Eileens Augen waren so voller Tränen, dass sie gar nicht richtig sah wohin sie rannte. Sie konnte die Enttäuschung nicht ertragen, dass er, dem sie vertraute, sie belog und ihr persönliche Details ihrer familiären Abstammung verschwieg. Sie war kein Kind mehr! Ihre Lungen schmerzten und nach Luft ringend blieb sie mitten in der Eulerei stehen. Die kleinen weißen Hände hielten sich an einer Säule fest während Eileen in sich zusammen sank und herzzerrreißend weinte. Man könnte die Anwesenheit der Eulen hören und der blasse Mondschein, welcher sich ganz langsam mit der Morgenröte vermischte, viel durch die großen Bögen. Sie hatte eine Familie, wobei sie dachte niemals eine gehabt zu haben. Ihr Cousin schlief im selben Schloss wie sie und sie hatte eine Mutter! Wie konnte Severus ihr das nur verschweigen, was wäre so viel Wert, dass man seine Familie dafür auf Spiel setzte? Die schnellen Schritte, welche hinter Eileen ertönten, nahm die junge Frau gar nicht erst wahr. Als sie eine Hand auf ihrer Schulter spürte zuckte sie erschrocken zusammen und drehte ihren Kopf in Remus' Richtung. „ Haben Sie es auch gewusst, Professor Lupin?", hauchte Eileen fast stimmlos. „ Nein, ich hatte Vermutungen, aber es hätte genauso gut alles ein Zufall sein können. Ich kenne Harrys Familie schon sehr lange und sehr gut. Nennen Sie mich doch Remus. Harrys Freunde und Familie sind auch meine Freunde.", sprach Remus einfühlsam. Eileen starrte in die Leere und stammalte: „ Ich bin so durcheinander. Ich habe ihm so viel anvertraut. Ich glaubte, ich glaubte, er..." Ihre kleinen Finger vergruben sich in ihren roten Wellen. „ Severus ist undurchschaubar, Eileen. Er muss es sein, weil er so viel Verantwortung trägt. Ich selbst habe viele Informationen über Severus nur oberflächlich von Professor Dumbledore erfahren." Eileen bemerkte, dass die Ruhe, welche der Professor ausstrahlte, sie ganz und gar umfing und es ihr sehr gut tat, dass er ihr zuhörte. Sie hatte Freunde gefunden. Sie war wichtig und sie würde ihre neuen Freunde und ihre neue Familie, die zunächst nur aus Harry bestand, niemals wieder aufgeben. Aus ihren stahlblauen Augen wichen die Tränen und nun lagen neben dem tiefen Schmerz auch Entschlossenheit und Tapferkeit darin. „ Ich habe Severus oft darüber fluchen hören. Über Harry Potter. Wieso? Was hat Severus mit Harry Potter zu tun? Warum ist er so wütend auf den Jungen? Er ist doch nur ein netter Junge." Remus kannte den Gesichtsausdruck, den Eileen ihm zeigte. Er erinnerte ihn abermals an seine gute Freundin Lily, welche ihn auch immer so ansah, wenn sie sich Sorgen um ihn machte. „ Harry Potter ist in unserer Welt berühmt. Warum? Weil er den Anschlag des mächtigsten bösartigen Zauberer überlebt hat, welcher sich Lord Voldemort nennt." Eileen krampfte zusammen. In ihrem Geist erschienen die erbarmungslosen roten Augen und die schlangenhafte Gestalt, welche sie gefangen hielt und anordnete sie foltern zu lassen. Remus bemerkte Eileens Unbehagen und fuhr fort: „ Harry war damals erst ein Jahr alt. Seine Eltern waren meine besten Freunde- James und Lily Potter. Sie sind dabei ums Leben gekommen ihren Sohn zu beschützen. Sie wurden verraten und ich war zu langsam um es zu erahnen. Ich glaubte, dass unsere Freunde zusammenhalten würden. Aber einem war sein Leben wichtiger, als das Leben seiner jungen Freunde." Der Professor formte seine Hand zu einer Faust und schlug diese kräftig auf den steinernen Boden. Eileens Augen wurden groß und glänzten mörderisch. Hatte sie dem Falschen vertraut? Wurde sie genauso hereingelegt wie die junge Potter-Familie? Ihr Atem stockte und sie flüsterte: „ Also hat Severus sie verraten?" Remus schüttelte lautlos den Kopf. „ Nein, er hat sie nicht verraten. Er beschützt Harry, weil er glaubt es sei sein Fehler gewesen und weil... Nun, er war damals mit Harrys Mutter befreundet, bis die Freundschaft in frühen Jahren durch einen schwerwiegenden Fehler seinerseits zerbrach." Die junge Frau erinnerte sich an die Fotos, die sie in Snapes Gästezimmer betrachtete und an die junge rothaarige Schönheit, welche dem jungen Severus die Röte ins Gesicht stiegen lies. Remus fuhr fort: „ Er glaubt nun, dass er in ihrer Schuld stünde und arbeitet seit dem Tod der Familie für Dumbledore in Hogwarts." Eileen unterbrach Remus und legte ihre Hände auf ihren Schoß. „ Meine Mutter heißt Petunia. Wer ist das?" Die kurzzeitige Stille war für sie beinahe unerträglich. „ Petunia Dursley, geborene Evans. Sie konnte nie zaubern und hat ihre Schwester Lily dafür gehasst, dass sie es konnte. Sie lebt in London und hat einen Mann und einen Sohn. Harry ist bei ihr aufgewachsen, weil er sonst keine Familie hat. Sie hat ihren ganzen Hass auch auf den Jungen projiziert. Sie ist eine unangenehme Frau, daher kann ich auch immer noch nicht glauben, dass du von ihr abstammen sollst." Eileen nickte. In ihrem Kopf schlugen Fragen auf Fragen. Wieso hat ihre Mutter sie weggegeben? Wieso hatte sie magisches Blut geerbt, es aber niemals gewusst, oder erahnt? Wie konnte sie Harry Potter beibringen, dass er als Weise dennoch ein Teil Familie haben würde? „Ich werde mit Harry reden müssen, Remus. Nur wie, wenn selbst ich diese Nachricht nur schwer verkraften kann. All die Jahre habe ich geglaubt ich sei allein, gewöhnlich und ungewollt. Auf einmal fällt alles auf mich ein. Es ist viel." Eileens Augen suchten die von Remus, während Remus Eileens Unterahme packte und fest zugriff. „Du bist nicht wie deine Mutter. Du bist ein guter Mensch, Eileen. Harry kann sich glücklich schätzen jemanden wie dich in seiner Familie zu haben und er wird dich akzeptieren. Du bist momentan die einzige Person, die er hat.", sagte Remus ruhig. Einige Sekunden später erhob sich der Professor und zog Eileen an ihren Armen hinauf. „Gehe am besten jetzt in den Gemeinschaftsraum der Gryffindors und rede mit Harry. Je eher er es weiß, desto eher wird es dir besser gehen." Die Rothaarige fuhr sich durch ihr Haar und atmete hörbar aus. „ Darf ich dich noch was fragen?" Mit einem fragenden Blick schaute Eileen Remus direkt ins Gesicht. Remus nickte. „Du sagtest, dass Severus Harry Potter beschützt. Harry ist immer noch in Gefahr? Voldemort will ihn töten, richtig? So ist es doch?" Sie wandte sich nicht ab und hielt Remus auch nicht auf, als dieser ihre Arme fallen ließ und ihr den Rücken zudrehte. „Ja, das will er. Und er wird nicht aufgeben, bis er den Jungen eines Tages getötet hat. Aber Severus ist nicht der einzige, der sich für Harry einsetzt. Ich würde auch mein Leben für den Jungen geben. James hätte es so gewollt. Und Lily. Lily hat ihres sogar gegeben. Es soll nicht umsonst gewesen sein." Eileens Augen wurden abermals wässrig, sodass funkelnde Tränen über ihr Gesicht rannen, während sich ihre Hände so kräftig zu Fäusten ballten, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten. „Ich werde mir meine Familie nicht wegnehmen lassen. Ich werde hinter Harry stehen und ihm helfen. Egal was passiert." Remus drehte sich um und schenkte Eileen ein warmes wissendes Lächeln. „Das wirst du.", sagte er. Nun war es an der Zeit, dass Eileen sich der Aufgabe stellte, Harry von seiner neuen Familie zu erzählen. Sie strich sich langsam über ihren Umhang und lief an Remus vorbei. „Danke, dass du mich nicht alleine gelassen hast." Die junge Frau lächelte, ließ den Professor in der Eulerei zurück und machte sich auf den Weg durch die endlos langen Korridore. Sie musste Harry treffen. Auf einer Treppe, die gerade unerwartet ihre Richtung wechselte, erschrak Eileen so sehr, dass sie zwei fremde Hände mit langen Fingern vor dem Abstürzen bewahren mussten. „Du solltest besser aufpassen, dass du deine Umwelt genauer wahrnimmst, denn sonst wirst du nur von einer Gefahr in die andere geraten. Was ganz nebenbei bemerkt auch tödlich enden könnte", flüsterte eine samtige Stimme, deren Besitzer Eileen zu kennen geglaubt hatte. Sie fuhr herum und ohne sich genau davon vergewissert zu haben, dass es sich um den Menschen handelte, dem sie jetzt am allerwenigsten begegnen wollte, verpasste sie ihrem Gegenüber eine laut schellende Ohrfeige. „Was glaubst du, wer du bist? Wieso schleichst du mir hinterher? Ich kann auf mich alleine achten. Danke für alles. Oder besser für nichts? Immerhin wolltest du mich ja belügen, mir meine Familie verschweigen, sodass ich immer noch alleine wäre und unwissend, wenn ich euch nicht belauscht hätte. Hattest du je eine Familie? Falls ja, solltest du wissen, wie es sich anfühlt...", zischte Eileen kalt, während sie von einem furiosen Blick schwarzer Augen getroffen wurde. „Du weißt gar nichts... Urteile nicht über mich, wenn du nicht den geringsten Funken einer Ahnung hast, wer ich bin. Nun, wenn du meine Hilfe nicht nötig hast, dann passe gefälligst selber darauf auf, dass du dich nicht umbringst. Es wäre ein tragischer und unnützer Tod gewesen, wenn du einfach nur die Treppe vom siebten Stockwerk heruntergefallen wärst. Glaubst du nicht auch? Hör' auf so naiv und kindisch mit deiner Umwelt umzugehen.", fauchte Severus wütend und packte dabei feste Eileens Unterarm. Die aufgebäumte Erscheinung des Tränkemeisters schüchterte Eileen ein, auch wenn er hager und nur wenig viel größer als sie auftrat. Sie wagte es nicht ihn anzusehen und schaute auf die Stufe unter ihr, während sie ihren ganzen Mut fasste und sprach: „Ich muss mit Harry sprechen, also wenn du mich jetzt bitte loslassen könntest. Wir sind fertig miteinander." Severus hob eine Augenbraue an und verstärkte seinen Griff. „Ich denke nicht, dass du das tun wirst. Was meinst du weswegen ich zunächst Dumbledore Bescheid geben wollte, was deine Abstammung betrifft? Weil es mir natürlich unheimlich viel mehr Spaß bereitet mitten in der Nacht in seinem Büro zu sitzen, anstatt mich auf meinen morgigen Unterricht vorzubereiten, wobei sich nur nebenbei bemerkt, die Papierstapel von Arbeiten degenerierter Schüler auf meinem Schreibtisch türmen, welchen ich noch korrigieren sollte. Außerdem haben Dumbledore und ich entschieden, dass Potter es nicht erfahren sollte. Der Bengel und seine Art sich in den Vordergrund zu stellen würden sich, gepaart mit dem Wissen um dich als seine Angehörige, nicht besonders gut machen. Potter hat wohl genug mit sich und seiner Auserwählten-Rolle zu tun, so arrogant wie er hier schon herumstolziert, wäre es wohl auch nicht förderlich, wenn er wüsste, dass er mit einer Lehrkraft verwandt sei. Du kommst mit mir! Sofort!" Eileen wollte sich wehren und losreißen, dennoch gelang es ihr nicht. „Ich habe im Übrigen auch keine Scheu, den Imperius-Fluch anzuwenden, wenn du dich widersetzt und mit dieser naiven Art die gesamte Zaubererschaft in Gefahr bringen könntest!", sagte der Schwarzhaarige und zog Eileen weiter hinter sich her. Stufe für Stufe gelangen beide schlussendlich in den Kerker, wo Severus die junge Frau mit auf seine Räumlichkeiten nahm, damit er sicher ging, dass sie keine weiteren verbotenen Erkundungstouren durch das Schloss machte. In seinem Büro angekommen, verschloss er mit einem unausgesprochenen Zauber seine Tür und zog Eileen noch bis zu einem samtigen Sessel, in welchen er sie unsanft niederließ. „Du wirst hier bleiben. Ich kann es mir nicht erlauben, dass Potter morgen im Zaubertränkeunterricht sentimental wird und den Klassenraum sprengt. Geh' in mein Schlafzimmer, da kannst du übernachten. Ich werde hier noch Arbeiten an meinem Schreibtisch erledigen und es merken, wenn du versuchen solltest herauszuschleichen. Versuche es gar nicht erst, es sei denn, du stehst auf Enttäuschungen. Gute Nacht." Severus nickte mit seinem Kopf in Richtung seiner Schlafgemächer und gab Eileen damit zu verstehen, dass sie in dieses verschwinden sollte. Wortlos stand die junge Frau auf und schritt verärgert durch die schwarze Ebenholztür, hinein in das mit grünem Samt ausgekleidete Schlafzimmer, und schlug die Tür hinter sich heftig ins Schloss. Der zurückgelassene Severus schüttelte langsam den Kopf und ein hämisches Grinsen umspielte seine Lippen, nachdem er sich an seinen Schreibtisch setzte und die erste Rolle Pergament entrollte, auf welcher der Name Harry Potter stand.
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Severus Snape- Die Prophezeiung
FantasySeverus Snape- ein zwilichtiger Charakter, voller Trauer und Zorn- und voller Liebe für eine Frau, die die Welt für ihn bedeutete. Was würde passieren, wenn er eine zweite Chance bekommen würde? Wenn er die richtige Entscheidung treffen würde und da...