"Ich. Ich möchte zuerst vortreten."
Es war, als hätte Marilyn nur auf diese Frage gewartet. Sie klang sicher und selbstbewusst. In ihrem Blick lag Entschlossenheit.
"Na gut, dann tritt vor."
Leah ging zur Seite, damit Marilyn durchkam. Dann stand sie vor Ir Neret, ihre Augen jedoch waren erwartungsvoll auf den steinernen Altar gerichtet.
"Du wirst auf den Stein zugehen und deinen Arm ausstrecken. Daraufhin wird sich ein Kristall aus der Verankerung lösen und in deine geöffnete Handfläche schweben. Er wird in deine Haut eindringen. Das wird wehtun, aber nur für den Augenblick, danach wirst du es nicht mehr spüren."
Emma verzog das Gesicht und massierte ihre rechte Handfläche. Ihr gefiel die Vorstellung gar nicht, dass sich einer dieser Kristall in ihre Haut bohren würde.
Doch Marilyn schien gänzlich unbeeindruckt. Zielstrebig ging sie die drei Schritte auf den Altar zu und streckte den linken Arm aus. Rautenförmig angeornet lagen dort die vier Kristalle. Sie waren seckseckig, ungefähr zweieinhalb Zentimeter groß und nach oben und unten spitz zulaufend.
Der dunkelblaue unter ihnen erhob sich und schwebte ihr entgegen.
Sie schloss die Augen und spürte einen heftigen Schmerz, als der Stein in ihre Haut eindrang. Doch sie verzog keine Miene, zuckte nicht zusammen, sondern empfing den Schmerz als Freund, hieß ihn in ihrem Körper willkommen.
Dann drehte sie sich um und zeigte den anderen ihre Handfläche.
"Marilyn Davis, von nun an bist du die Hüterin des Wassers. Regen und Meer werden deinem Willen gehorchen." Ir Neret kniete vor ihr und neigte den Kopf. "Auf dass die Götter dich schützen mögen." Dann erhob er sich und trat wieder neben den Altar.
Marilyn ging zurück zu den anderen und spürte, dass sich etwas elementares verändert hatte. Sie konnte nicht genau sagen was, aber sie spürte es in jeder ihrer Zellen.
Susan sah sie an und mit einem tiefen Atemzug trat sie vor und ging ebenfalls auf den Altar zu. Sie streckte den rechten Arm über die restlichen drei Kristalle und der orangerote unter ihnen schwebte ihr entgegen. Sie nahm ihn in sich auf und ein gänzlich unbekanntes Gefühl überkam sie.
"Susan Abbott, von nun an bist du die Hüterin des Feuers. Lodernde Flammen werden deinem Willen gehorchen."
Wieder ging er auf die Knie. "Auf dass die Götter dich schützen mögen."
Als Susan wieder bei ihnen war, blickte Leah zu Emma und sah die Unsicherheit in ihren Augen. Verdammt, sie wollte das doch eigentlich gar nicht. Sie könnte jetzt in den Armen irgendeines Typen liegen und nicht irgendwo Lichtjahre weit weg in einem bescheuerten Park stehen.
Sie drehte sich zu Emma und sah, wie ihr Körper ein Zittern überlief und riss sich zusammen.
Ich bin aus einem Grund hier, ich will wissen warum.
Dann lief sie an den anderen vorbei zum Altar. Sie blieb stehen, drehte sich um, streckte den rechten Arm aus und lächelte Emma aufmunternd an.
Als der Schmerz abgeklungen war, besah sie sich ihre Handfläche. Ein hellblauer Kristall schimmerte darin.
"Leah Jameson, von nun an bist du die Hüterin der Lüfte. Sturm und Wind werden deinem Willen gehorchen." Erneut kniete er nieder. "Auf dass die Götter dich schützen mögen."
Während Leah zurückging, fragte sie sich nicht zum ersten Mal in den letzen fünf Minuten welche Götter er eigentlich meinte.
Emma wusste, dass es für sie jetzt Zeit war vorzutreten. Sie war unsicher und ein kleines bisschen ängstlich, dann aber dachte sie an all die Menschen, denen sie helfen würde und tat die entscheidenden Schritte vor zum Altar. Bevor sie jedoch den Arm ausstrecken konnte, bemerkte sie etwas.
"Sagten sie nicht rot, dunkelblau, hellblau und braun? Wieso ist der hier dann grün?"
Ir Neret blinzelte einmal. "Wie bitte?" Mit einem Schritt stand er neben ihr und erblickte den smaragtgrünen Edelstein. Dann lächelte er.
Jetzt ergibt alles Sinn.
"Es scheint als hätten sich die Steine für eine kleine Planänderung entschieden. Die Erde ist das vielfältigste unter den Elementen. Es gibt verschiedene Variationen: Holz, Sand, Pflanze und Gestein." Er lächelte sie beruhigend an. "Ich verstehe, dass sich der Kristall umentschieden hat. Zu jemandem, der so sanftmütig ist wie du, passen die Pflanzen besser."
Damit trat er einen Schritt zurück und Emma öffnete zaghaft ihre rechte Hand. Und zuckte zusammen. Man, tat das weh, aber es wurde schnell wieder besser. Sie drehte sich um und lächelte scheu ihren Freundinnen entgegen.
"Emma Marie Riley, von nun an bist du die Hüterin der Erde. Pflanzen und Blumen werden deinem Willen gehorchen." Ein letztes mal kniete er nieder. "Auf dass die Götter auch dich schützen mögen."
Emma ging auf ihren Platz zurück. Sie standen alle in einer Reihe, erst Marilyn, dann Susan, nach ihr Leah und schließlich sie selbst.
"Und nun denkt an euer Element. Denkt an lodernde Flammen, tosende Stürme, prasselnden Regen und blühende Pflanzen. Verbindet euch mit eurem Kristall, spürt seine Energie. Vergesst nicht, der Stein ist lediglich der Katalysator, die Kraft dazu kommt von euch selbst."Susan dachte an die Flamme einer Kerze und fühlte wie plötzlich eine gewaltige Hitze von dem Stein in ihrer Hand ausging. Doch für sie war es nur eine angenehme Wärme, die sich in ihrem Körper ausbreitete.
Marilyn dachte an das Gefühl von prasselndem Regen, der auf ihre Haut fiel und wie sehr sie das Meer liebte.
Emma erinnerte sich daran, wie sie dieses Frühjahr zusammen mit ihren Brüdern Blumen im Garten gepflanzt hatte und konnte den herrlichen Duft der Rosen förmlich riechen.
Leah dagegen starrte auf den Stein. Was verband sie mit Luft? Vielleicht reichte ja schon der Gedanke an eine ihrer Cheerleader-Übungen, bei der sie für einen Moment dachte wirklich zu fliegen.
Und tatsächlich - sie merkte, wie ihre Füße vom Boden abhoben. Sie schwebte!
Umgeben von lodernden Flammen, eingehüllt in rauschende Wellen, in Mitten eines Meers von Blumen und umwirbelt von Sturmwind geschah eine magische Verwandlung.
Von ihren Armen ausgehend und dann über ihren ganzen Körper verschwand ihre Kleidung und wurde durch neue ersetzt.
Dann endete der Zauber, der nur wenige Sekunden gedauert hatte und die Mädchen schauten an sich herunter.
Sie trugen nun alle Westen, dazu weiche eng anliegende Hosen und darüber einen fast bodenlangen Rock, der vorne allerdings nur leicht über die Oberschänkel fiel und am rechten Bein geschlitzt war, damit sie genügend Bewegungsfreiheit hatten. Ihre Füße steckten in halbhohen Schuhen mit kleinem Absatz."Wow!", meinte Emma nur und hob mit der Hand leicht den Rock, um ihn danach wieder fallen zu lassen.
"Ok, ja, das is' echt nich' schlecht. Sogar richtig hübsch.", befand nun auch Leah und musterte sich nochmals von oben bis unten. "'Nen Spiegel hab'n sie hier nich' zufällig, oder?" Sie schaute in Ir Nerets Richtung, der sie die ganze Zeit nur aufmerksam beobachtet hatte.
"Du könntest dich drinnen komplett anschauen, aber mach das doch bitte erst nachher."
Daraufhin hob Leah die Hand als wolle sie 'okay' sagen und ließ sie dann wieder fallen.
Ir Neret räusperte sich und schaute die vier ernst an.
"Mit der Vereinigung mit eurem Element-Kristall habt ihr den letzten entscheiden Schritt getan. Von nun an seid ihr Irions neue Hoffnung auf Frieden und Stabilität, ein unparteiischer Machtfaktor innerhalb der Union und weit über ihre Grenzen hinaus. Ihr seid ab diesem Moment Guardians."
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Guardians
ParanormalDie vier Freundinnen Susan, Emma, Leah und Marilyn haben mit den alltäglichen Problemen typischer Jugendlicher zu kämpfen, als ein Ereignis ihr Leben schlagartig verändert... Sie werden zu Guardians, zu Beschützern der Welten. Ausgestattet mit der K...