In und Auswendig

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Am nächsten Morgen wachte ich recht früh auf und stieg sofort aus dem Bett.
Jers Parka hengte ich lieber wieder über den Kleiderbügel, bevor mein Dad noch sehen sollte, dass ich mit dem Ding geschlafen hatte.

Erstaunlicher Weise habe ich dank dieser Jacke seit langem mal wieder durchgeschlafen.
Ich hatte nämlich des öfteren Schlafstörungen und welzte mich oft stundenlang im Bett herum, in der Hoffnung eine bequeme Position zu finden und wieder schlafen zu können.
Dieses Problem war also für eine Nacht gelöst worden, aber ich musste Jer seinen Parka unbedingt wiedergeben.

Wie dem auch sei, ließ ich meinen Blick durchs Zimmer schweifen und blieb mit den Augen an meinem Spiegelbild hängen.
Ich hatte zwei Spiegel neben meinen Bett stehen, eingerahmt in einem sehr schönen weißen Holz, das meinem Bett gleichkam.
Zwischen diesen beiden stand ich also und betrachtete mich. Meine Haare waren mittlerweile trocken und einzelne dunkle Strähnen hatten sich aus meinem Dutt gelöst.
Doch mir gefiel dieser messy-bun-Look eigentlich ganz gut.
Außerdem ließen hohe Pferdeschwänze oder Hochsteckfrisuren freien Blick auf mein kleines Tattoo im Nacken.

Es war ein schwarzes Kreuz, welches ich mir wegen meiner Mum stechen ließ.
Ich habe sie nie kennengelernt und genau aus diesem Grund sollte es auch ein Kreuz sein. Als Zeichen meiner Stärke.
Meine Ma hatte uns verlassen bevor ich überhaupt krabbeln konnte und ich sollte sie wahrscheinlich hassen, aber irgendeinen Grund musste sie wohl gehabt haben zu verschwinden. Ich konnte sie nicht hassen. Noch nicht, ehe ich nicht den Grund für ihr Gehen erfahren hatte.

Ich war so stolz, als ich letztes Jahr aus dem Tattoo-Studio kam und der Welt meine Farbe unter der Haut zeigen konnte.
Ich war auch am überlegen mir ein zweites Tattoo zuzulegen. Am Handgelenk oder so, aber das musste ich nochmal genauer überdenken.

Ich öffnete meinen Dutt und meine Haare fielen mir lockig bis knapp über die Schultern.
Die nassen Haare über Nacht in einem Dutt zu haben, war ein mega guter Trick schöne Locken zu zaubern, ganz ohne Hitze oder Lockenwickler.
Außerdem sahen sie so viel natürlicher aus.

Ich wuschelte einmal kurz durch sie durch um sie zu entwirren und kämmte sie anschließend nochmal vorsichtig, um einen natürlicheren Fall zu kreieren.
Anschließend schlüpfte ich in eine bequeme schwarze Jakko-Jogginghose, einem rund ausgeschnittenem grauen Top und einer mir bis zu den Kniekehlen reichenden beigen Strickjacke.
Ich putzte mir in meinem Bad die Zähne und ging dann runter in die Küche.
Heute war einer dieser Tage, an dem ich weder hübsch geschminkt noch irgendiwe stylish angezogen sein musste, denn es war Sonntag und das bedeutete den ganzen Tag Filme mit meinem Dad zu gucken.
Einfach auf der Couch zu gammeln und den ganzen lieben langen Tag nichts zu tun, außer darüber zu diskutieren wer der Böse in einem der unzähligen Aktion-Thriller war.

Und so ging dieser Schöne Tag leider viel zu schnell zuende und der all weit gehassten Montag schritt ins Land und das bedeutete wieder zur Schule zu müssen und dem Wochenende entgegen zu fiebern.
Abends im Bett checkte ich zum ersten mal an diesem Tag mein iPhone und entdeckte eine Whatsapp - Nachricht von Jer.

Er schrieb:"Sorry, dass ich es erst jetzt geschickt habe, aber ich hatte was wichtiges zu erledigen."
Und unter dieser Nachricht erschien unser Tanzvideo.
Das hatte ich ja schon völlig vergessen!
Schnell sah ich nach, wann er die Nachricht geschrieben hatte.
Um 12:27AM. Also erst vor wenigen Minuten.

Während ich 'Kein Problem, schön dass du noch daran gedacht hast. Bis morgen XOXO' in mein Handy tippte, fragte ich mich, was er denn so wichtiges zu erledigen hatte.
Vielleicht würde ich ihn morgen in der Schule darauf ansprechen, wenn ich noch daran dachte, aber Jeremys Parka hatte Vorrang.
Er würde es mir bestimmt sowieso morgen erzählen, also musste ich mir jetzt auch nicht den Kopf darüber zerbrechen.
Trotzdem beschloss ich unser Video erst morgen anzuschauen.

Ich plazierte mein Handy auf dem Nachttisch neben meinem Bett und legte mich dann schlafen.
Doch wie ich mich kannte wollte mir das Einschlafen wieder besonders schwer fallen, weshalb ich mir meine Kopfhörer in die Ohren steckte und Michael Bublés Stimme und seine begleitenden Jazz-Klänge durch mich fließen ließ.
Ich begann mit 'You make me feel so young' und checkte währenddessen nochmal mein Instagram und Twitter.
Da weder bei dem einen noch bei dem anderen neue Meldungen waren schloss ich diese Apps und konzentrierte mich wieder auf Bublés Stimme.

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Ich wachte bei 'To be loved' auf und schaute auf mein Handy. Es war bereits 7:12AM und um Acht begann der Unterricht.
Ich schaltete die Musik aus und entstöpselte meine Kopfhörer, welche ich offenbar die ganze Nacht drinne hatte und hing mein Handy nochmal schnell an den Strom, dass es wenigstens etwas Akku laden konnte, bevor es zur Schule ging.

Schnell sprang ich unter die Dusche und zog anschließend ein weißes T-Shirt mit V-Ausschnitt, eine dunkle Jeans, schwarze Boots und eine graue Strickjacke an.
Meine Haare föhnte ich kurz an und band sie dann in einen Messy-Bun.
Wir waren schließlich in Phoenix Arizona, da sollten meine Haare wohl schnell an der Luft trocknen.
Ich musste eine 14 - minütige Fahrtzeit einberechnen und schlang mein Müsli deswegen hinunter, da ich schon beinahe wieder zu spät war.
Mein Dad war schon aus dem Haus und zur Arbeit gefahren.
Ich sollte mir mal ein Beispiel an ihm nehmen, er kam nie irgendwo zu spät.

Jedenfalls nahm ich meine Autoschlüssel, Jers Parka natürlich und meine Tasche und setzte mich in meinen silbernen Ferrari.

"Dann mal los.", sagte ich und startete den Motor.
Jer und ich besuchten die Arcadia High School und Jer war sogar im Football - Team, den Arcadia Titans, weshalb er jeden Tag mit seiner Footballer-College-Jacke durch die Schule lief auf der sein Name gedruckt war.
Ich liebte es ihm beim Spiel zuzusehen und das Team anzufeuern. Aber noch mehr als Football stand ich auf Baseball und war ein großer Arizona Diamondbacks-Fan.
Ich war mit meinem Dad schon auf vielen Spielen gewesen und verpasste nur sehr ungern eins. Aber leider konnte ich dieses Jahr nicht zu jedem Spiel gehen, denn ich war in der Abschlussklasse und musste für meine Prüfungen lernen. Obwohl ich ziemlich gut in der Schule war, wollte ich es nicht darauf ankommen lassen und das Lernen vernachlässigen. Also schraubte ich eben das Verlangen nach Baseball herunter und konzentrierte mich auf die Schule.
Doch das Spiel am Mittwoch wollte ich mir trotzdem nicht durch die Lappen gehen lassen. Ich beschloss, nach diesem Spiel meiner schulischen Laufbahn mehr Beachtung zu schenken und vor meinem Abschluss erstmal keine Spiele mehr zu besuchen. Es war einfach am Besten so.

Ich parkte auf dem Schulgelände und stieg aus.
Überall tümmelten sich Kids und Teens.
Ich schenkte diesen doch recht wenig Beachtung und ging stattdessen ins Schulgebäude.
Zielsicher steuerte ich auf die Cafeteria zu, denn hier traf ich mich immer mit meiner besten Freundin Zoey Marshall.
Sie war ein schwarzhaariges, blauäugiges und unheimlich schlankes und hübsches Mädchen. Wir gingen in dieselbe Klasse und sie kannte mich einfach in und auswendig.
Und da sie mich so gut kannte, wusste sie natürlich auch, dass ich bis über beide Ohren in Jer verknallt war.

Sie fand es in einer Mathestunde raus, als ich zu spät in die Klasse kam und mich mit knallrotem Gesicht neben sie setzte. Zu allem Überfluss prangte auch noch ein riesiges Grinsen darauf und sie fragte mich flüsternd:"Wieso bist du denn so rot?" Und ich sagte nichts außer "Jer hat mich umarmt" und grinste mir einen ab.
Das war in der achten Klasse glaube ich und jetzt waren wir in der zwölften. An dem Tag hatte er mich nach der Mittagspause das erste mal umarmt und seitdem war es um mich geschehen.

Mittlerweile hatte ich mich schon an unseren Stammplatz gesetzt und da kam Zoey auch schon lächelnd durch die Tür.
Sie setzte sich gegenüber von mir und umarmte mich über den Tisch hinweg.
Danach schnaltzte sie mit der Zunge und verschränkte die Arme.

"Du hast es ihm immernoch nicht gesagt, oder?", sagte sie und während sie sich zurücklehnte warf sie ihre pechschwarzen Haare zurück.

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