ZWANZIG

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IVÁN

Die schwere Flügeltür aus Mahagoni wurde schwungvoll aufgerissen. Für den Hauch einer Sekunde zuckte ich zusammen. Ich erwartete niemanden in der Bibliothek. Kaum jemand verirrte sich hierher. Einfach, weil das der Lieblingsort meiner Mutter war. Trotz der fast vierzehn Jahre vermissten wir sie noch genauso sehr.

Das am vergilbende Foto in meiner Hand legte ich auf dem Couchtisch vor meiner Nase ab. Man konnte meine Mutter und mich darauf sehen, wie wir Arm in Arm waren und in die Kamera lächelten. Zu der Zeit war alles besser. Keine Sorgen. Ein friedliches Leben.

Alvaro und ich sahen Mutter von allen Kindern am ähnlichsten. Die Gesichtszüge machten einen Großteil aus. Während Alvaro die Haarfarbe unserer Mutter vererbt bekam, war es bei mir die Augenfarbe. Meine anderen Geschwister kamen Großteils nach Vater. Nur einzelne Detail ließen die Ähnlichkeit zu Isabella erahnen.

Ich schaute auf, drehte meinen Kopf nach links, wo jemand hereingestürmt kam. Innerlich stöhnte ich genervt, bei dem Anblick, der in meine Richtung kam.

Ich griff nach dem Glas mit der bernsteinfarbenen Flüssigkeit. Normal trank ich erst ab den Nachmittag oder Abend Alkohol, momentan brauchte ich ihn früher.

Seine Nerven sollte man nicht mit Alkohol ertränken, dies war mir gerade scheißegal.

Normal beruhigte es mich, ein Foto von Mutter zu betrachten, obwohl jedes Mal aufs Neue ein dauerhaftes Ziehen in meiner Brust entstand. Heute verursachte ich nur damit, dass meine Laune stetig in den Keller sank.

Ich versuchte, das Klacken der High Heels zu ignorieren. Es gelang nicht. Anna kam auf mich zu. Sie merkte nicht, wie sehr ich sie nicht in meiner Nähe wollte.

Normal sah jeder, dass ich bei meiner angespannten Körperhaltung allein sein wollte. Da sie eine egozentrische Diva war, galt das nicht für sie.

Neben mir, zwischen Ledercouch und Couchtisch blieb sie stehen. Im Augenwinkel nahm ich wahr, wie sie ihre Arme vor der Brust verschränkte.

Irgendwas, besser irgendwer hatte sie verärgert. Schon beim Reinkommen, konnte ich ihr ihre Wut ansehen. Mir fielen zig Möglichkeiten ein, alle hatten eins gemeinsam: Sina. Sie musste verantwortlich sein. Sofia und meine Schwägerinnen waren ihr bestimmt behilflich. Oder meine Brüder. Bei ihnen würde es mich nicht wundern, wenn man an Alvaro und seine grandiose Idee zurückdachte.

Bevor Anna auch nur ein giftiges Wort sagen konnte, sprach ich. »Nerv mich nicht, ich habe zu tun.« Ich griff nach der Glaskaraffe aus Kristall, passend zum Glas und schenkte mir daumenlang neuen Whisky ein.

»Auf irgendein Foto starren und dich dabei betrinken nennst du, zu tun? Es gibt Wichtigeres wie deine nervige Ehefrau. Wann wirst du sie eigentlich endlich mal los?«

Ich verkrampfte meine Finger um das Glas, wobei ich auf Ex trank. Ausgetrunken stellte ich es lautstark ab.

Bräuchte ich Anna nicht, würde ich sie bis sie fast erstickte würgen, danach in unserem auf dem Anwesen verstecken Teich ertränken. Ihre quälende Schreie würde ich genießen. Jede Einzelne.

Erst störte sie mich, dann meinte sie irgendein Foto, obwohl es viel mehr als irgendein Foto war und dann verstand sie immer noch nicht, dass ich mich nicht von meiner Ehefrau scheiden ließ, dass sie selbst nur ein Mittel zum Zweck war. Von Anfang zeigte ich ihr, dass wir nie heirateten. Wie Frauen nun mal waren, glaubten sie, dass die Meinung des Mannes sich noch änderte.

»Wieso genau bist du hier? Was hat Sina angestellt?« Nun schaute ich sie doch an. Man sah, dass ihr meine ausbleibende Reaktion auf ihre Frage nicht gefiel.

Señora Hernández - Der FehlerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt