Böse Überraschung

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Als Daisy in ihre Einfahrt einbiegen wollte, sah sie, dass dort ein Polizeiauto parkte. Sie stoppte den Wagen und beruhigte Timmy, der sofort sehr aufgeregt war.

Er wollte natürlich unbedingt aussteigen und sehen, was passiert war.

"Bleib bitte im Auto, Schatz. Mami wird nachsehen, was da los ist"

Als sie die Tür des Wagens hinter sich schloss, kam ihre Nachbarin angelaufen.

Ms. St. Johns, eine stattliche Matrone jenseits der 60, wirkte aufgebracht.

"Es ist einfach nicht zu fassen", plapperte sie los, noch bevor Daisy fragen konnte, was denn eigentlich passiert war.

"Seit Wochen häufen sich die Einbrüche in dieser Gegend, und niemand tut etwas dagegen. Letzten Mittwoch haben sie in das Haus von Mabel Addams eingebrochen, vorgestern in die Wohnung der Hansons und jetzt das..."

Daisy lief es eiskalt den Rücken herunter. Sie entschuldigte sich bei Ms. St. Johns, hastete an ihr vorbei und sah, dass die Haustür sperrangelweit offenstand.

Gerade als sie hineingehen wollte, kam ihr ein Polizist entgegen.

"Sind Sie Mrs. Everlane?"

Daisy nickte.

"Uns wurde ein Einbruch gemeldet. Die Meldung kam von ihrer Nachbarin. Würden Sie bitte mitkommen, wir wollen feststellen, was gestohlen wurde."

Sie folgte dem Polizisten ins Haus und musste mit den Tränen kämpfen. Ihre gesamte Einrichtung warverwüstet worden. Offensichtlich hatten es die Täter auf Geld abgesehen, oder zumindest Wertgegenstände im Haus vermutet. An jeder Kommode waren die Schubladen herausgerissen worden. Schranktüren standen offen, der Inhalt der Schränke lag auf dem Boden verteilt. Die Einbrecher hatten Sessel umgeworfen und im Bad ihren Spiegel zerschlagen. Die scharfen Kanten der Scherben blitzten auf, als der Polizist das Licht einschaltete.

Daisy war völlig überfordert. Sie fühlte sich wie in Watte gepackt. Gleichzeitig raste ihr Herz und sie nahm allesum sich herum so klar und doch so unwirklich war, als sähe sie einen Film indem sie selbst die Hauptrolle spielte.

Hilflos wand sie sich an den Polizisten.

"Entschuldigen Sie, aber ich kann unmöglich sagen, ob etwas gestohlen wurde. Das ist ja das totale Chaos hier."

Halbherzig schob sie mit ihrer Fußsspitze ein paar Shampooflaschen beiseite, die mitten im Raum lagen. Wie sollte sie das bloß alles wieder aufräumen. Und wie sollte sie das Timmy erklären?

Der Gedanke, das fremde Menschen in ihren Sachen gewühlt hatten, war ihr schon sehr unangenehm. Ihr Haus, ihr sicherer Hafen, schien ihr plötzlich fremd und bedrohlich.

Wie mochte das alles dann nur auf ihren Sohn wirken?

"Das habe ich mir gedacht," antwortete der Polizist.

"Sie können gern morgen auf der Wache vorbeikommen und Meldung machen, was Ihnen fehlt.Wir haben bereits Fingerabdrücke genommen, aber machen Sie sich keine zu großen Hoffnungen. Die Täter trugen zwar keine Handschuhe, aber sie haben versucht, ihre Spuren zu verwischen. Im wahrsten Sinne des Wortes."

Daisy dankte dem Polizisten und verließ mit ihm gemeinsam das Haus. Draußen wartete Ms. St. Johns auf sie.

"Können Sie mir einen Gefallen tun?"

Daisy fühlte sich so erschöpft und müde wie schon lange nicht mehr. Der ganze schöne Nachmittagam Hafen war passè.

"Würden Sie Timmy für ein paar Stunden zu sich nehmen? Nur solange, bis ich alles wieder einigermaßen in Ordnung gebracht habe."

Ms. St. Johns stimmte zu.

"Das kann ich gerne machen. Sie arme. Und ihr Mann ist ja jetztauch nicht da. Falls sie sich unsicher fühlen, können Sie auch gern bei uns übernachten. Marcus kann Ihnen das Klappbett aus dem Keller holen."

Daisy lehnte dankend ab. Die Vorstellung, eine Nacht auf dem Klappbett von den St. Johns zu verbringen, das möglicherweise in deren mit Puppen vollgestopften Wohnzimmer aufgestellt werden würde, schreckte sie noch mehr ab als die bevorstehende Nacht allein mit Timmy in ihrem nun nicht mehr sicheren Zuhause.

"Aber wissen Sie," Ms. St. Johns kam ihr unangenehm nah, " Ich glaube, ich weiß schon, wer dafür verantwortlich ist."

Sie kratzte sich an ihrer großen Nase.

"Die Polizei will es vielleicht nicht einsehen, aber all diese Einbrüche haben erst begonnen, als hier vor ein paar Wochen dieser neue Jugendtreff aufgemacht hat..."

Der Jugendtreff? Dort wo Ben arbeitete? Und sie bald auch?

Daisy schüttelte den Kopf.

"Sie müssen sich irren. Das sind doch noch Kinder. Wie sollen die denn so etwas tun? Und wieso überhaupt?"

Aber Ms. St. Johns lachte nur verächtlich.

"Sie wissen anscheinend noch nicht, was das für Kinder sind? Alle aus sozialen Brennpunkten oder schwierigen Familien. Sie sollten besser darüber nachdenken, sich ein Sicherheitsschloss zu kaufen. Und nächste Woche ist drüben im Harbors Inn eine Versammlung. Wir wollen uns dafür einsetzen, dass dieser  Treff wieder geschlossen wird. Damit nicht noch mehr Unheil passiert!"


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