#17 | Truth | ~ Ich dachte immer, ich wäre dir gleichgültig.

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Manu

15:42

Seit Gestern hatte ich mit Peter nicht ein Wort mehr gewechselt. Im Nachhinein wünschte ich mir, dass ich geschwiegen hätte. Leider kann ich das jetzt nicht mehr rückgängig machen.

In letzter Zeit stellte ich mir oft die Frage, was meine restliche Familie wohl in diesem Augenblick jetzt macht. Ob sie an mich denkt oder mich vermisst. Sie melden sich nicht. Wahrscheinlich haben sie mich aufgegeben, sowie ich mich selbst.

Mit trockenen Augen beobachtete ich meine Hände, welche zusammengelegt auf meinem Schoß lagen und leicht zitterten. So ist es immer, nachdem ich meine Medikamente einnehme. Der Arzt meinte, es wäre normal, da es mehrere Tabletten auf einmal sind und sie alle gleichzeitig in meine Blutbahn geraten. Es ist nervig.

Peter und Dani waren arbeiten, weswegen mich grauenvolle Langeweile plagte. Ich wollte nicht ins Internet, weil ich wusste, wie sie sich dort über mich das Maul zerreißen.

Sonst unternahm ich immer was mit Peter oder Dani, um mich abzulenken, doch sobald ich allein bin, schleichen sich grauenvolle Gedanken in meinen Kopf und versuchen mir ganz langsam meinen Verstand zu benebeln. Ich kann mich nicht wehren.

Und nun sind sie wieder da. Kommen und machen ihre Arbeit.

Das stumpfe Klingeln, der Wohnungstür, vertrieb sie dann letztendlich.

Sollte ich aufmachen? Eigentlich eine dumme Idee, aber um diese schreckliche Langeweile zu umgehen, bin ich auch bereit, etwas Dummes zu tun.

Also stand ich auf und drückte auf die Sprechanlage, um zu überprüfen, ob es jemand ist, den ich kenne oder nicht. "Hallo?"

Erst war nur ein erleichtertes Seufzen zu hören und dann eine männliche Stimme: "Du Hurensohn, mach' die Tür auf!"

Schon beim ersten Wort, wusste ich, zu wem diese Stimme gehört. Meinem fünf Jahre älteren Bruder, auch Sebastian genannt.

Ich hätte mit jedem gerechnet, aber nicht mit ihm.

Trotzdem interessierte es mich, was er hier wollte und betätigte deshalb den Knopf, um damit die untere Eingangstür zu öffnen.

Danach zog ich die Haustür auf, lehnte mich an den Türrahmen und wartete.

Es dauerte nicht lange, bis er dann endlich vor mir stand. Seine Haare sind, seitdem ich ihn das letzte mal sah, noch kürzer geworden. Sein Blick war starr auf mich gerichtet und ich konnte nicht deuten, wie er wohl gerade drauf war. Würde er mich jetzt anschreien?

"Wat willst du hier, Sebastian?"

Ein Grinsen schlich sich auf seine Lippen. "Freu' dich doch mal mich zu sehen, kleiner Bruder. Ich bin einzig und allein wegen dir hier. Ich muss mit dir reden. Das ist schon lange überfällig."

Ich zuckte leicht zusammen.
Ich hatte nie auf seine Anfragen geantwortet. Nicht auf die Frage, ob wir etwas zusammen zocken wollen und auch nicht auf die, ob wir uns treffen könnten, um zu sprechen. Ich hatte Angst.

Mit den Worten: "Komm rein.", ließ ich ihn im Hausflur stehen und begab mich wieder ins Wohnzimmer und setzte mich zurück auf die Couch.

Er folgte mir und stand sofort wieder vor meiner Nase.

"So und jetzt redest du mal Klartext mit mir, kapiert?!" Er schaute mich eindringlich an.

"Wenns sein muss. Was willst du wissen?", gab ich genervt zurück.

"Ich will dich verstehen. Was war die letzten Monate los? Warum machst du dein scheiß Mainstream Zeug nicht mehr auf YouTube? Hast dich doch auch so schön eingeschleimt. Hat gut geklappt, bist jetzt einer der ganz Großen!", seine abfällige Tonlage klang so, als würde er mich mit seinen Worten, töten wollen.

GLPaddl: | Liar | ~ Könnte ich dich hassen?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt