Ein Angebot

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Daisy lächelte entschuldigend und zog ihr Handy aus ihrer Hosentasche. Als sie auf dem Display sah, wer da gerade anrief, überlegte sie kurz, ob sie nicht einfach wegdrücken sollte. Es war Maggy, Davids Mutter. Dann gab sie sich einen Ruck und nahm das Telefonat an.

"Daisy Liebes, wie geht es dir?"

Sie sah Ben an, der sich währenddessen am Boot zu schaffen machte. Sie hörte Timmy auf der Wiese lachen. Spürte die Sonne auf ihrer Haut und den Wind in ihren Haaren.

"Mir geht es gut", sagte sie und meinte es auch so. Es ging ihr gut. Es war ein schöner Tag. Es gab nichts mehr, worum sie sich Sorgen machen musste.

Maggy klang etwas irritiert:  "Das freut mich für dich."

Sie räusperte sich, bevor sie fortfuhr.

"Ich rufe dich eigentlich nur an, um zu fragen, wie es David geht. Seit zwei Stunden versuche ich, ihn zu erreichen. Sein Handy ist ausgeschaltet. Und jedes Mal, wenn ich die Nummer seines Zimmertelefons wähle, klingelt es ewig. Aber niemand geht dran!"

Daisy konnte die Besogrniss in Maggys Stimme hören. Sie war echt. Maggy mochte zwar vieles ziemlich egal sein, aber wenn es um ihren einzigen Sohn ging, war jede Gefühlsregung aufrichtig.

"Beruhig dich", sagte Daisy so sachlich wie möglich.

"Ich war heute morgen noch bei ihm. Die Operation ist gut verlaufen. Ich habe gewartet, bis er aufgewacht ist. Danach hatte er zwar noch Schmerzen, aber das ist ja normal."

"Und warum geht er dann nicht ans Telefon? Vielleicht ist etwas passiert? Vielleicht hättest du doch noch ein bisschen länger bei ihm bleiben sollen?"

Daisy versuchte, den Vorwurf des letzten Satzes zu überhören und schob ihn auf Maggys Müdigkeit und die Tatsache, dass sie nicht selbst über ihren Sohn wachen konnte. Sie befand sich zur Zeit wegen eines schweren Sturzes in einer Reha-Klinik.

"Bitte mach dir keine Sorgen. Nachdem er über die Schmerzen geklagt hatte, kam eine Krankenschwester und gab ihm Medikamente dagegen. Die werden ihn müde gemacht haben."

Daisy atmete tief durch.

"Maggy bitte, ruf ihn nicht mehr an. Die OP war sehr anstrengend für ihn. Gönn ihm ein wenig Schlaf. Ich verspreche dir, ich werde mich heute Abend nochmal bei ihm melden. Und dann melde ich mich bei dir, damit du weißt, dass alles in Ordnung ist."

Erst jetzt bemerkte sie, dass Ben schon eine ganze Weile nicht mehr an seinem Boot herumwerkelte. Stattdessen schaute er sie aufmerksam an.

Maggy seufzte hörbar. Aber sie hatte gar keine andere Wahl, als das Angebot ihrer Schwiegertochter anzunehmen.

"In Ordnung. Ist ja gut. Aber wenn du dich heute Abend nicht meldest, dann rufe ich solange im Krankenhaus an, bis mir jemand sagt, ob es meinem Sohn gut geht!"

"Okay Maggy. Ich hoffe, bei dir ist auch alles in Ordnung?"

Doch Maggy schien keine Lust mehr zu haben, sich mit Daisy zu unterhalten. Ihre Antwort fiel relativ knapp und nichtssagend aus. Maggy beklagte sich zwar nicht. Aber Daisy wusste, dass sich ihre Schwiegermutte in der Reha fürchterlich langeweilte.

Nachdem sie das Gespräch beendet hatte, seufzte sie kurz und steckte das Handy wieder in ihre Hosentasche.

Ben räusperte sich.

"Es geht mich zwar nichts an, aber darf ich trotzdem fragen, was im Moment bei dir los ist? Das klang so, als ginge es jemandem aus deiner Familie sehr schlecht."

Sie nickte.

"Mein Mann hatte eine Blinddarmentzündung. Es war ziemlich knapp. Er ist heute morgen operiert worden. Aber jetzt ist wieder alles in Ordnung. Das war nur meine Schwiegermutter, die sich Sorgen um ihn macht. Sie versteht anscheinend nicht, dass Menschen nach schwierigen Operationen ein bisschen Ruhe brauchen."

Sie lachte nervös und kam sich dumm vor. Ben schien zwar ein netter Mann zu sein. Aber sie hatten sich ja gerade erst kennen gelernt. Sie wollte ihn nicht mit ihren Sorgen belasten und konnte sich auch nicht vorstellen, dass er sich ernsthaft dafür interessierte.

"Es freut mich, dass es deinem Mann wieder gut geht", sagte er. Sie versuchte an seinem Gesicht zu erkennen, ob er genervt war. Oder ob er sarkastisch sein wollte. Aber das war nicht der Fall.

"Ich vermute, dass du ein bisschen Abwechslung ganz gut gebrauchen könntest. Und da es noch etwas dauern wird, bis wir unsere Bootstour starten können," er zwinkerte ihr zu "würde ich dir gern ein anderes Angebot machen."

Die Sonne und der Wind hatten seine Haare schon fast getrocknet. Braune Locken fielen ihm weich in die Stirn.

"Wir suchen in unserer Jugendgruppe noch freiweillige Helfer. Jeden Donnerstag Nachmittag machen wir mit den Kids Ausflüge. Als Helfer müsstest du einfach nur gute Laune und ein bisschen Geduld mitbringen. Wir können zwar nichts zahlen, aber dafür hast du jede Menge Spaß und kommst mal ein bisschen raus! Wäre das was für dich?"

"Das hört sich sehr nett an."

Daisy war etwas verlegen. Anscheinend traute Ben ihr zu, eine wilde Horde Kinder zu betreuen. Und offensichtlich merkte er sofort, was Daisy schon lange geahnt hatte. Sie brauchte etwas mehr Beschäftigung. Als Timmy noch ein Baby war, musste sie sich rund um die Uhr um ihn kümmern. Sie brach ihre Ausbildung ab und widmete sich ihren Pflichten als Hausfrau und Mutter. Doch nun war Timmy 5 Jahre alt. Bald würde er in die Schule gehen. Und schon jetzt verbrachte er beinahe den ganzen Tag in der Betreuung von Mrs. Miller. Timmy zu einer Tagesmutter zu geben, war Davids Idee gewesen. Der Junge brauche den Kontakt zu anderen Kindern. Aber Daisy langweilte sich allein zu hause.

Ben blickte sie fragen an.

"Du siehst nicht gerade überzeugt aus", stellte er lächelnd fest.

"Keine Panik, ich bin jedes Mal mit dabei. Und wenn etwas schief geht, dann richten wir das gemeinsam wieder."

Daisy atmete tief durch und nickte dann.

"Okay, ich bin dabei!"

Ben grinste von einem Ohr zum Anderen.

"Fantastisch. Dann schreibe ich dir meine Nummer und die Adresse des Freizeitclubs auf."

Er verschwand unter Deck. In diesem Moment hörte Daisy, wie Timmy nach ihr rief.

"Ben? Ich will dir keinen Stress machen, aber ich muss los. Mein Sohn ruft mich."

"Kein Problem, bin schon da!"

Ben streckte seinen Kopf aus der Kajüte hervor und überreichte ihr einen Zettel.

"Es war schön, deine Bekanntschaft gemacht zu haben. Und willkommen im Team."

Zum Abschied reichten sich beide die Hände.

Als Daisy die Wiese erreichte, wartete Timmy bereits auf sie. Er hatte seine Hose völlig eingesaut und war im Besitz eines neuen, bunten Balls, den er den anderen Kindern abgeschwatzt hatte. Sie lachte bei seinem Anblick und nahm ihn an der Hand.

"Ich glaube, wir fahren jetzt nach Hause und dann ab in die Wanne!"

Als sie sich umdrehte sah sie, dass Ben ihr zuwinkte. Auch Timmy drehte sich um und runzelte die Stirn.

"Wer ist das?"

Sie zwickte ihn liebevoll in die Wange.

"Während du neue Freunde gefunden hast, habe ich auch einen gefunden. Einen Freund mit einem Boot. Auf dem wir sogar mal mitfahren dürfen!"

"Wuhu!"

Timmy warf den Ball in die Luft.

"Super, Mama. Das hast du gut gemacht!", lachte er und dann liefen die Beiden um die Wette zum Auto.







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