"Also das mit den fünf Sekunden is' ja ne super Idee, aber das nächste Mal hätt' ich gerne 'ne Vorwarnung zur Vorwarnung." Leah zeigte anklagend auf die offene Flasche Wasser in ihrer rechten Hand. "Dann kann ich das nächste Mal mein Zeug noch wegstel-, Moment mal, wer sind Sie denn?" Leahs Ärger wich sichtbarer Irritation und Marilyn rollte angesichts ihrer plumpen Frage die Augen.
Die Frau, die ungefähr genauso groß war wie Susan und den Mädchen nun gegenüberstand, lächelte leicht und schien Leah ihre unglückliche Formulierung nicht übel zu nehmen. Sie hatte eigenartigerweise bordeuxrotes Haar und ein seltsames Muster zog sich über die linke Hälfte ihres Gesichts, das eine fremdartige Faszination auf Marilyn ausübte. Und anscheinend nicht nur auf sie. "Sind das Tatoos?", fragte Emma ein wenig schüchtern und schon wieder hätte Marilyn mit den Augen rollen können, obwohl es sie genauso interessierte.
Die Frau setzte zum Reden an, was Susan jedoch nicht bemerkt zu haben schien. Stattdessen warf sie Leah und Emma einen mahnenden Blick zu. "Jetzt lasst sie sich doch erstmal vorstellen, bevor ihr sie so überfallt. Also wirklich, was soll sie denn von uns denken?"
Marilyn verkniff sich sichtlich das 'Ja, das frage ich mich auch' und beobachtete stattdessen wie das feine Lächeln der Frau zu einem breiten Grinsen wurde.
"Nein Name ist Rikal und nein, Emma, das sind keine Tatoos. Ich bin Baranerin, solche dunklen Muster auf der Haut sind da völlig normal."
Emma war deutlich irritiert und wollte etwas sagen aber-
"Warum zur Hölle weiß hier eigentlich jeder wer wir sind? Kann mir das mal wer erklären?" Leah verschränkte trotzig die Arme und Rikal zeigte ihre makellosen Zähne als sie anfing kurz und dunkel zu lachen. "Ihr seid die Guardians, euch kennt in Irion bald jedes Kind und jetzt schon so ziemlich jede einflussreiche Person. Ihr werdet euch also daran gewöhnen müssen."
"Wir sind...berühmt!?" Leahs Ärger war verpufft, ihre Augen strahlten. "Moment, wie berühmt? So politikermäßig oder richtig wie so'n Popstar?"
Rikal musste noch mehr lachen.
"Bereden wir das doch später. Der Meister wartet schon auf euch."
Damit bedeutete sie den Mädchen den Raum zu verlassen.
Auf dem Weg zur Holo-Station ertönte plötzlich ein dumpfes Surren. Unwillkürlich zuckten die vier Mädchen zusammen, doch Rikal hob nur ungerührt den Arm und schob den langen Ärmel ihres Gewandes zurück. Um ihr schlankes Handgelenk lag ein dünnes dunkelgraues Armband. Kaum hatte sie den Arm in Höhe ihres Kopfes gehoben, ertönte die Stimme des Meisters aus einem kleinen Lautsprecher: "Rikal, hörst du mich?"
"Ja, Meister."
"Gut, es gibt eine kleine Planänderung. Der Rat wünscht dich im Konferenzraum zu sprechen. Zeig den Mädchen einfach den Weg."
"Gut, Meister." Rikal drückte daraufhin einen kleinen Knopf am Rand des Armmbands und trennte so die Verbindung. Dann wandte sie sich zu den Mädchen. "Wie ihr gehört habt, kann ich euch nun nicht mehr zu eurem ersten Element-Training begleiten, aber ich wünsche euch viel Erfolg. Zu den Räumen gelangt ihr, indem ihr diesem Korridor folgt, dann den dritten Gang rechts abbiegt und wieder den vierten links. Der Meister wartet vor den Holo-Räumen auf euch." Damit verbäugte sie sich leicht, drehte sich um und ging gemäßigten Schrittes davon.
"Fandet ihr das Ganze gerade genauso merkwürdig wie ich?", fragte Leah, während die Vier der Beschreibung der Baranerin folgten.
"Ich bin viel zu aufgeregt, um irgendwas irgendwie zu finden", antwortete Susan und tatsächlich merkte Leah erst jetzt, dass die Rothaarige immer wieder ihre Hände an der dunklen Jeans abwischte.
"Ich bin auch ziemlich nervös", meinte dann auch Emma. "Einerseits habe ich ein bisschen Angst, vor dem was passieren wird und auf der anderen Seite freue ich mich darauf. Versteht ihr was ich meine?"
Susan lächelte etwas unsicher "Ja, sehr gut sogar, mir geht es nämlich ganz genau so." Auch Leah nickte. Nur Marilyn schien das Thema nicht zu berühren. Da stupste die Cheerleaderin sie in die Seite. "Hey, willst du nicht vielleicht auch was sagen?"
"Hm, wozu?" Marilyns kühle Antwort ließ Leah nur mit den Schultern zucken. Sie machte eine wegwerfende Handbewegung und murmelte ein 'Ach, egal' und beließ es dabei.
Die letzten Meter liefen sie schweigend, Jede in Gedanken versunken, bis sie schließlich an den Räumen angekommen waren. Der Meister hatte offenbar gute Laune und begrüßte sie freudig. "Na Mädchen, habt ihr gut geschlafen? Wie fühlt ihr euch?"
Leah lächelte: "Darauf wollen Sie doch jetzt keine ehrliche Antwort?"
"Wir sind aufgeregt", ergänzte Susan. "Naja, wir drei vielleicht. Marilyn geht es blendend." Leah zeigte auf die Dunkelhaarige, doch die sagte nichts dazu. "Nun gut", war die Reaktion des Meisters, aber er lächelte verschmitzt dabei. Diesmal bleiben wir alle in einem Raum, damit ich euch alle im Blick habe." Damit ging er zu dem Bedienfeld neben einer der grauen Türen und tippte etwas hinein.
Währenddessen fühlte Susan wieder diese eigenartige Mischung aus Aufregung und Vorfreude und sie war sich sicher, dass es ihren Freundinnen ähnlich gehen musste. Schließlich öffneten sich summend die Türen und nacheinander traten die vier ein, am Ende der Meister selbst. Die Umgebung, in der sie sich nun befanden, war erkennbar in vier Bereiche unterteilt. Der Boden des vordersten Areals bestand aus kleinen ovalen grauen Kieseln durch die sich ein breiter Fluss schlängelte.
Rechts davon verwandelte sich der Steinboden in eine üppige Graslandschaft um anschließend in rotbräunliches Gestein überzugehen, das von dampfenden Rissen durchzogen war. Der letzte Abschnitt war mit hellem feinem Sand bedeckt.
Susan richtete ihren Blick kurz auf ihre Handfläche um dann entschlossen zu dem Areal zu laufen, das unverkennbar mit Feuer zu tun hatte und damit nun auch mit ihr. Marilyn war ebenfalls zielstrebig auf den Fluss zugelaufen.
Ir Neret stellte sich zu Leah und Emma. "Wollt ihr nicht auch auf euer Trainingsfeld gehen?"
Emma wurde rot und lief schnell zu dem ausgedehnten Stück Grün, während Leah den Mund verzog.
"Ja, schon. Aber warum musste es Sand sein? Ich hasse Sand, der is' einfach überall!" Unglücklich betrachtete Leah ihre ordentlich manikürten Fingernägel, was dem Meister nicht entging. Unwillkürlich musste er lauthals lachen, warf dann aber einen entschuldigenden Blick auf die beleidigte Blonde und räusperte sich. "Der Sand dient dazu deine Bewegungen besser verfolgen und koordinieren zu können, aber das siehst du dann schon." Leah guckte irritiert, aber als der Meister ihr zuzwinkerte, beschloss sie, dass es sinnlos war und ging ebenfalls auf ihren Platz."So Mädchen, ich möchte, dass ihr mit eurer Umgebung eins werdet und euch auf euer Element konzentriert.
Dadurch wird es euch wesentlich leichter fallen, es zu aktivieren."Diesmal war es so viel leichter, dieses spezielle Gefühl zu erzeugen, diese Verbundenheit zu einem bis dahin verborgenen Teil seiner selbst herzustellen. Ein Gedanke - eine lodernde Flamme, plätschernder Regen, tosende Winde und leuchtende Blumen - mehr brauchte es nicht, bis wieder diese magische Verwandlung geschah und sie alle vier wieder die Kleidung der Wächter, die Kleidung eines Guardians trugen. Dabei hatte jedes Gewand eine zum entsprechenden Element passende Farbe. Susans hatte einen kräftigen Rotorangeton, Leahs war hellblau, Emmas strahlte in sattem Blattgrün und das von Marilyn war in dunklem Blau gehalten.
"Ich muss sagen, euch stehen die Roben, Mädchen", sagte der Meister anerkennend. Er ging einige Schritte auf sie zu und räusperte sich. "Ich möchte, dass ihr nun dieses Gefühl für euer Element, alles was ihr damit verbindet als fließende Energie von eurem Geist ausgehend in euren gesamten Körper strömen lasst. Fühlt euer Element, fühlt was es euch bedeutet, fühlt wie es euch belebt und dann versucht diese Energie an einem Punkt zu sammeln."Susan hörte die Worte des Meisters und schloß die Augen. Sie atmete ganz ruhig, immer langsamer, bis alles um sie herum verschwunden war, bis sie nur noch ihren Atem und den Schlag ihres Herzens hören konnte.
Und dann dachte sie an Feuer, konzentrierte sich ganz auf dieses Bild vor ihrem geistigen Auge. Aber nichts geschah. Du musst dich noch mehr konzentrieren, dachte sie und versuchte es erneut - Alles fließt, die Energie ist immer in Bewegung, sie ist in mir - urplötzlich spürte sie leichte Hitze in ihrem Bauch, eine angenehme Wärme und sie verteilte sich in ihren ganzen Körper, sodass sie ein wohliger Schauer durchlief. Doch halt, es sollte ja garnicht der ganze Körper sein, nur eine Stelle. Die Hand, schoss ihr durch den Kopf, wo sonst? Also konzentrierte sie sich, befahl dem Strom aus Hitze in ihre rechte Handfläche zu fließen und als sie die Augen öffnete, umspielte eine lebendige Flamme ihre Hand.
Fast schon ungläubig starrte sie auf das Feuer, das auf ihrer Haut brannte ohne ihr weh zu tun und das sie selbst, nur durch die Kraft ihres Willens erzeugt hatte.
Ein Jubelschrei durchbrach die Stille und Susans Konzentration. Leah machte eine ausladende Geste, ein lautes Wosh ertönte und ein Luftstoß riss eine ganze Menge Sand mit sich und folgte der vorgegebenen Bewegung. Als Susan sich nach rechts drehte, sah sie, dass Marilyn ein Band aus Wasser um ihren Arm fließen ließ. Die Schwarzhaarige schien das bemerkt zu haben und lächelte ihre Freundin an um dann anerkennend auf die immer noch lodernde Flamme in ihrer Hand zu deuten.
"Marilyn! Susan!" Die beiden drehten sich zu Emma, die am anderen Ende des Raumes freudestrahlend in einem Meer von bunten Blumen saß.
Sie hatten es also alle geschafft. Auch der Meister nickte anerkennend. "Bravo Mädchen! Aber zugegeben, ich habe auch nichts Anderes erwartet. Allerdings ist das lediglich der erste Schritt - euer Element gezielt und sicher einzusetzten, ist das, was es zu erreichen gilt."
Die vier nickten selbstsicher.
"Also los. Fangen wir an!"
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Guardians
ParanormalDie vier Freundinnen Susan, Emma, Leah und Marilyn haben mit den alltäglichen Problemen typischer Jugendlicher zu kämpfen, als ein Ereignis ihr Leben schlagartig verändert... Sie werden zu Guardians, zu Beschützern der Welten. Ausgestattet mit der K...