Die Tage, die vergangen waren, fühlten sich an wie ein Nebel, der sich um mich legte und die scharfen Kanten meiner Erinnerung verschwimmen ließ. Kerems Gesicht tauchte immer wieder in meinen Gedanken auf – diese hartnäckige Freundlichkeit in seinen Augen, als würde er mich durchschauen wollen. Doch jedes Mal, wenn das Bild von ihm mich bedrängte, zog ich mich tiefer in Samets Nähe zurück. Bei ihm war alles einfacher. Keine Fragen, keine moralischen Blicke, nur dieses rohe Verlangen und die erdrückende Sicherheit seiner Präsenz.
Heute war eine dieser Nächte, in denen die Dunkelheit schwerer wog. Ich lief durch die Straßen, die Kälte der Luft bissig und klar.
Ohne nachzudenken, hatte ich den Weg zum Café eingeschlagen, an dem ich das letzte Mal mit Kerem gewesen war.
Dumm, wie ich nun hier stand und mein Spiegelbild im Glas betrachtete – als könnte ich ihm irgendetwas beweisen, mir irgendetwas beweisen.
In meiner Tasche vibrierte das Handy. Eine Nachricht. Ich sah auf den Bildschirm: „Hast du Zeit? Ich würde gern reden." Kerem. Die Worte waren schlicht, aber ich spürte den Ernst darin, als könnte er mich herausfordern, wieder in sein aufrichtiges Mitleid einzutauchen.
Ich lachte leise, kaum mehr als ein Zischen in der kühlen Luft. Natürlich wollte er reden.
Kerem, immer der mitfühlende Retter, mit dieser absurden Vorstellung, er könne die zerrissenen Teile in mir irgendwie wieder zusammensetzen. Ich wählte seine Nummer und hob nach ein paar Mal Klingeln ab.
„Sila," seine Stimme klang warm, ein wenig überrascht.
„Kerem," begann ich und bemühte mich, eine kühle, glatte Gleichgültigkeit in meine Worte zu legen. „Du wolltest reden? Dann mach schnell, ich hab nicht ewig Zeit."
Stille am anderen Ende. Ich wusste, dass mein Ton ihm nicht entgangen war, und das gefiel mir irgendwie – die Vorstellung, ihn ein bisschen zu ärgern, ihn aus der Fassung zu bringen.
„Danke, dass du zurückgerufen hast," antwortete er ruhig. „Ich wollte wissen, wie es dir geht."
„Mir geht es hervorragend," entgegnete ich scharf. „Besser als du vielleicht glaubst."
Ich konnte seine Antwort nicht sehen, aber ich spürte seine Verwirrung und vielleicht auch die leichte Enttäuschung.
Es war fast zu einfach, ihn damit zu treffen, wie er diese Schwäche in mir suchte, diese Hoffnung, dass ich auf sein Mitleid eingehen würde. Aber ich war nicht das schwache, verlorene Mädchen, das er sich vielleicht ausgemalt hatte.
„Sila, ich verstehe, dass du das alles nicht hören willst," begann er wieder, seine Stimme klang ruhig, fast verzweifelt geduldig.
„Aber du... musst dich nicht in etwas verlieren, das dir wehtut."
Ein stichelndes Lächeln legte sich auf meine Lippen. „Ach wirklich? Und was, Kerem, weißt du darüber, was mir wehtut und was nicht?"
„Ich... ich weiß nur, dass ich mir Sorgen mache."
Ich hielt kurz inne, ließ das Echo seiner Worte in mir widerhallen. Es wäre so einfach gewesen, jetzt weich zu werden, ihn reinzulassen.
Aber ich konnte das nicht. Samet war mein Schutz, meine Dunkelheit, meine Flucht. Was konnte Kerem mir bieten außer diesem leeren Gerede von Liebe und Heilung?
„Wirklich süß, dass du dir Sorgen machst," spottete ich. „Aber vielleicht solltest du lernen, dass nicht jeder gerettet werden will."
Ich legte auf, noch bevor er antworten konnte. Ein Zittern lief durch mich, ein Kälteschauer, den ich mir selbst nicht erklären konnte.
Ich steckte das Handy in die Tasche, die Finger zitterten leicht, obwohl ich versuchte, die Fassung zu bewahren.
Die nächtliche Kälte schien intensiver geworden zu sein, und die Dunkelheit drückte sich wie ein schwerer Mantel um meine Schultern. Ein Teil von mir wollte zurücklaufen, wollte die Worte zurückholen – doch ein viel größerer, tiefer verwurzelter Teil wusste, dass dies genau das Richtige gewesen war.
Kerem konnte nicht verstehen, was Samet mir gab. Bei ihm war ich sicher.
Die Welt wurde stiller, klarer, und es gab keine Blicke, die mich durchschauten, keine Urteile über meinen Schmerz oder meine Entscheidungen. Die Nähe zu ihm war wie ein Schild, ein Schutz gegen die Gefühle, die ich mir bei Kerem nicht erlauben konnte.
Ich lief weiter, ließ das Café hinter mir und versuchte, Kerems Worte aus meinem Kopf zu verdrängen. Er glaubte, er könne mich lesen, könne durch diesen Panzer aus Zynismus und Gleichgültigkeit hindurchsehen – aber was er sah, war nur eine Illusion. Die Vorstellung, dass er mich retten könnte, war lächerlich. Er kannte das Chaos in mir nicht, die Dunkelheit, die ich jeden Tag in mir trug.
Plötzlich hörte ich Schritte hinter mir, gleichmäßig und entschieden. Ich drehte mich um und sah Kerem.
Er musste in der Nähe gewesen sein, hatte wahrscheinlich gehofft, dass ich an einen Ort gehen würde, an dem er mich finden konnte. Seine Augen waren auf mich gerichtet, ruhig und fest, und für einen Moment hatte ich das Gefühl, als könnte er durch mich hindurchsehen.
„Sila, ich werde dich nicht einfach aufgeben," sagte er leise, aber mit einer Dringlichkeit, die ich nicht erwartet hatte.
„Du kannst mich wegstoßen, so oft du willst, aber ich werde nicht aufhören, dir zu zeigen, dass du jemanden hast, der dich nicht im Stich lässt."
„Kerem..." Ich wollte etwas Scharfes entgegnen, doch die Worte blieben mir im Hals stecken.
Er trat näher, und plötzlich war da nur noch die Wärme seines Blickes, diese Beharrlichkeit, die ich verabscheute und doch irgendwie brauchte.
„Warum kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?" fragte ich schließlich, meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
„Weil ich sehe, dass du leidest. Weil ich sehe, dass du dich hinter dieser Fassade versteckst, die du so sorgfältig aufgebaut hast. Du musst niemandem etwas beweisen, Sila. Nicht mir und auch nicht dir selbst."
Sein Blick war sanft und voller Verständnis, und in mir begann etwas zu bröckeln.
Doch noch bevor ich es zuließ, zu tief in dieses Gefühl einzutauchen, erinnerte ich mich an Samet, an die Härte, die er mir gab, die Kälte, die so viel einfacher zu ertragen war.
Ich zog mich zurück, schüttelte den Kopf und wich einige Schritte zurück.
„Das ist alles nur ein Märchen, Kerem," sagte ich und bemühte mich, die alte Härte in meiner Stimme zurückzugewinnen.
„Dein Mitleid ist nur ein schwacher Versuch, mir einzureden, dass ich jemanden brauche. Aber ich brauche niemanden – schon gar nicht dich."
Für einen Moment sah ich Schmerz in seinen Augen, etwas Zerbrechliches, das er sonst gut versteckte.
Doch dann trat er zurück, sein Gesicht zeigte eine seltsame Ruhe. Er ließ mich gewähren, ließ mich in dieser Fassade verweilen, die ich so sorgsam aufgebaut hatte.
„Ich verstehe," sagte er schließlich, und seine Stimme klang ruhig, wie ein sanfter Windhauch in der Kälte der Nacht. „Wenn du wirklich niemanden brauchst, dann werde ich dich gehen lassen. Aber das ändert nichts an dem, was ich fühle. Ich werde warten, bis du bereit bist, dich dem zu stellen. Und wenn nicht... dann ist das deine Entscheidung."
Kerem drehte sich um und ging, und seine Schritte wurden leiser, bis sie schließlich ganz verschwanden.
Die Stille umhüllte mich, und die Kälte biss noch schärfer. Es war vorbei. Ich hatte ihn weggestoßen, wie ich es mir vorgenommen hatte, und doch spürte ich keine Erleichterung. Stattdessen blieb nur diese Leere zurück, wie ein Echo der Worte, die er gesagt hatte, und die Stille, die er hinterlassen hatte.
ich schrieb kerem doch eine Nachricht.
„Okey, einverstanden dann zeigt mir was, Liebe ist..."
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Iki Yol, bir hedef
FanfictionSila Yilmaz sucht in einer Freundschaft mit gewissen Vorzügen bei Samet Akaydin Zuflucht vor dem Chaos in ihrem Elternhaus. Während ihr Bruder Baris Alper selbst mit den Gefühlen der Frauen spielt und keine ernsthaften Beziehungen führt, würde er ni...