thirty five

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Ich griff nach einer Jacke, hing sie mir über und drehte mich zu Erik, der die Haustür mittlerweile geöffnet hatte und mich mit großen, glänzend-grünen Augen ansah. Mein Blick wanderte über ihn, er trug eine enge, schwarze Jeans und ein weißes Hemd, das er an den Ärmeln etwas hoch gezogen hatte. Seine dunkelblonden Haare lagen perfekt und sein wunderschönes Lächeln lag auf seinen Lippen. Wow. "Du bist so wunderschön, Becca.", flüsterte Erik, als er nach meiner Hand griff. Sofort bildete sich auf meinem Gesicht ein fast schon schüchternes Lächeln. Ich wollte ihm sagen, dass er ebenfalls verdammt gut aussah, wurde aber vorher in einen liebevollen Kuss gezogen. Wenige Sekunden später befand ich mich in seinem Auto, auf dem Beifahrersitz und schaute wie gespannt aus der Frontscheibe. Ich versuchte vorher schon auszumachen, wo er mich hinbringen wollte.
Wie gesagt: Für Überraschungen war ich nicht wirklich zu gebrauchen.

Die Zeit schien noch immer nicht zu vergehen. Ich saß gefühlte Stunden im Auto und schaute aus dem Fenster, bis ich es letztendlich aufgab und mich entspannt zurückfallen ließ. Das warme Material machte es mir nicht ganz so schwer, in einem Kleid mitte Oktober herumzulaufen. Mein Blick ruhte auf Erik, bis das Auto plötzlich anhielt. Er wendete sich mir zu, seine Augen trafen wieder auf meine, was in mir ein unglaubliches Kribbeln auslöste. Ohne ein Wort zu sagen, schnallte er sich ab, stieg aus dem Wagen und joggte wie selbstverständlich um das Auto, nur um mir die Tür aufzuhalten. Grinsend schnallte ich mich ebenfalls ab und trat auf den Asphalt. Der Wind bließ um meinen Körper, ließ mich erzittern, weswegen Erik einen Arm um mich legte und mich näher zu sich zog. Erst jetzt fiel mein Blick auf das große, edele Haus. Die vier, weißen Säulen geschmückt mit Lichterketten, die vielen Rosensträucher perfekt angeordnet. Selbst die weiße Fassade strahlte förmlich. Oh verdammt, das sah teuer aus.

Erik führte mich zum Eingang, vor dem wir von einem Mann in Anzug begrüßt wurden. Die dunklen Haare wurden perfekt nach hinten gegeelt, seine Hände steckten in weißen Handschuhen. "Herr und Frau Durm, dürfte ich Sie an ihren Tisch begleiten?" Unfähig etwas zu sagen, mit leicht geöffnetem Mund, starrte ich den Mann an, der auf das Ja meiner Begleitung reagierte. Er stieß die Tür auf, woraufhin wir ihm hinterher gingen. Meine Augen streiften über die vielen, wunderschön gedeckten Tische. Die Menschen steckten alle in Anzügen oder teuren Kleidern. Mit geraden Rücken aßen sie etwas von ihrer Suppe oder ihrem Hummer. Das hier war definitiv zu teuer.

Ich wollte zu Erik etwas sagen, was ich allerdings wieder vergaß, als der Mann stehen blieb. An einem Tisch, der für sechs Personen reserviert wurde. Verwirrt schaute ich zu Erik, der mich allerdings keines Blickes würdigte. Er bedankte sich bei dem Mann, bevor er nach einem Stuhl griff und mir deutete, dass ich mich hinsetzen sollte. Eigentlich wollte ich ihn zuerst fragen, ob da nicht eine Verwechslung vorliegen würde, allerdings wusste ich, dass das in Anwesenheit von so vielen, eingebildeten und abgehobenen Leuten nicht in Frage käme. Also ließ ich mich auf den Stuhl fallen und wartete, bis Erik ebenfalls Platz gefunden hatte. "Ist das hier nicht irgendwie eine Verwechslung? Wir sind zu zweit und nicht zu sechst.", flüsterte ich meinem Freund zu. Ich war mir sicher, dass er meine Verwirrung aus meiner Stimme erkennen konnte.

"Nein, das ist schon richt-" Bevor er seinen Satz beenden konnte, lenkte etwas - oder viel mehr jemand - meine Aufmerksamkeit auf sich. Für einen Moment schien es, das mein Herz aufhören würde zu schlagen, als die bekannten, blonden Haare auftauchten. Das so familiäre Gesicht trat in den Vordergrund und ließ einen Schauder über meinen Rücken laufen. Wut tauchte in mir auf, die sich definitiv gegen Erik richtete. Wie konnte er nur? Ohne mir Bescheid zu geben?

Mir war klar, dass ich hier keine Szene veranstalten sollte. Die vielen Leute hier waren einflussreich, vielleicht lebten sie sogar von den Medien. Ich war mir ziemlich sicher, dass alle Erik kannten. Wie also würde es ankommen, wenn seine Begleitung aus dem Restaurant rennt und ihn alleine zurück lässt? Wohl eher nicht so gut. Wir würden über viele Bildschirme flackern. Meine Aufgabe war es jetzt, Ruhe zu bewahren, auch wenn ich wirklich gerne aufgesprungen wäre. "Hallo Rebecca." Die Stimme der Frau, die ich im normal Fall wirklich gerne in meinem Leben haben sollte, drang an mein Ohr. Mein Blick wanderte zu ihrer Begleitung. Es war nicht mein Vater, sondern der junge Mann, mit dem sie eine neue Familie gegründet hatte. Wie schön.

Ohne ein Wort zu sagen schaute ich zu Erik. Er legte seine Hand auf meine, allerdings zog ich meine Hand sofort weg. Er sollte nicht auf 'alles ist gut' machen. Ich war sauer. Er wusste genau, dass ich mit meiner Familie nichts zu tun haben wollte, fädelte allerdings auf eine miese Phase ein Treffen ein. Warum? "Hi." Meine Stimme war kalt, als ich beobachtete, wie sie sich mir gegenüber fallen ließ. Ihr Lover direkt neben ihr. "Was willst du hier?"

"Ich will nur nach dir schauen und wissen, ob du hier alleine zurecht kommst." Es schien ihr fast schon unangenehm zu sein, so vor mir zu reden. Aber sie hatte sich die Suppe selbst eingebrockt - sie konnte sie auch wieder alleine auslöffeln. "Wie geht's dir?"

"Hat dich sonst auch nicht interessiert." Ich wendete meinen Blick von ihr ab, hatte viel mehr das Bedürfnis dazu, mich im Raum umzuschauen. Allerdings galt meine Aufmerksamkeit nur der Tür. Hier war noch Platz für zwei weitere Personen und ich wollte wissen, wer mich als nächstes überraschen wollte. In meinen Gedanken sah ich schon, wie mein Vater durch die Tür getreten kam, mit einer neuen Flamme. Gänsehaut bildete sich auf meinem Körper.
Wenn er kommen sollte, würde ich gehen - darauf konnte sich Erik verlassen.

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