#16 | Rage | ~ Das ist vollkommen irrelevant.

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Manu

Meine Gedanken sind leer. Ich kann kaum noch klar sehen. Es scheint so, als würde mein Leben nur noch in Schwarz - Weiß existieren. Mein Gefühl ist praktisch tot.

Und so starrte ich weiter in die Morgensonne, welche mir einen neuen fucking Tag bescheren würde. Ich spürte die Wärme auf meiner Haut, aber empfand sie als unangenehm.

Die Zeit, in der ich praktisch auf der Straße lebte, hatte mir wenigstens einen guten Grund gegeben, mich anzustrengen. Ich musste überleben, ohne Hilfe. Aber wofür? Wofür soll ich leben? Um mit 40 an meinen Krankheiten zu verrecken? Ich wusste nicht wofür ich leben sollte, aber habe trotzdem ums Überleben gekämpft.

In meinem Herzen empfinde ich Schmerz. Schon immer. Ich bin kein Sonderfall. Jeder Mensch trägt den ein oder anderen Funken Schmerz in sich. Egal, unter welchen Umständen man lebt oder behandelt wird. Selbst die stinkreichsten Kinder, die alles vor die Füße gelegt bekommen, tragen Schmerz in sich. Darum sollte ich nicht jammern.

Seitdem ich hier bin, habe ich keinen Grund mehr, mich anzustrengen, geschweige denn zu leben. Ich hasse einfach alles, bis auf winzig, kleine Ausnahmen.

Das einzige, worauf ich mich jeden verdammten Tag aufs Neue freue, sind die Nächte. Manchmal komm' ich mir wie ein Kind vor, wenn ich bei Peter liege und mich wie ein Weib an ihn klammere. Nur ist es zu schön.

Ein Seufzen entwich mir und ich verließ den Balkon. Ich vernahm Peters Schritte, drehte mich um und konnte ihn sogleich vor mir stehen sehen.

10:24

Nach dem Frühstück kam mein Bruder zu mir und zog mich in eine innige Umarmung. Ich wusste nicht, warum er das tat, doch ich ließ ihn machen und erwiderte die Umarmung.

Sowas bin ich nicht gewöhnt. Vor allem nicht von Peter.

Er flüsterte mir leise, aber trotzdem verständlich zu. "Ich muss jetzt mit dir sprechen, Manu. Keine Ausreden. Ich will, dass wir das jetzt ein für alle mal klären, okay?"

Als Antwort nickte ich stumm und setzte mich wieder auf meinen Stuhl. Ich sah ihn trocken an, ohne einmal meine Miene zu verziehen.

Er setzte sich mir gegenüber und sah mir gefährlich tief in die Augen. Dies verunsicherte mich sichtlich. Schnell wendete ich meinen Blick zur Seite, um ihm nicht mehr in die Augen schauen zu müssen.

Der Schwarzhaarige seufzte und fing an zu sprechen: "Wie geht es dir?"

Ich antwortete: "Weiß ich nicht."

"Warum bist du abgehauen?"

Wieder die gleiche Antwort: "Ich weiß es nicht."

Nun stand er auf und knallte die Hände auf die dunkle Tischplatte. "MANU, JETZT SAG' MIR VERDAMMT NOCHMAL, WAS ICH WISSEN WILL!"

Sein Tonfall ließ mich zusammenzucken. Meine Augen verrieten jedoch keine Gefühle. Ich sah zu Boden und hoffte inständig, dass er aufgeben würde, doch leider war er und kein anderer vor mir.

Mit seinen dunkelbraunen, ja fast schon schon
schwarzen Augen durchlöcherte er mich, als würde er aus mir einen Löcherkäse machen wollen.

Fünf Minuten vergingen und er starrte mich immer noch an. Ich musste etwas sagen. Ich hielt seinem Blick nicht mehr stand.

Mit leiser Stimme meldete ich mich nun zu Wort, es sollte ein Ende haben. "Ich habe nicht gelogen, ich weiß wirklich nicht, wie es mir momentan geht. Ich kann das nicht einschätzen. Aber ich kann dir sagen, warum ich abgehauen bin." Ich stoppte und kaute nervös auf meiner Unterlippe herum.

GLPaddl: | Liar | ~ Könnte ich dich hassen?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt