ZWÖLF

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SARINA

Beschwipst schob ich den samtüberzogenen Stuhl auf einen der Schränke zu. Meine Gedanken waren noch klar. Mir ging es die Umstände entsprechend besser als gedacht. Die zwei Shots Schnaps verfehlten ihre Wirkung nicht. In mir herrschte Ruhe.

Nun wollte ich schnellstmöglich einen Koffer packen und ihn in eins der Gästezimmer weit weg verfrachten. Das bevor mein Ehemann mich dabei entdeckte. Seitdem er mir Blondchen auftauchte, sah ich ihn nicht mir, so wie Anna und meinen Schwiegervater. Ich fragte mich, was Lorenzo alles zu seinem Sohn gesagt hatte.

Dass er sich für mich einsetzte, vergaß ich ihm nie. Jedem, der auf meiner Seite stand. Es beruhigte mich zu wissen, sie nahmen mir meine Flucht nicht übel. Eigentlich gab es keinen Grund dazu, schließlich ging die Sache nur Iván und mich etwas an. Bei den Mädels konnte ich es trotzdem nachvollziehen. Wir waren Freundinnen geworden und ich floh einfach, verabschiedete mich nicht. Natürlich besaß ich keine Möglichkeit dazu, trotzdem hätte die kleine Chance bestehen können, nicht gefunden zu werden. Für immer von der Bildfläche zu verschwinden. Anderseits waren sie bestimmt insgeheim glücklich darüber, denn sie wussten, wie Iván mich behandelte. Sofia zum Beispiel stand vollkommen auf meiner Seite. Sie verachtete die Taten ihres Bruders.

Als spürte Iván, ich dachte die letzte Minute über ihn nach, ertönten seine unverwechselbaren Schritte. Er kam alleine. Es waren keine High Heels zu hören. Immerhin etwas.

»Was wird das?« War nicht offensichtlich, was ich ihr tat? Ich stand auf einem Sessel vor einem geöffneten Schrank, um einen Koffer aus dem obersten Fach zu holen.

Nur seine Stimme zu hören, machte mich rasend vor Wut, deswegen atmete ich tief durch. Er konnte vergessen, eine Gefühlsregung von mir zu bekommen.

»Ich packe meinen Koffer, um in ein anderes Zimmer zu ziehen«, antwortete ich so neutral wie möglich. Wirklich am Gespräch nahm ich nicht teil. Ich konzentrierte mich auf den Koffer. Ich zog ihn mit Schwung raus und zur Seite. Weil ich nicht kommen sah, wie schwer er war, kam ich ins Schwanken. Der Koffer landete lautstark auf dem Parkett. Ich konnte mich, indem ich mich an der Schranktür festhielt vor einem Sturz bewahren.

»Du wirst hierbleiben«, bestimmte er streng. »Gib mir einen Grund«, befahl ich ihm, dabei stieg ich vom Sessel.

Weil er dicht hinter mir stand, erschrak ich. Ich bekam nicht mit, dass er mir so nah gekommen war. Schnell fing ich mich. So wie er mich anguckte, schaute ich ihn an. Seinem intensiven Blick standzuhalten, fiel mir schwieriger als gedacht.

»Du bist meine Ehefrau.« Ich schnaubte abfällig. Als würde das etwas für ihn bedeuteten, so wie er mich behandelte. Dass er sich überhaupt als Ehemann bezeichnete. Dann wollte er mich auch noch angeblich lieben.

»Seit genau wann interessiert dich das? Du kommst doch plötzlich verlobt zurück. Wie willst du das jetzt eigentlich machen? Einen Tag schläfst du bei ihr, den anderen Tag bei mir? Oder werden wir jetzt zu dritt in diesem Bett schlafen, wenn ich nicht umziehen darf?« Ich verschränkte die Arme vor der Brust, damit er nicht sah, wie ich meine Hände zu Fäusten ballte. Ich drückte so feste zu, dass sich meine Fingernägel in die Haut bohrten. Nur mit Mühe konnte ich mir das Kiefermahlen unterdrücken. Die eine Vorstellung machte mich wütender als die andere. Mit Anna das Bett zu teilen war eine Horrorvorstellung. Lieber schlief ich auf dem Boden oder in der Badewanne. Dass Iván bei ihr im Bett schlief, war mir lieber, so bekam ich wenigstens nichts davon mit.

»Interessiert dich das alles nicht?« Ich dachte mir schon, die Frage kam irgendwann, nur erwartete ich sie nicht so schnell. »Wieso sollte es mich interessieren? Ich kann nichts daran ändern. Du machst, was du willst.« Genugtuung überflutete mich. Er hasste meine gleichgültige Art darauf, wie die Pest. Er stellte sich das absolut nicht so vor. Bei ihm konnte ich mir durchaus vorstellen, er wollte Wut, Verletzlichkeit und Tränen sehen, nicht nichts.

»Ich fahre morgen weg, ich habe ein paar wichtige Termine in Virgina. In drei Tagen komme ich erst wieder«, fing er ein anderes Thema an. Er wusste, er würde nichts bei mir bewirken.

Meine Freude darüber, dass er wegfuhr, versteckte ich. »Was für Geschäfte? Wieso sind die Termine so wichtig?« Ich verstand selbst nicht so recht, wieso ich ihn ausfragte. Irgendwie machte es mich neugierig.

Waren die Geschäfte illegal oder war es eins der legalen Unternehmen, um das Schwarzgeld zu waschen? Die Frage schwirrte mir bei der Neugierde am meisten durch den Kopf.

Er gab keinen dummen Kommentar von sich. Er antwortete mir ehrlich. Man konnte meinen, nichts wäre passiert, wir unterhielten uns als normales Ehepaar.

»Alvaro, Enrique und ich haben zusammen eine Investmentfirma. Hernández Investments. Wir wollen Anteile an einer anderen Firma kaufen, die uns viel Geld einbringen würde.« Das war also eins der legalen Geschäfte.

»Also gehen die beiden mit? Und was ist mit Anna, sie auch?« Ein Grinsen entstand auf seinem symmetrischen Gesicht. »Würde es dich denn stören, wenn ich Anna mitnehme?« Ich verzog mein Gesicht. »Sicher nicht, nehm sie ruhig mit, so habe ich Ruhe vor ihr.« Ich genoss jede freie Sekunde ohne sie. Mir reichte es schon, sie beim Essen sehen zu müssen. Am liebsten würde ich in der Küche essen, das würde Iván nur nie zulassen.

»Anna wird nicht mitkommen. Alvaro ebenfalls nicht.« Frustriert stieß ich Luft aus. Er nahm sie doch nur nicht mit, um mich damit zu ärgern. Dasselbe galt dafür, dass er mich nicht mitnahm.

»Geht Alvaro wegen Adora nicht mit?« Sie müsste sich sicher unwohl fühlen allein zu bleiben.

Meine Schwägerinnen kümmerten sich sicherlich bestens um sie, trotzdem dauerte es etwas, bis man richtig ankam. Jetzt wo Iván sich entschied, nicht erwachsen zu sein, obwohl er gestern das Gegenteil behauptete und diesen Auftritt abgelegt hatte, fühlte sie sich gut möglich wieder oder noch mehr unwohl.

Als ich hierher kam, fiel es mir wegen der Mädels leicht. Somit konnte ich mich auch irren und Adora fühlte sich längst wohl.

»Woher kennst du schon ihren Namen?«

»Ich würde ja jetzt sagen, ich habe schon mit ihr gesprochen, als du anschiss von deinem Daddy bekommen hast, aber das wäre gelogen. Alvaro erzählte mir vor Wochen, während du im Gefängnis warst, dass er verlobt ist, und ihren Namen.« Er nickte verstehend. Darauf eingehen, warum ich mit seinem Bruder sprach, tat er nicht. Eine Antwort würde er sowieso nicht bekommen.

»Er bleibt nicht wegen Adora hier. Er hat einfach nur genügend Arbeit, dazu kommt noch die anstehende Hochzeitsplanung«, gab er mir eine Antwort auf meine gestellte Frage, bevor er den Koffer aufhob und ihn auf die Kommodeninsel in der Mitte des Ankleidezimmers legte. Den von mir herausgeholten Koffer benutzte er nun, selbst um seine Sachen zu packen.

Keiner von uns beiden sagte noch etwas. Er weil er am Packen war und ich, weil ich überlegte. Mich überkam eine spontane und irrsinnige Idee. Dazu brauchte ich Alvaro. Er war der Schlüssel zu meinem Plan. Seine Pläne musste er dafür über Bord werfen oder umplanen.

Ich bekam, was ich wollte. Eine Gemeinsamkeit, die ich mit meinem Ehemann teilte.

Señora Hernández - Der FehlerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt