Sein Parka

85 3 0
                                    

"Wie meinst du das?", entgegnete ich verwundert.

"Ach, ich mach doch nur Spaß.", sagte er und grinste dabei etwas unbeholfen.

So ganz glaubte ich ihm ja nicht, doch ich konnte ihm dies nicht mehr zu verstehen geben oder näher auf das Thema eingehen, denn er stierte schonwieder weiter und ich musste meinen Schritt beschleunigen, um mit seinem mithalten zu können.

"Lass uns da vorne hingehen.", sagte er und zeigte auf das Geländer des Steges zwischen zwei Laternen.
Er schien gar nicht zu bemerken, dass ich nicht nachkam.
Deswegen hackte ich mich kurzerhand bei ihm unter und bremste ihn etwas, sodass wir wieder in normalem Schritttempo gingen.

Wir ließen uns auf dem hölzernen Gelände nieder und ich lehnte mich mit dem Rücken an eine der Laternen und zog mein linkes Bein an mich. Mein rechtes ließ ich einfach etwas hin und her schwingen, während Jer mir die Pose, mir gegenüber sitzend, ganz lässig nachmachte.
Meinen Kopf legte ich in das weiche Fell des Kuschelbäres und konzentrierte mich auf Jer.

Er betrachtete das Meer, welches sachte aufbrauste und kleine Wellen anspülte. Er war so unheimlich schön, wie er sich darauf fixierte und das Licht der Laterne mit ihm zu strahlen schien.
Ich erwischte mich dabei, wie ich mir vorstellte ihn jetzt einfach zu küssen. Sein Gesicht zu meinem zu ziehen und meine Lippen auf seine zu legen.
Seine Hände an meinem Gesicht zu spüren, die mich nie mehr freigeben wollen.

"Hey. Hörst du mir überhaupt zu?"

Ich blinzelte kurz und realisierte, dass dies eben nicht der Realität entsprach, sondern nur meiner Vorstellung.

Ich schüttelte den Kopf und sagte:"Tut mir leid, ich war grade wo anders."

Jeremy lachte kurz und antwortete dann:"Ja, das hab ich gemerkt. Worüber hast du denn nachgedacht?"

"A-ach, ist nicht so wichtig.", tat ich die Sache ab und ergänzte anschließend:"Was hattest du gesagt gehabt?"
Er lachte wieder auf und fuhr sich dabei durch seine Haare, die egal wie sehr er sie durchwuschelte, immer perfekt aussahen.

"Ich sagte, ich weiß noch wie wir letztes Jahr hier saßen und unsere Namen in das Holz geritzt haben."

Er hatte recht. Erst jetzt bemerkte ich, dass das hier genau der Ort war, an dem wir schon letztes Jahr den Abend haben ausklingen lassen und zum Abschluss unsere Namen in das Holz geritzt haben, als Zeichen unserer Freundschaft.
Sofort sprang ich vom Gelände und bückte mich, um darunter schauen zu können.
Und tatsächlich.
Unsere beiden Namen waren dort, etwas unleserlich, verewigt und ich musste sofort anfangen zu lächeln, als ich sie entdeckte, weil das einer der schönsten Abende meines bisherigen Lebens gewesen war.

"Jer, komm runter und sieh dir das an! Sie sind immernoch da."
Von seinem Gesicht schien eine Maske zu fallen, plötzlich war er erst total überrascht und dann sah er aus wie ein kleines Kind, das eben etwas Süßes bekommen hatte.
Er sprang vom Geländer und hockte sich neben mich.
Auch Jer lachte, als er unsere Namen sah und strich dann ungläubig darüber.
Er musste auch geglaubt haben, dass man das Gelände längst schonwieder ausgetauscht hatte, denn dies geschah so gut wie jeden Monat.
Umso mehr freute es mich und wie es schien auch ihn, dass sie noch da waren.
Eine Weile noch betrachteten wir einfach nur die eingeritzten Namen und schwelgten in Erinnerungen, ohne ein Wort zu sagen.

Doch natürlich musste diese Szene zerstört werden, denn es begann zu regnen.

"Oh nein.", machte ich und stand mit Blick gen Himmel auf.
Die Wolken begannen schon sich zusammenzuziehen und innerhalb von Sekunden verstärkte sich der Niederschlag.
Und ich Genie hatte natürlich keine Jacke dabei. Oder einen Schirm.

Jer handelte schnell, warf mir seine Jacke über, nahm meine Hand und hastete mit mir zu den Parkplätzen.
Währenddessen versuchte ich meine Autoschlüssel aus meiner Tasche zu kramen, was nicht so einfach war, mit einem riesen Kuchelbär im Arm und fand sie schließlich auch.
Vor meinem Wagen machten wir halt und ich war schon dabei meine Tür zu öffnen und einzusteigen, als Jer mich zurückhielt.

"Hey, warte!", versuchte er mit seiner Stimme gegen den Regen anzukommen.
Ich drehte mich zu ihm um und meine mittlerweile schon nassen Haare klatschten mir ins Gesicht.
Ich wischte sie mit dem Ärmel des viel zu großen Parkas weg und schaute ihm durch den Regen in die Augen.
Oh richtig, da war ja noch etwas. Verabschieden.
Wie ich es hasste.

Ich schlang also meine Arme um seinen Hals und raunte ihm "Fahr vorsichtig." ins Ohr, bevor ich ihn wieder losließ.
Er rief:"Du auch, Sut!"
Und hetzte dann zu seinem Wagen.

Ich öffnete die Tür zu meinem und stieg ein.
Sofort schloss ich sie wieder und startete den Motor.
Schnallte mich natürlich noch an, schaltete das Licht ein und fuhr schließlich los.

Irgendwann während der Fahrt machte ich mein Radio an und schaltete auf USB um einen bestimmten Titel anzuhören.
Als ich schließlich 'Drunk' von Ed Sheeran fand drehte ich die Lautstärke auf und sang lauthals mit.

Die vorbeiziehenden Hochhäuser hatten bei Gewitter etwas beängstigendes an sich.
Wenn der Himmel so dunkel war, wie jetzt sahen sie aus wie bedrohliche Giganten.
Ich verstummte bei diesem Gedanken und beeilte mich nach Hause zu kommen.

______________

Endlich bog ich in unsere Einfahrt, parkte, stieg aus und schloss den Wagen ab.
Eilig stürmte ich ins Haus und ging sofort in mein Zimmer.
Es hatte keinen Sinn mehr, meinem Dad zu sagen 'Hallo, bin wieder da', denn es war schon 11:23PM und um diese Zeit schlief er schon.
Er musste dringend etwas Schlaf nachholen, er hatte diese Woche immer sehr früh zu arbeiten angefangen und auch viele Überstunden gemacht.

In meinem Zimmer zog ich erstmal meine nassen Sachen aus und bemerkte, dass ich Jer vergessen hatte, seinen Parka zurückzugeben.
Obwohl er nass war lächelte ich, als ich mich an ihn kuschelte und Jeremys Geruch einatmete.
Er roch nach Sommer.
Ich zwang mich damit aufzuhören und hing ihn an die Kleiderstange.
Ich konnte mit seinem Parka kuscheln, wenn ich ihm endlich gesagt hatte, was ich für ihn fühlte.
Jetzt war es einfach nur unheimlich. Für andere zumindest.
Den klatschnassen Bären setzte ich in einen meiner weißen Korbsessel.

Ich streifte mir ein Top und ein paar shorts über und band meine nassen Haare in einen hohen Dutt. Ich hatte echt keine Lust mehr, die jetzt noch zu föhnen.
Mein Bett lachte mich einfach zu sehr an.
Ich ließ mich in meine Kissen fallen und versuchte bei dem tobenden Gewitter vor meinem Fenster zu schlafen.
Es wollte mir einfach nicht gelingen.
Also beschloss ich eben unheimlich zu sein, nahm Jers Parka vom Kleiderbügel und ging zurück ins Bett.
Da dieser wie meine anderen Klamotten noch nass war, deckte ich mich mit meiner Decke zu und legte den Parka darüber.
Und so schlief ich mit einem warmen Gefühl im Bauch, trotz tobendem Gewitter ein.

FriendzoneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt