr schwarzes Haar ging ihr bis zu den Hüften und ihre Augenfarbe war ein stinknormales schokoladenbraun. Das musste Adora sein. Alvaros Verlobte. In der Woche, wo ich weg war, musste sie hier eingezogen sein.

Señora Hernández - Der FehlerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt