Kapitel 3

76 6 4
                                    

Die Mädchen landeten hart auf sandigem Boden.
"Aua, Emma, könntest du mich vielleicht freundlicherweise loslassen, du zerquetscht mir noch den Arm." Hastig ließ Emma von Leahs Arm ab und murmelte ein leises 'Entschuldigung'. Marilyn richtete sich als erste wieder auf, rieb sich das Bein und schaute sich um. Um sie herum gab es kein Gras, keine Sträucher, keine Bäume, nirgens Vegetation. Überall nur diesen beigen Sandboden. Aber dann bemerkte sie etwas. Sie blinzelte gegen das Sonnenlicht und sah ein helles Gebäude. Vielleicht gab es außer ihnen doch noch jemanden in dieser trostlosen Einöde.
Inzwischen hatte sich auch Leah wieder aufgerappelt. Susan kniete neben Emma und hielt ihre Hand. "Sue mir ist schlecht." Behutsam rieb sie sich über den Bauch. "Wo sind wir hier bloß gelandet?"
"Ich weiß es nicht, aber das klärt sich schon alles, wirst sehen." Aufmunternd blickte sie Emma an und half ihr dann, ebenfalls aufzustehen.

"Ah, es hat funktioniert. Ich gestehe, ich war nicht zu hundert Prozent sicher, ob es klappen würde." Mit diesen Worten tauchte ein hochgewachsener, sehr blasser Mann, mit kurzem weißem Haar auf. Er war vielleicht 35 Jahre alt und wirkte sehr athletisch. Hervorstechenstes Merkmal waren jedoch zwei Adern, die dunkel unter seinem bleichen Gesicht hervorschimmerten, was ihm einen mystischen Ausdruck verlieh. Sie begannen an seinen Schläfen, verliefen seitlich der nachthimmelblauen Augen und verjüngten sich schließlich in Richtung Kinn.
Die Vier starrten ihn nur an.
Er dagegen lächelte offen: "Schön, dass ihr hier seid."
"Aha, und wo ist 'hier'?", fragte Marilyn, die offenbar als erste ihre Sprache wiedergefunden hatte.
"Ihr befindet euch auf Tiran-V. Einem Planet im Irion System."
"Der Kerl tickt doch nich richtig.", raunte Leah. "Los, lasst uns abhauen!"
Mittlerweile hatten sich alle etwas gesammelt. Die Irritation musste ihnen deutlich anzusehen sein und trotzdem wahrte der Fremde sein Lächeln. Vielleicht auch, weil er Leahs Worte nicht gehört hatte.
"Und wer sind Sie, wenn man das fragen darf", äußerste sich nun auch Emma, wenn auch sehr zögerlich.
"Oh, wie peinlich! Jetzt hab ich vor lauter Aufregung vergessen mich vorzustellen." Er machte eine leichte Verbeugung. "Mein Name ist Ir Neret und von heute an bin ich euer Mentor."
"W-was...", wollte Susan ansetzen, doch da platzte Leah endgültig der Kragen: "So Freundchen, vielleicht findest du das alles hier ja wahnsinnig witzig, aber du sagst uns jetz' sofort, was hier gespielt wird. Klar, Spaßvogel?"
Leah war ein paar Schritte auf ihn zugegangen und funkelte ihn wütend an. Trotzalledem machte der Mann keine Anstalten zurückzuweichen. Lediglich das Lächeln verschwandt. "Bitte beruhige dich Leah, aber du..." "Woher kennen Sie meinen Namen?", Leahs Wut war Unsicherheit und Irritation gewichen.
"Ihr solltet vielleicht alle mitkommen, dann erkläre ich euch alles." Schuldbewusst kratzte er sich am Kopf. "Ich denke, ich habe euch etwas überfordert."
"Sie glauben doch wohl nich', dass wir uns darauf einlassen?", platzte es aus Leah heraus. Doch Susan berührte sie leicht am Arm. "Lass es gut sein. Ich denke, wir sollten ihm folgen." Sie wusste selbst nicht wieso, aber sie vertraute diesem Mann. Instinktiv glaubte sie ihm, wusste, dass er recht hatte und sie tatsächlich nicht mehr auf der Erde waren.
"Susan bist du völlig übergeschnappt?" Leah schüttelte energisch die Hand ihrer Freundin von ihrem Arm.
"Wir sollten mit ihm gehen", sagte nun auch Marilyn und klang dabei ruhig und überzeugt. Leah konnte die beiden nur fassungslos anstarren, als ihr jedoch auch noch Emma bestätigend zunickte, gab sie ihren Wiederstand auf. "Na gut. Aber sagt am Ende nich', ich hätte euch nich' gewarnt."
Die Miene des Fremden hatte sich während Leahs Ausbruch kaum verändert, jedoch schien er jetz etwas bestätigt zu wissen.
Er drehte sich um und fing an in gemäßigtem Tempo auf das weiße Gebäude zuzugehen. Dabei wippte sein langes helles Gewand bei jedem Schritt.
Die Mädchen folgten ihm, zuerst Susan, dann Marilyn, danach Emma und zum Schluss Leah, die immer noch reichlich skeptisch dreinblickte.

Nach einigen Minuten, in denen jedes der Mädchen eigenen Gedanken nachgehangen hatte, erreichten sie das Gebäude. Es war dreistöckig und hochmodern. Die Eingangstür schob sich automatisch zur Seite, als der Mann, der sich als Ir Neret vorgestellt hatte, nahe genug war.
Sie liefen einen breiten, hell erleuchteten Flur entlang, von dem verschiedene Gänge abgingen und immer wieder Türen in neue Räume führten. Niemand sagte etwas.
Schließlich erreichten sie einen großen Raum. Er war genauso hell, wie der Rest des Baus und ebenso voller Technik.
In der Mitte stand ein großer runder Tisch mit einem merkwürdigen länglichen Rechteck im Zentrum und zehn Stühlen. Alles in weiß.
Ir Neret nahm auf einem der Stühle Platz und bedeutete den Mädchen, es ihm gleichzutun.
Er atmete einmal tief ein: " Ich bin nicht sicher, womit genau ich anfangen soll, ich musste das bis jetzt noch nie erklären."
Er machte eine kurze Pause und blickte dann jeder ernst in die Augen. "Ihr seid Guardians. Ihr wurdet auserwählt, die dreiundzwanzig Planeten von Irion vor allem Unheil zu beschützen und Frieden und Sicherheit zu wahren."
Er stoppte und wartete auf eine Reaktion, doch Leah verzog lediglich eine Augenbraue.
Ir Neret streckte seine Hand aus und drückte einige Knöpfe an diesem eigenartigen Metallrechteck und plötzlich erschien eine holografische Projektion.
"Vor vielen hundert Jahren schlossen sich einige Planeten zu einer Gemeinschaft zusammen und nannten sie Irion." Die Projektion folgte seinen Worten und zeigte vier verschiedene Planeten, jubelnde Menschenmassen und offensichtlich bedeutende Würdenträger, die einander die Hand reichten.
"Dieses Bündnis hatte wirtschaftlichen und sozialen Austausch, aber natürlich auch gegenseitigen Schutz zum Ziel. Nach und nach traten immer mehr Planten und Planetensysteme bei und sind heute das moderne Irion." Wieder veränderte sich das Bild vor ihnen und zeigte nun eben diese dreiundzwanzig Planeten.
"Diese Station hier wurde erbaut, um Wesen wie euch zu trainieren. In jeder Generation tauchen vier Personen auf, die anders sind als alle anderen, denen Großes bestimmt ist." Er blickte sie alle nacheinander an. "Diesmal seid ihr das. Die Steine von Ca'Tei verraten die Auserwählten, wir wissen selbst nicht wie." Nocheinmal veränderte sich das Bild und sie sahen eine Art Grotte, in der vier riesenhafte Steine wie Obelisken in die Höhe ragten, umgeben von sprudelnden Wasserquellen. Dann flackerte der Bildschirm kurz auf und die Projektion verschwand.
"Doch diesmal ist etwas anders. Diesmal stammen die vier Beschützer nicht aus den verschiedensten Ecken des Systems, sondern alle von einem Planeten, noch dazu von der Erde.
Das ist eine Sensation und noch dazu ein Rätsel. Für mich und mein Team und vorallem für ganz Irion. Dass zukünftige Beschützer nicht aus der Union stammen, ist schon vorgekommen, aber die Erde gehört nichteinmal zu unserem Universum. So etwas hat es zuvor noch nie gegeben. Wie ich schon sagte, das ist eine Sensation." Während der letzten Sätze war die Aufregung des Mannes immer größer geworden und unwillkürlich dachte Emma an ein kleines Kind, dass es nicht mehr abwarten kann sein Weihnachtsgeschenk auszupacken.
Die vier Mädchen hatten schweigend zugehört, jede versuchte zu verstehen, was dieser Fremde ihnen gerade erzählt hatte. Doch nach einer kurzen Pause meldete sich Susan zu Wort: "Was bedeutet 'Guardian' und wie sollen wir denn so viele Planeten beschützen? Wir sind doch nur ganz normale Menschen." Emma nickte bekräftigend, Marilyn ebenfalls, Leah verschränkte nur die Arme vor der Brust.
"Aber eben das seid ihr von nun an nicht mehr. Du hast natürlich recht. So, wie ihr jetzt seid, wärt ihr nicht in der Lage die Aufgaben zu erfüllen, die vor euch liegen." Seine förmliche Vorfreude verschwand und stattdessen guckte er sie ernsthaft an. "Deswegen werdet ihr neue Kräfte erhalten, magische Kräfte. Jede von euch hat ein vorbestimntes Element, die Veranlagung war schon immer da, aber von nun an werdet ihr zu Ungeahntem fähig sein."
"Element?", fragte Marilyn. "So wie Feuer, Luft, Erde und Wasser?"
"Ganz genau. Von nun an werden euch die Elemente leiten."

GuardiansWo Geschichten leben. Entdecke jetzt