Aya

Der Morgen war still, als ich die Augen öffnete. Ein schwerer Schmerz zog durch meine Muskeln, eine Erinnerung an das gestrige Training. Doch dieser Schmerz war nichts im Vergleich zu dem Chaos in meinem Kopf. Ich dachte an die Techniken, die Demjan mir gezeigt hatte, und an den Vorfall mit dem respektlosen Lehrling. Wie alle Jungs sofort ausgerastet waren - besonders Danilo. Aber es waren nicht nur seine Reaktionen, die mich beunruhigten. Sie alle hatten reagiert, als wäre ich etwas, das beschützt werden musste. Ein zerbrechliches Etwas.

Langsam richtete ich mich auf, mein Blick wanderte durch das halbdunkle Zimmer. Etwas auf meinem Nachttisch erregte meine Aufmerksamkeit - ein Zettel. Ich griff danach, meine Finger leicht zitternd, und las die Worte in Danilos vertrauter, schnörkelloser Handschrift:
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„Guten Morgen, маленькая ведьма. Wir sind kurz unterwegs, geh bitte was frühstücken. Das Frühstück steht schon unten bereit für dich.

PS: Danilo."

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„маленькая ведьма". Was bedeutete das? Ich wusste, dass es russisch war, aber der genaue Sinn blieb mir verborgen. Es klang fremd, bedrohlich und doch... zärtlich? Es war typisch für Danilo, mich so zu nennen, ohne mir je zu erklären, was es bedeutete. War es ein Spitzname? Ein versteckter Hinweis? Vielleicht war es nichts weiter als ein Spiel für ihn, ein weiteres Geheimnis zwischen uns.

Ich legte den Zettel beiseite und zwang mich, aufzustehen. Der gestrige Tag hatte mir deutlich gemacht, wie verletzlich ich hier war. Demjan hatte mir gezeigt, dass ich noch viel lernen musste, doch das größte Hindernis war nicht meine Technik - es war der Schatten meiner Entführung. Die Jungs behandelten mich, als wäre ich Teil ihres Teams, doch die Wahrheit war, dass ich hier gegen meinen Willen war. Und das durfte ich nie vergessen.

Ich zog mich mechanisch an und ging nach unten, wo das Frühstück sorgsam angerichtet auf mich wartete. Es war alles da - Brot, Käse, Obst. Ein stummer Beweis für ihre Kontrolle über mein Leben. Alles war vorbereitet, alles durchdacht. Typisch Danilo. Sie kümmerten sich um mich, aber immer mit einem Hauch von Überwachung, als müsste ich ständig im Auge behalten werden.

Ich setzte mich, doch der Appetit fehlte mir. Der Raum war still, zu still. Es fühlte sich an, als würde ich beobachtet werden. Und dann war es wieder da, dieses seltsame Gefühl - das gleiche, das ich gestern verspürt hatte. Jemand beobachtete mich. Es war nicht das erste Mal, dass ich dieses Gefühl hatte, aber heute war es stärker. Greifbarer.

In dem Moment, als der Gedanke sich in meinem Kopf formte, klingelte es plötzlich an der Tür. Die Stille des Hauses wurde durch den schrillen Ton zerschnitten. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Wer konnte das sein? Die Jungs waren nicht da, und es war noch zu früh für Besucher. Vorsichtig stand ich auf und ging zur Tür.

Als ich sie öffnete, war niemand da. Nur ein kleines Paket, das vor der Tür lag, ohne Absender, ohne Hinweis. Mein Herz schlug schneller, ein ungutes Gefühl breitete sich in mir aus. Ich hob das Paket auf, das leichter war, als ich erwartet hatte, und trug es ins Haus.

Mit zitternden Händen öffnete ich den Karton.

Fotos. Dutzende Fotos. Von mir...

Ich starrte auf die Bilder und spürte, wie mein Herz einen Schlag aussetzte. Jemand hatte mich fotografiert. Hier, in diesem Haus. Aufnahmen von mir in der Küche, im Wohnzimmer, in meinem Zimmer, als ich mich umzog. Die Bilder waren nah, erschreckend intim. Jemand hatte mich beobachtet - und das schon seit Tagen.

Panische Gedanken rasten durch meinen Kopf. Wer war das? Wie lange ging das schon so? Die Jungs würden ausrasten, wenn sie das sahen. Vor allem Danilo, aber auch Demjan, Lew und Leonid. Sie alle würden durchdrehen. Ich wusste, wie sehr sie mich als „ihre" Verantwortung betrachteten, doch das hier... das war etwas anderes. Jemand hatte sich zu nahe herangewagt. Zu nah.

Es klingelte erneut, lauter und eindringlicher. Ich ließ den Karton fallen, mein Atem beschleunigte sich. Wieder sah ich durch den Türspion. Nichts. Niemand war da.

Die Tür aufzumachen fühlte sich wie ein Fehler an, aber ich konnte nicht anders. Ich öffnete sie langsam, nur einen Spalt - nichts. Doch der Wind, der mir entgegenwehte, war kühl und feindselig. Irgendetwas war anders heute. Es war, als wäre ich Teil eines düsteren Spiels, und der Gegner war unsichtbar.

Ich schloss die Tür schnell wieder und lehnte mich dagegen. Meine Knie zitterten, mein Herz raste. Ich war allein. Die Jungs waren weg, und ich hatte keine Ahnung, wann sie zurückkommen würden. Und jemand - irgendjemand - beobachtete mich.

Ich blickte auf den Boden, wo die Fotos verstreut lagen. Ein Gefühl der Hilflosigkeit kroch in mir hoch, gefolgt von Wut. Irgendwer spielte ein krankes Spiel mit mir. Und ich hatte keine Ahnung, wie lange es schon lief. Die Jungs mochten sich wie meine Beschützer verhalten, aber selbst sie konnten mich nicht vor allem bewahren. Besonders nicht vor den Schatten, die in den Ecken lauerten.

Ich musste herausfinden, wer mich beobachtete. Und ich musste es tun, bevor es zu spät war.

Dark Devils King-dark secrets Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt