Kapitel 6

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Emma hatte sich ans Werk gemacht und wollte Gemüseauflauf und als Nachtisch Milchreis kochen.
Nachdem auch Susan in der Küche angekommen war, bekam sie, genauso wie Marilyn eine Schürze in die Hand gedrückt und es ging ab ans Gemüseschälen.
Als der Auflauf im Ofen war, setzten sich die drei an den großen Esstisch im Wohnzimmer. Die Stimmung war gut, vorallem Dank Emma, die während des Schnibbens und Werkelns in der Küche ihre gute Laune zurückbekommen hatte.
"Du Sue, sag mal, wo ist eigentlich Clara? Es ist schließlich Wochenende, da sollte sie doch zu hause sein."
Clara war Susans drei Jahre ältere Schwester. Nachdem sie nach dem Abschluss ein Auslandsjahr in Brasilien verbracht hatte, studierte sie nun an der Universität Journalismus. Sie war im Allgemeinen viel beschäftigt, kam aber dennoch fast jedes Wochende und natürlich in den Semesterferien zu Besuch.
"Ach, die is' mit Mum in so einen Wellnessschuppen gefahren und die beiden machen sich 'ne schöne Zeit." Ein bisschen wehmütig schaute Susan auf das Familienfoto, das auf der Kommode unweit des Tisches stand. Es zeigte sie, Clara und ihre Mutter fröhlich lachend.
"Ich glaub', ich wäre jetzt auch gerne bei ihnen."
"Nichts da.", meinte Emma schnell und griff Susans Hand. "Du bleibst schön hier und isst meinen Spezial-Auflauf, der wird dich umhauen."
"Ja natürlich, aber das meinte ich nicht. In nächster Zeit wird so viel passieren, da denke ich, wäre es ganz gut gewesen, sich nochmal richtig auszuruhen."
Sofort verdüsterte sich Emmas Miene und ein leises 'Achso' ertönte.
"Denkt ihr, Leah krigt sich wieder ein? Ich will nicht, dass sie mir böse ist. Ich mag keinen Streit."
"Naja, deine eigene Entscheidung kann sie dir schlecht übel nehmen, oder? Ihr ist das einfach alles zu viel. Sie hat Angst vor der Verantwortung. Du weisst doch auch, wie sie ist." Das waren Marilyns Worte und Susan sah das ähnlich. Sie hoffte inständig, dass Emma sich das nicht so zu Herzen nehmen würde.
"Was ist eigentlich mit dir Marilyn? Hast du dich schon entschieden?", fragte Emma, nicht nur, um das Thema zu wechseln.
"Ja, ich bin mir sogar sehr sicher." Sie umfasste mit beiden Händen ihr Wasserglas. "Ich habe es schon auf Tiran V gewusst, als Ir Neret uns von unserer Aufgabe erzählt hat. Sein Angebot kommt mir gerade recht." Sie erwiderte Emmas fragenden Blick derart entschlossen, dass die sich beinah nicht getraut hätte zu fragen: "Wie, das verstehe ich nicht. Warum denn?"
"Er hat gesagt, er würde uns trainieren, physisch und psychisch. Vielleicht ist das, was er uns anbietet, genau wonach ich gesucht habe." Sie machte eine kurze Pause und umklammerte das Glas noch fester.
"Vielleicht ist es genau das, was ich brauche."
Emma war leich irritiert, doch bevor sie weiter fragen konnte, tutete es laut. Der Auflauf war fertig.
Schnell sprang sie von ihrem Stuhl und während Susan und Marilyn den Tisch deckten, holte sie die kochendheiße Form aus dem Ofen.

Nachdem alle satt und zufrieden waren, Emma hatte wirklich nicht zuviel versprochen, beschlossen sie, Leah doch nochmal anzurufen. Susan stand also auf, ging zum Telefon und wählte Leahs Handynummer.
Das Rufsignal ertönte und sie drückte den Lautsprecherknopf, damit die anderen mithören konnten.
"Ja?", Leahs Laune hatte sich seit vorhin nicht wirklich gebessert. "Was willst du?" "Dich fragen, ob du nicht doch nochmal herkommst. Ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht ist doch immer noch besser, als so ein schnödes Telefonat."
Die Cheerleaderin sagte nichts, also redete Susan einfach weiter, oder hatte es zumindest vor, als ihr Emma dazwischenfunkte. "Wir haben uns alle entschieden. Jetzt fehlst nur noch du. Sogar Marilyn ist dabei. Willst du es dir nicht nochmal überlegen?"
Damit hatte Leah offenbar nicht gerechnet: "Wie jetzt?! Marilyn, was um alles in der Welt is' in dich gefahren?" Leah war so fassungslos, dass sich ihre Stimme überschlug: "Das kann nich' dein Ernst sein!"
"Und ob das mein Ernst ist.", erwiederte die Schwarzhaarige ruhig. "Und du solltest auch nochmal darüber nachdenken."
"Ihr spinnt doch! Ihr seid alle wahnsinnig!" Dann knackte es in der Leitung und das Gespräch war beendet.
Ratlos blickte Susan zu Emma und die sah widerum Marilyn an.
"Und was nun?", fragte Emma schließlich. "Was ist, wenn sie ihre Meinung nicht ändert?"
Damit hatte sie ausgesprochen, was wohl alle gedacht hatten. Doch was sollten sie darauf antworten, sie wussten es ja selbst nicht. Würde jemand anderes Leahs Platz einnehmen, wenn die sich beharrlich weigerte oder wären sie dann nur zu dritt? Und wenn es doch noch eine Alternative gab, wer würde das dann sein? Doch alle Überlegung änderte nichts, sie hatten keine Ahnung und so blieb Emmas bange Frage unbeantwortet.
Eine ganze Weile hatten die Mädchen so dagesessen, schweigend und ruhig, doch dann klopfte es. Verwundert schauten sie sich an, dann ging Susan zur Tür und öffnete.
Da stand Leah und keine zwei Sekunden später war sie bei den andern beiden im Wohnzimmer, sodass Susan sich beeilen musste, hinterherzukommen.
"Ich glaub' das alles immer noch nicht. Und ich bin immer noch der Meinung, nein, ich bin sogar 100 prozentig sicher, dass das nur 'nen schlechter Scherz is', aber-" Sie unterbrach sich selbst und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. "Ich werd' mich dafür sowasvon hassen.
Verdammt, ich mach's."
Für einen Moment hätte man eine Stecknadel fallen hören können und Emma stand tatsächlich der Mund offen. Doch dann grinste Leah etwas schief und sagte: "Schließlich muss euch ja irgendjemand die Ärsche retten." Und dann prustete Susan so laut los, dass sogar Marilyn schmunzeln musste, während Emma nur fassungslos starrte.

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