Verdächtig

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Daisy genoss das Bad. Nach dem eiskalten Regen und dem verwirrenden Kuss von Ben war es genau das, was sie im Moment brauchte. Sie hatte gedacht, sie würde sich zuhause unwohl fühlen. Aber jetzt versank sie einfach zwischen den Bergen aus duftendem Schaum und alles fühlte sich ganz normal an. Sie wusste, dass sich David ebenfalls im Haus aufhielt. Aber das warme Wasser verdrängte alle Gedanken an den Streit und die schlechte Stimmung, die zwischen ihnen herrschte. Wenn Daisy ganz fest die Augen schloss hörte sie nur das knisternde Platzen der Schaumbläschen. Sie redete sich ein, der Streit sei längst vergessen. Maggys Anwesenheit würde David sicher milde stimmen. Ihre Schwiegermutter mochte zwar ein wenig herrisch sein. Sie mischte sich auch oft in Dinge ein, die sie nicht so viel angingen, wie sie vielleicht meinte. Aber sie liebte ihren Enkel abgöttisch und es beruhigte Daisy, dass sie sich keine Sorgen um Timmys Pflege machen musste. Maggy würde ihm einen Tee kochen, seine Temperatur kontrollieren, ihm etwas vorlesen, seinen Schlaf überwachen und ihn trösten, falls er vom Fieber geschüttelt aufwachte und weinen musste.

Und Maggy hatte recht konservative Vorstellungen von einer guten und glücklichen Ehe. Ein Streit passte gerade noch so in ihr Weltbild. Aber tagelange Zickereien und eisiges Schweigen hielt sie für völlig überflüssig. Sie würde David sicher ins Gewissen reden. David war Maggys erster Sohn und ihr absoluter Liebling. Sie hatte ihn oft verhätschelt, auch jetzt kam das noch manchmal vor, aber sie konnte auch streng und fordernd sein, wenn sie wollte. Und sie tolerierte keine Zwietracht zwischen David und Daisy. Schon öfter hatte sie bei kleineren Streits der Beiden den Diplomaten gespielt. Und Daisy setzte auch diesmal alles auf die Verhandlungskräfte ihrer Schwiegermutter.

Als Daisy erneut untertauchte und das Wasser wie eine Schutzschicht über ihrem Kopf zusammenschlug, hörte sie ein Geräusch, das so gar nicht in dieses Badezimmer passen wollte. Es klang wie ein dumpfes Summen. Zuerst dachte sie, eine Hummel oder eine Hornisse hätten sich durch das halb geöffnete Fenster in den Raum verirrt. Aber als sie wieder auftauchte bemerkte sie, dass das Summen von ihrem Handy kam. Es steckte in der Tasche ihrer Jeans, die quer über dem Handtuchhalter am anderen Ende des Raums hing.

Daisy stand auf und griff nach ihrem Handtuch. Maggy hatte es über die Heizung gehängt, so dass es nun schön warm war und sich noch flauschiger als sonst anfühlte. Bevor sie ihre Jeans aufheben und nachsehen konnte, hörte das Summen auf. Trotzdem warf sie einen Blick auf den Display. Ihr Herz machte einen kleinen Hüpfer, als sie sah, wer sie angerufen hatte. Ben. Gleichzeitig fühlte sie sich wieder schuldig. Sie wollte sich nicht in ihn verlieben. Sie kannte ihn ja kaum. Und sie hatte schon eine Familie, für die sie wie eine Löwin kämpfen würde, wenn es darauf ankahm.

Ja, sie würde sogar ihre Wut herunterschlucken und gleich ein sachliches Gespräch mit David führen. Sie würden sich wieder versöhnen. Und dann würde der Kuss mit Ben irgendwann genauso in Vergssenheit geraten wie ihr Streit mit David. Niemals würde sie David erzählen, was auf dem Parkplatz passiert war. Und sie betete inständig, dass in diesem Moment niemand an ihnen vorbeigelaufen war, der sie kannte.

Wie hatte sie sich überhaupt auf so eine Dummheit einlassen können? Sie befahl ihrem Herzen, still zu sein. Aber dennoch kribbelte es in ihrem Magen und sie hätte zu gern gewusst, was Ben ihr zu sagen hatte. Vielleicht war er ja zu der gleichen Entscheidung gekommen wie sie? Dass das alles nur ein Ausrutscher war? Warscheinlich durchlebte er in diesem Moment auch ein Wechselbad der Gefühle. Und warscheinlich kam er sich genauso dumm vor wie sie gerade.

Daisy trocknete sich ab. Obwohl sie sich gern noch einmal in die Wanne gelegt hätte, spürte sie, dass die zauberhafte Stimmung nun vorüber war. Und dass sie sich endlich dem Gespräch mit David stellen musste. Bens Anruf wirkte auf sie wie ein Hinweis; Entweder du klärst es jetzt, oder du verlierst dein Herz an einen Anderen.

Nur ein WortWo Geschichten leben. Entdecke jetzt