Kapitel 5

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"Ist es nicht unglaublich edel, sich für das Wohl anderer Menschen einzusetzen, alles zu geben, damit andere glücklich sind?" Emma blickte nachdenklich und zugleich bewundernd drein und setzte sich mit gekreuzten Beinen auf Susans orangefarbenen Teppich.
Nachdem Ir Neret ihnen das Atrium mit der Skulptur gezeigt und die quasi alles entscheidende Frage gestellt hatte, hatten sich die Mädchen etwas Bedenkzeit erbeten. Danach wurden sie von ihrem vielleicht zukünftiger Lehrer zurück nach Hause geschickt.
Nun waren sie also alle wieder in Susans Zimmer und grübelten.
"Ich kann das einfach nicht glauben.", fing Leah an und stand vom Bett auf, um hastig auf und ab zu gehen. "Wir sollen, wer weiß wie, das Böse bekämpfen. Das is' doch verrückt! Das kann einfach nich' sein!"
Hilfesuchend schaute sie zu Marilyn, die an dem großen Kleiderschrank lehnte und nachdenklich dreinschaute. Sie hatte bisher noch nichts gesagt, aber Leah erhoffte sich Unterstützung und Zuspruch von ihr. Doch sie reagierte nicht und schwieg stattdessen weiter.
"Ich mach's. Ich werde Ir Nerets Angebot annehmen und mich von ihm ausbilden lassen." Selbstbewusst stand Emma auf und stellte sich gerade hin: "Ich denke, dass ist die richtige Entscheidung."
"Aber, aber...", Leah glaubte, nicht richtig zu hören. "Du weisst doch garnicht, was da auf dich zukommt."
"Das muss ich auch nicht. Ich will Gutes für andere tun, verstehst du das nicht? Wir haben die Möglichkeit Großes zu bewirken, Veränderung zu erreichen." Emmas milchig grüne Augen leuchteten bei jedem Wort. "Ist das nicht großartig?"
Leah fand das überhaupt nicht 'großartig'. Sie konnte über Emmas Enthusiasmus nur den Kopf schütteln.
"Der Typ hat sie doch nich' alle! Was is', wenn der uns bloß verarscht, hä? Was dann? Oder wenn das alles nur ein komischer Trick ist? Ich kann das einfach nicht glauben!" Wild gestikuluerend war sie weiter auf und ab gelaufen und wandte sich nun an Susan. "Du bist doch sonst auch immer so vernünftig. Sag doch auch mal was. Was denkst du über das Ganze?"
Sie schluckte, doch sie konnte sich Leahs stechendem Blick nicht entziehen.
Was sie darüber dachte? Woher sollte sie das denn wissen? Natürlich hatte auch sie sich Gedanken gemacht, über ihre neue, mögliche Zukunft. Was genau bedeutete es, ein Guardian zu sein? Wie würde ihr Alltag dann aussehen, könnte sie überhaupt noch normal zur Schule gehen? Und was hatte es mit den Elementen auf sich, welches würde sie wohl erhalten? Solche und ähnliche Fragen schwirrten durch ihren Kopf und dabei immer wieder die des blassen Mannes: War sie wirklich bereit, all ihre neuen Aufgaben anzunehmen?
Emmas Entscheidung hatte sie sehr überrascht. So entschlossen hatte sie ihre sonst so schüchterne Freundin selten erlebt. Aber ohne Zweifel, hatte Ir Nerets Ansprache etwas in ihr bewegt und augenscheinlich nicht nur in ihr. Marilyn war die ganze Zeit seltsam still, nicht dass sie nicht sonst auch eher ruhig und distanziert war, aber seit sie zurück waren, verhielt sie sich besonders nachdenklich.
"Vielleicht ist die Frage garnicht, wie, was oder warum. Es geht doch einzig und allein darum, ob wir dazu bereit sind." Leah verzog den Mund. Offenbar hatte sie auf eine andere Antwort gehofft. In Leahs Augen hatte man förmlich sehen können, dass sie von Susan verlangte, ihrer besten Freundin diese Flausen auszureden.
Und tatsächlich war Susan selbst ein bisschen erstaunt darüber, dass sie es nicht getan hatte. Tatsächlich hatte sie Emma mit ihrer Aussage nur noch mehr Aufwind gegeben und sich damit irgendwie selbst Mut gemacht.
Denn Tatsache war, dass sie sich selbst mittlerweile sehr sicher war, dass sie Ir Neret das selbe sagen würde wie Emma. Sie wollte ein Guardian werden.
Sie war auf einem fremden Planeten gewesen, auf dem man atmen und offensichtlich ganz normal leben konnte, wie auf der Erde auch. Sie hatte quasi einen Außerirdischen getroffen, verdammt noch mal und der hatte von weiteren fremden Welten erzählt. Und die wollte sie für sich entdecken, unbedingt, und ihre Bewohner kennenlernen. Es war der Abenteuergeist, der sie gepackt hatte, der Drang nach etwas Neuem. Doch all das würde Leah wahrscheinlich nicht verstehen, also sagte sie nichts weiter und guckte nur zu, wie sich die Cheerleaderin die schönen Haare raufte.
"Bereit. Bereit." Sie schnaubte verächtlich. "Ich bin bereit fürs Bett."
Obwohl es erst kurz nach Mittag war, fühlte sich auch Susan unglaublich müde. Vielleicht war das ja eine Nebenwirkung dieser Art des Reisens. Sie wusste es nicht.
"Ihr solltet auch nach Hause gehen, vielleicht habt ihr euch dann bis heut' Abend wieder eingekrigt." Leah öffnete die Zimmertür und drehte sich zu den anderen um. "Denn das hier is' die echte Welt. Hier gehören wir hin." Damit fiel die Tür ins Schloss und die drei hörten nur noch das Knarzen der Treppenstufen und kurz darauf das Klacken der Haustür.
Emma sah lange zur Tür und flüsterte dann: "Ich hab' nicht gewollt, dass wir streiten, wirklich nicht." Sie hob den Blick und schaute erst Susan und dann Marilyn an, die immer noch am Schrank lehnte und immer noch kein Wort über die Sache verloren hatte.
"Aber ich bleibe dabei, ich will es tun."
"Es zwingt dich auch niemand dazu, deine Meinung zu ändern. Es ist einzig und allein deine Entscheidung." Das waren jetzt die ersten Worte von Marilyn seit sie wieder hier waren und Emma erwiderte sie mit einem dankbaren Lächeln. Insgeheim war Susan erstaunt über das neuerliche Selbstbewusstsein ihrer besten Freundin und darüber, wie sicher sie sich schien.
"Naja." Emma nahm die Arme hoch und ließ sie wieder fallen. "Ich mach uns mal was zum Mittag, ich hab nämlich 'nen Bärenhunger." Und schon war das altbekannte, strahlende Emma-Lächeln wieder da, für das Susan sie so liebte und ihr brauner Schopf verschwand Richtung Küche.
Da meldete sich auch Susans Magen und erst jetzt bemerkte sie, wie hungrig sie war. Also stand sie auf und wollte Emma folgen, ihr beim kochen helfen, als Marilyn sie zurückhielt: "Wie hast du dich entschieden, Sue?" Sie drückte sich vom Schrank ab und machte einen Schritt auf sie zu.
"Ich werde es tun. Ich bin einfach neugierig, auf das, was jetzt auf uns zu kommt. Fremde Welten, neue Kulturen und eine Prise Abenteuer. Ist das nich reizvoll?" Marilyns Mundwinkel hoben sich zu einem leichten Lächeln: "Dacht' ich's mir doch." Damit lief sie an Susan vorbei und ging hinunter zur Küche.
Erst war Susan ein bisschen irritiert, doch dann schüttelte sie schmunzelnd den Kopf und folgte ihrer Freundin.

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