Erinnerungen

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Severus musterte die Frau, welche gerade aussah, wie ein trotziges Kind. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt und blickte leer vor sich hin. Er musste unwillkürlich an sie denken- das Mädchen, welches sich sein Herz genommen hat und vergaß es zurückzugeben. Er und sie lagen auf einem Hügel hinter der Nachbarschaft, kicherten und erzählten sich, dass sie für immer Freunde bleiben würden. Es waren die Sommerferien nach dem dritten Schuljahr in Hogwarts. Das rothaarige Mädchen mit den leuchtend grünen Augen lag auf dem Bauch und bastelte eine Kette aus Gänseblümchen, während Severus ihr dabei zusah und ihre zarten, weißen und zugleich so geschickten Hände bewunderte. Als das Mädchen die Kette fertigstellte setzte sie sich hin. „Sev, wie findest du sie? Ich glaube sie ist zu groß geworden. Ich könnte sie nur als Kette tragen." Ihre Augen hatten einen leicht enttäuschten Blick angenommen, als sie die Kette auf ihren Kopf setzen wollte, diese aber nach unten rutschte und sich nun um ihren Hals befand. „ Ich finde sie schön. Ist doch egal, wie du sie trägst.", versuchte der etwas hagere schwarzhaarige Junge auf das Mädchen mit einem sehr einfühlsamen Ton einzureden. „ Aber ich wollte doch ein Haarband daraus machen." Nun verschränkte das Mädchen die Arme und musterte Severus langsam und eindringlich. „Sev?", sagte das Mädchen, welches nebenbei die Blumenkette über ihren Kopf zog „ Dir wird sie bestimmt passen, halt mal kurz still." Sie beugte sich zu ihm hin und setzte ihm die Blumenkette auf den Kopf. „ Siehst du, an dir sieht sie noch besser aus!", kicherte das Mädchen. Severus rollte die Augen und tastete die Kette auf seinem Kopf. „Ich hoffe, ich darf sie heute noch absetzen.", sagte er mit einem leicht ironischen Unterton in der Stimme. „Natürlich nicht, Sev. Sie ist ein Geschenk. Geht man so mit Geschenken um? Du freust dich gar nicht." Das Mädchen verschränkte nun wiederholt die Arme und nahm einen gespielt trotzigen Ausdruck an. „ Nun gut, ich nehme sie nicht ab. Aber wenn ich schlafen gehe muss ich sie wohl ausziehen Lily." Das zierliche Mädchen sah erschrocken auf die Uhr, gab Severus einen schnellen und flüchtigen Kuss auf die Wange, stand auf und lief durch die Abendröte, die ihr Haar noch mehr glühen ließ, davon. „ Wir sehen uns morgen Sev! Ich komm schon zu spät zum Abendessen." „ Ich freue mich dich zu sehen Lily. Ich werde hier auf dich warten!" Lange schaute Severus ihr nach, bis sie nicht mehr zu sehen war. Nochmals tastete er nach der Blumenkette in seinem Haar und nahm diese in beide Hände. Jemand hatte ihm zum ersten Mal etwas geschenkt.

„Mr. Snape, hören Sie mir nicht zu?" Die etwas gereizte Frauenstimme holte Severus abrupt aus seinem Tagtraum. Verwirrt schüttelte er den Kopf und sah die Frau an. „Entschuldigen Sie, ich habe gerade über etwas nachgedacht. Wiederholen Sie nochmal, was Sie gesagt haben?" Eileen stand auf und hielt die um ihren Körper gewickelte Decke fest in ihren Händen. „ Ich kann mich wohl nicht wehren und scheinbar auch nicht für mich selbst bestimmen, wohin ich gehe, aber ich brauche dringend noch ein paar Sachen aus meiner Wohnung in London. Ich kann ja kaum ohne irgendwelche Anziehsachen verreisen, wenn ich schon monatelang weg muss, will ich auch meine persönlichen Gegenstände mitnehmen." Ihr Blick lag entschlossen und unüberzeugbar auf den Professor, welcher sich erhob und ein paar Schritte bis zur Wohnzimmertür ging. „Sie haben Recht. Wir müssen ihn Wohl oder Übel ein paar Umhänge und Requisiten besorgen. Ich schlage vor, dass ich Sie morgen zur Winkelgasse begleite, wo sie die nötigsten Dinge kaufen können. Bevor Sie fragen- die Winkelgasse ist eine Einkaufsstraße für Magier, ich wüsste nicht das je ein Muggel, entschuldigen Sie, Nicht-Magier, sie je betreten hat, also verhalten Sie sich bitte unauffällig und stellen Sie keine zu offensichtlichen Fragen." Eileen ließ sich wieder auf das Sofa nieder. „Und mit welchem Geld soll ich das bitte bezahlen? Ich muss wirklich noch Dinge aus London abholen und Menschen Bescheid geben, dass ich verreise. Wissen Sie, ich habe noch ein Leben außerhalb von den ganzen Geschehnissen." Severus nickte, drehte sich um und blieb, bevor er den Raum verließ noch kurz im Türrahmen stehen. „Miss Bloomfield, im Obergeschoss des Hauses gibt es direkt in der Tür links ein Gästezimmer. Dort können Sie sich zurückziehen und die Nacht schlafen. Wir werden morgen früh gegen acht Uhr aufbrechen und bevor wir nach Hogwarts fahren Ihrer Wohnung in London einen Besuch abstatten. Nur kurz und nur für das Nötigste. Sie werden keinen Menschen kontaktieren, Sie müssen für Verschwunden und Tod gehalten werden. Ich hoffe sehr für Sie, dass Sie das verstehen." Mit diesen Worten verließ Severus das Zimmer und eilte in sein Tränkelabor, die Frau hingegen saß noch einige Minuten vor dem Feuer und ließ sich ihr weiteres Schicksal durch den Kopf gehen. Später hörte Severus, wie Eileen die Treppe hoch ging und die Tür hinter sich unsanft schloss. Seine Gedanken kreisten um den Potter-Bengel und das anstehende Schuljahr. Nun musste er sich um zwei Personen kümmern, obwohl er doch schon genug Risiken durch die Spionage in Kauf nehmen musste. Viel Zeit für die Frau würde er nicht aufbringen können, jedoch wollte er die Autorität des Schulleiters nicht untergraben und fügte sich. Wäre dieser Tag nicht so ereignisreich gewesen, hätte er sich an diesem Abend vorgenommen seinen Tränkevorrat für Hogwarts etwas aufzufrischen und Veritaserum, sowie einige Aufputschtränke zu brauen. Mit einem Schwung öffnete Severus mit seinem Zauberstab den verschlossenen Zutatenschrank und begab sich bis spät in die Nacht daran, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Erst sehr spät füllte er das letzte Glas mit dem Aufputschmittel und begab sich in sein Schlafzimmer. Als er den oberen Flur erreichte, hielt er kurz inne und lauschte an der Tür des Gästezimmers. Er hörte ein leises Schluchzen und trauriges Wimmern und schloss daraus, dass Eileen wohl weinen musste. Seine Hand griff zur Türklinke, jedoch entschied er sich in letzter Sekunde anders und überließ Eileen allein ihren Gefühlen. Es war wohl besser so, dachte er und ging stattdessen in sein Schlafzimmer. Als er sich auf das Bett setzte viel sein Blick auf die Schublade seines Nachttischschrankes. Er öffnete die Schublade und nahm ein Couvert hinaus. Nachdem er es ebenfalls öffnete hielt er ein Stück von einem Foto in der einen Hand und eine Kette aus getrockneten Gänseblümchen in der anderen. Dieser Teil des Fotos zeigte eine junge rothaarige Frau mit erröteten Wangen und ein Teil von einem Kinderbesen. Sie lächelte herzlich und hatte die Hände auf ihren Schoß gelegt. Severus stellte sich vor, dass das Lächeln ihm galt und sie nur ihn anlächeln würde. Ihre Stimme im Kopf und der Geruch ihres Haares in seiner Nase. „ Lily, ich vermisse dich." Mit diesen Worten steckte er seine Erinnerungen zurück in den Umschlag, verschloss die Schublade und löschte mit einem Schwung seines Zauberstabs das Licht in seinem Zimmer. Die Nacht würde früh um sein.

Severus Snape- Die ProphezeiungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt