Dominiques Sichtweise
Wir saßen in einem kleinen Café am Stadtrand, seit gefühlten zwei Stunden nuckelte ich wie ein Baby an meinem Tee und wurde von Spencer nicht aus den Augen gelassen.
„Wir sollten mit Hotch darüber reden, er kennt immer einen Ausweg.", unterbrach Spencer die Stille.
Ich schüttelte mit dem Kopf und sah ihn entsetzt an. „Bist du verrückt geworden?", ich gestikulierte wie wild um ihn herum. „Wenn das alles raus kommt ist meine Karriere im Eimer! Ich habe so hart dafür gekämpft so weit zu kommen, nach all' dem vor sechs Jahren. Und jetzt soll ich ein großes Coming Out starten und sagen ich wurde damals auf brutalste Weise vergewaltigt, der Typ konnte fliehen und jetzt traf ich ihn im Gerichtssaal wieder?"
Spencer musste bemerkt haben, dass es eine nicht gut durchdachte Idee war.
In mir stieg ein bekanntes Gefühl auf.. das fühlte ich das letzte Mal nach dem Vorfall. Als ich nicht mehr weiter wusste und in diesem Freund einen Zufluchtsort fand. Meine Augen wanderten von meinem Tee hoch zu Spencer, der vertief aus dem Fenster starrte, zurück auf die Tasse und hinüber an die Theke. Und dort stand mein alter Freund. In einer schönen Glasflasche, geschmückt mit einem blau-silbernen Etikett. Er sah so klar und rein aus. So unschuldig und doch machtvoll. Das letzte Mal war viel zu lange her, genau jetzt war der richtige Zeitpunkt für ein Wiedersehen.
Ich rutschte ungeduldig auf meinem Stuhl hin und her. Meine Augen starr auf den Wodka an der Bar gerichtet. Spencer wusste davon nichts. Ich trank immer heimlich, wenn er zur Arbeit ging oder er wieder Bücher wälzte. Seine Mutter trank früher oft zu viel, als er klein war, bevor er sie zwangseinlieferte. Genau deshalb verschwieg ich es ihm meistens, er hat schon genug um die Ohren.
"Spencer, ich hole mir einen Kaffee, möchtest du auch etwas?", ich holte ihn zurück aus seinen Gedanken.
"Nein.. nein.. ", und sofort war er wieder vertieft.
Das war meine Chance. Ich sprang auf, ging zur Theke und winkte nach dem Kellner.
"Einen Milchkaffee bitte und.. zwei Shotgläser von dem Wodka.. bitte.", den letzten Teil der Bestellung flüsterte ich ihm zu, es war ja schließlich nicht normal, dass man so früh schon mit dem Trinken anfing.Ich sah zu wie die wunderschöne durchsichtige Flüssigkeit in die kleinen Gläser lief und vor mir abgestellt wurden. Ich leerte zuerst das erste Glas, dann sofort das Zweite. Der köstliche Alkohol lief mir die Kehle hinunter, zuerst spürte ich den beißenden Geschmack, welcher sich aber sofort in ein beruhigendes Gefühl umschlug.
Endlich. Ich blickte auf die Gläser hinunter. Viel zu lange waren wir getrennt.. viel zu lange.
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