IVÁN
Rückblick
Ich hatte keine Lust mehr darauf. Mir reichte es. Mir war von Anfang an klar gewesen, wie ich mich Sina gegenüber verhielt. Ich machte es mit Absicht. Sie sollte sich von mir fernhalten. Keine tiefe Bindung zu mir aufbauen. Sich nicht verlieben. Das war zu gefährlich, in der Welt, in der wir lebten.
Obwohl ich mit meinem Ziel weit kam, entschied ich mich vor ihrer Flucht dazu, ihr mehr Freiheiten zu lassen. Für was?
Damit sie mit ihrem besten Freund flüchten konnte. Sich ein gemeinsames Leben aufbauen konnte. In einer schäbigen Bude in Pennsylvania.
Mich interessierte dieser Noah kaum. Sein Tod ging mir am Arsch vorbei. Sinas Verhalten hingegen nicht.
Ich hatte Noah zwar erschossen, dass aber nur, weil sonst er geschossen hätte. Es war mir egal, ob sie mir glaubte oder nicht, ich kannte die Wahrheit. Das zählte für mich.
Sollte sie sich dazu entschieden haben, mir zu glauben, war es zu spät für sie. Schlechte Taten konnten Konsequenzen mit sich ziehen. Dass sie trotz meiner Warnung geflüchtet war, ich sie eine Woche lang suchen musste, zog nun eine mit sich.
Ein kleiner Teil in mir sträubte sich, doch ich ließ mich nicht von meinem Plan abkriegen. Ich hatte meine Entscheidung getroffen, so wie sie.
Ich konnte mir schon bildlich vorstellen, wie sie morgen regierte. Nicht nur sie, die ganze Familie.
Normal brachte ich nicht solch Aktionen. Da nun endgültig Grenzen gesetzt werden mussten, blieb mir nichts anderes übrig.
Ich fuhr mir gestresst durch mein Haar. Diese Frau belebte, gleichzeitig zerstörte mich.
Ich konnte, wenn ich wollte ein egoistischer Mistkerl sein. Bei meiner Familie war ich es so gut wie nie. Familie war alles. Dass ich Sina zu mir holte, war egoistisch, sehr. Sie dann scheiße zu behandeln war nicht okay von mir. Das wollte ich nicht einmal leugnen. Sie sollte bei mir sein und sich gleichzeitig von mir fernhalten. Der Inbegriff von Doppelmoral.
Vielleicht hätte ich die Sache anders angehen sollen. Niemand hatte je behauptet, dass sie Gefühl für mich bekommen würde. Man konnte Sina nicht mit anderen Frauen vergleichen.
Wäre sie von mir normal behandelt worden, hätten wir eine halbwegs normale Ehe führen können. All die Streits hätten nicht existiert. Ihr Flucht wäre nie geschehen. Ich würde nun nicht zu Anna fahren, um sie zu hohlen.
Da ich die Zeit nicht zurückdrehen konnte, konnte man nichts ändern. Anderseits wäre das Leben langweilig, wenn meine Frau mich nicht provozierte.
Ich schaltete das Radio an, um meine Gedanken rund um Sina zu unterbrechen. Ich hörte selten Musik beim Fahren. Meist nutzte ich die Zeit zum Nachdenken. Genau das wollte ich nun nicht tun.
Wenigstens die zweieinhalb Stunden Fahrt zu Anna wollte ich mich ablenken. Sobald ich auch nur einen Fuß in ihr Wohngebäude gesetzt hatte, besaß ich keine Ruhe mehr.
Sie war eine von den in Manhattan lebenden Frauen, welche das Geld ihrer Eltern für Klamotten und Schönheitsoperationen ausgab. Dem Klischee entsprechend konnte sie eine nervige anhängliche Zicke sein.
Nun wo ich zu ihr kam, dort übernachtete – was ich nicht einmal zu verhindern versuchte –, morgen mit ihr einen Ring kaufen ging und sie mitnahm, brauchte ich starke Nerven. In nicht einmal einem halben Tag kam meine Ehefrau dazu.
Kurz vor Mitternacht hielt vor dem Wohngebäude. Meine Aktion war eine richtige Arschloch-Aktion für beide Frauen, aber ich behauptete nie, nett zu sein. Das hier musste sein. Gefühlswirrwarr hin oder her.
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Señora Hernández - Der Fehler
Romance(Neue und unüberarbeitete Version) »Eine Frau ist das Spiegelbild der Taten ihres Mannes.« Ich wurde verheiratet. Ich wurde entführt. Ich wurde verletzt. Und ich schaffte es, zu fliehen. Für wenige Tage. Nun befand ich mich wieder in meinem persönli...