Ich stand vor dem Spiegel und sah mein eigenes Gesicht an – die dunklen Augenringe, die ich versucht hatte zu überdecken, das Haar, das ich jetzt schon zum dritten Mal neu richtete. Ein Teil von mir fragte sich, warum ich mir so viel Mühe gab. Es war doch nur Kerem, sagte ich mir, nur ein Abend, ein Treffen... und trotzdem spürte ich, wie mein Herz schneller schlug, wie sich ein Hauch von Freude unter all den gemischten Gefühlen versteckte.
Was war das bloß? Eine Art Aufregung, die ich nicht kannte, ein flaues Gefühl in meinem Magen, das mir von Anfang an unbehaglich war. Doch während ich Lippenstift auftrug, ertappte ich mich dabei, dass mir seine Aufmerksamkeit irgendwie gefiel. Es war anders als bei Samet, viel... zarter. Langsamer. Fast bedrohlich.
Die Tür ging abrupt auf, und ich zuckte zusammen, als mein Bruder hereinkam. Sein Blick fiel sofort auf mich, seine Stirn lag in Falten. „Wohin gehst du? Und warum machst du dich so zurecht?"
Ich spürte, wie mein Herz einen Schlag aussetzte. Sofort schoss mir eine Lüge durch den Kopf, bevor ich auch nur darüber nachdenken konnte. „Ich treffe mich mit Dilara," antwortete ich betont beiläufig und hoffte, dass er nicht das Zittern in meiner Stimme hörte.
Sein misstrauischer Blick ruhte noch einen Moment zu lange auf mir, und ich zwang mich, ruhig zu bleiben. „Hm," brummte er, und ich konnte sehen, wie sein Blick zwischen mir und meinem Handy auf dem Bett hin- und herglitt. „Na gut," sagte er schließlich, aber sein Ton verriet, dass er mir nicht glaubte.
Als ich wenig später die Wohnung verließ, spürte ich, wie die Übelkeit wieder stärker wurde, und ich presste meine Hand auf den Bauch. Tief durchatmen, dachte ich. Es war nur ein Treffen. Nichts weiter.
Doch kaum hatte ich die Straße erreicht, spürte ich mein Handy in der Tasche vibrieren. Ich zog es heraus und sah Dilara auf dem Display. Mein Herz klopfte schneller.
„Sila?" Ihre Stimme klang verwirrt. „Dein Bruder hat gerade angerufen und gefragt, ob wir uns treffen. Ich wusste gar nicht, was ich sagen sollte."
Mein Magen zog sich zusammen, und ich hatte das Gefühl, dass die Nachtluft auf einmal noch kälter war. Er wusste es. Ich konnte mir vorstellen, wie er vor Wut die Zähne zusammenbiss, die Enttäuschung in seinem Gesicht. Die Übelkeit kam jetzt in Wellen, und mir wurde schwindelig.
Doch ich ließ mich nicht davon abhalten. Stattdessen atmete ich tief durch und ging weiter, spürte, wie meine Beine mich fast mechanisch zum Park trugen, wo Kerem wartete.
Der Himmel über dem Park verfärbte sich langsam in tiefe Orangetöne, während die Sonne hinter den Bäumen verschwand. Kerem hatte eine Decke auf dem feuchten Gras ausgebreitet, und das kleine Picknick wirkte fast zu perfekt, zu ruhig – fast ein Kontrast zu dem Chaos in mir.
Ich setzte mich auf die Decke und bemühte mich, ein wenig von der Ruhe, die Kerem ausstrahlte, in mich aufzunehmen. Doch die Übelkeit blieb, hartnäckig und unübersehbar. Meine Hände zitterten leicht, und ich konnte spüren, wie die Kälte mich durchdrang, trotz der warmen Farben des Himmels.
Kerem musterte mich, ein ruhiges Lächeln auf seinen Lippen, während er mich in seiner sanften, beinahe geduldigen Art ansah. Es war, als würde er nicht nur auf meine Antworten warten, sondern auf das, was zwischen meinen Worten verborgen lag.
„Also, wie war dein Tag?" fragte er, seine Stimme leise, fast wie eine Berührung in der Stille.
Ich zuckte mit den Schultern und wich seinem Blick aus. „Ganz normal," sagte ich, und zwang mich zu einem leichten Lächeln. „Nichts Besonderes."
Er ließ sich nicht beirren, sondern legte eine Traube in seine Handfläche, streckte sie mir entgegen und musterte mich, als würde er wirklich jede Bewegung von mir wahrnehmen. „Was denkst du, wo du in zwei Jahren sein wirst?" Seine Frage klang beiläufig, doch ich spürte den Blick, den er auf mich gerichtet hatte. Ernst, aber ohne die Strenge, die ich von Samet gewohnt war. Es war eher eine stille, geduldige Aufmerksamkeit, als würde er wirklich wissen wollen, was in mir vorging.
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Iki Yol, bir hedef
FanfictionSila Yilmaz sucht in einer Freundschaft mit gewissen Vorzügen bei Samet Akaydin Zuflucht vor dem Chaos in ihrem Elternhaus. Während ihr Bruder Baris Alper selbst mit den Gefühlen der Frauen spielt und keine ernsthaften Beziehungen führt, würde er ni...