IVÁN
Eine halbe Stunde zuvor
Gemeinsam mit Alvaro betrat ich den Hafen von Port Jefferson. Um genau zu sein, einen der Stege. Ich mochte diesen Ort. Besonders wenn die Sonne unter ging. Das Wasser, der Sand, die verschiedenen Farben am sommerklaren Himmel und das Feeling machten etwas mit einem.
Selbst jemanden wie mich ließ dieser Anblick nicht kalt. Wären wir nicht geschäftlich hier, würde ich nun stehenbleiben, den Anblick für einen langen Moment auskosten.
Ich sollte mal mit Sina herkommen, ihr würde der Anblick bestimmt genauso sehr gefallen. Ich konnte mir ihr Strahlen bestens vorstellen. Wir bräuchten bis zum Hafen sogar nur knappe 15 Minuten.
Es besaß eindeutig Vorzüge direkt am Wasser zu wohnen. Wo wir unser Grundstück hatten, waren wir umgeben von Wasser, dennoch konnte man den Anblick nicht hiermit vergleichen.
Wir bogen bei der letzten von drei Abzweigungen nach rechts ab. Erst am Ende blieben wir stehen. Um uns herum befanden sich so gut wie nur Yachten in verschiedenen Größen. Eine davon gehörte uns. Eigentlich Vater. Er benannte die Jacht nach unserer Mutter. Isabella.
Und obwohl diese Frau heilig für unsere Familie war, benutzten wir nicht oft das Wasserfahrzeug für die Abwicklung von illegalen Geschäften.
Es fing damit an, dass wir einmal keine andere Wahl hatten, da bei der Organisation der Abholung ein Fehler unterlief.
Nun taten wir die Yacht weiterhin als Tarnung benutzen. Selten, dennoch taten wir es.
Heute waren wir aber nicht deswegen am Hafen. Wir trafen uns mit einem Informanten. Die Yacht eignete sich als perfekter Ort dafür. Man wurde nicht gestört.
Macht und Geld zu haben besaß einige Vorteile. Was dabei nie erwähnt wurde, war, dass genau die zwei Sachen Nachteile mit sich zog. Egal welche Art von Beruf man ausübte, wofür man diesen Status erhielt, man hatte Feinde. Immer. Ob gut oder böse.
Das Sprichwort: Wie man's macht, macht, man's verkehrt, stimmte. Man konnte es nie jedem Recht machen.
Ich betrat zuerst die zweistöckige Yacht. Kurz überfuhr mich ein komisches Gefühl. Vom festen Boden auf etwas Wackeliges zu treten, worunter sich Wasser befand, fühlte sich für einen Moment seltsam an.
Ganz oben setzten wir uns auf eine Sitzgruppe mit Eckbank. Von unserem Punkt aus konnten wir entspannt auf die Nordküste von Long Island schauen. Würde die dazwischenliegende Fensterfront das inner und äußere nicht trennen, könnte ich nun den frischen Küstenduft in meine Riechnerven ziehen.
Ich nahm meinen Blick von der fabelhaften Aussicht, um zum Tisch zu schauen. Für unsere Ankunft vorbereitet, stand auf einem runden Tablett in der Mitte des Tisches Alkohol. Schottischer Whisky, Gin, Wein, aber auch Wodka. Momentan wäre mir sogar Sekt lieb. Ich hasste Sekt.
Solange ich mir meine Probleme mit Alkohol aus dem Kopf saufen konnte, nahm ich, was mir zur Verfügung stand.
Stress mit Sina, stress mit Annas Vater, Matias Flores Existenz und der sich zu schnell nähernde Todestag meiner Mutter prasselte alles wie Hagel auf mich nieder.
Mein Fokus lag darauf mir den schottischen Whisky in ein Glas zu schütten, dennoch konnte ich im Augenwinkel sehen, wie mich mein älterer Bruder musterte.
Selbst als ich die Hälfte der eingefüllten Flüssigkeit mit drei Schlucken trank, ließ er seine Augen nicht von mir.
»Frag mich schon, was du wissen willst«, sagte ich mit einem Schnauben. Wir kannten uns gegenseitig gut genug. Ich wusste, dass ihm eine Frage auf der Zunge lag. Er wusste, dass ich das wusste.
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Señora Hernández - Der Fehler
Romans(Neue und unüberarbeitete Version) »Eine Frau ist das Spiegelbild der Taten ihres Mannes.« Ich wurde verheiratet. Ich wurde entführt. Ich wurde verletzt. Und ich schaffte es, zu fliehen. Für wenige Tage. Nun befand ich mich wieder in meinem persönli...