Freiheit, Frieden und Ruhe

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"Wir haben uns auf der anderen Seite der Insel versteckt, bis sie wieder abgezogen sind. Dein Schiff haben sie einfach stehen lassen, allerdings haben sie alles, wirklich alles mitgenommen, was sie darauf gefunden haben. Dann sind sie abgezogen. Wir sind ihnen in einigem Abstand gefolgt und haben uns in diesem Hafen unters gemeine Volk gemischt. Danach war es ein Kinderspiel deine Befreiung zu planen. Dass du baden gehst war zwar nicht vorgesehen, aber das macht nichts.", klärt mich Sara auf, während sie den Schnitt an meinem Oberarm versorgt. Flavio und Leonardo stehen in einer Ecke des Raums und unterhalten sich leise. Mir entgeht nicht, dass er immer wieder zu uns, oder besser gesagt, zu Sara rüberschaut. "Sara?" "Hm?" "Wie siehts bei dir eigentlich bei den Jungs aus?", frage ich leise. Sie muss grinsen. "Mädelsgespräch, wie? Sowas hatten wir schon lang nicht mehr. Na gut. Es gibt da jemanden, einen aus Flavios Crew. Ich hab dir bis jetzt nichts gesagt, weil... naja er aus Flavios Crew ist." Ich ziehe scharf Luft ein. "Siehst du, das habe ich gemeint." "Nein, nein, du hast etwas zu fest zugezogen. Bei dem Schnitt meine ich." Sara entschdigt sich sofort. "Sara? Ist dieser Jemand rein zufällig diesen hübschen jungen Mann in der Ecke namens Leonardo?" Sie sieht mich erschrocken an. "Woher weißt du...?" "Weil er die ganze Zeit zu uns rüber schaut. Also, wie lange geht das schon?" Sara druckst herum. "Seit... länger schon, es hat angefangen an dem Abend auf der Insel. Ich hab ihn bei Küss die Flasche gedreht und dann... naja nachher haben wir weitergemacht.... Aber jetzt zu dir. Wer ist es?" "Wie kommst du denn darauf, dass...?" Sie sieht mich mit diesem Also-bitte-versuch-nicht-mir-was-vorzumachen- Blick an. "Also gut... ich...", ich werde von Leonardo unterbrochen. "Sara, bist du fertig?" Sie nickt ihm lächelnd zu. "Kommst du mit in die Küche?" Wieder ein Nicken. Die beiden verschwinden und lassen mich mit Flavio alleine. Wir schweigen. Plötzlich fällt mir auf, dass wir das erste Mal seit dem Kuss alleine sind. Ich atme tief durch. Krieg jetzt ja nicht die Panik. "Wie geht es deinem Schnitt?", fragt er mich sanft. "Ganz gut, denke ich." Er nickt. Wir schweigen wieder. Ich überlege mir fieberhaft einen Vorwand, um weg zu können, damit er keine Chance hat... "Nataila, ich muss dich was fragen." .... über den... "Wieso bist du weggelaufen?" ...zu spät. Ich schlucke. Er setzt sich auf die Tischplatte vor mir. Ich schaue zu ihm hoch, in diese wunderschönen braunen Augen und versinke darin. "Wieso bist du weggelaufen?" "Ich... ich wollte nicht nochmal drehen." Eine furchbare Ausrede, dessen bin ich mir bewusst und auch Flavio weiß, dass ich nicht die Wahrheit sage. "Wieso sagst du mir nicht die Wahrheit?", fragt er leise, eher sich selbst als mich. "Flavio, ich..." "Vertraust du mir nicht?", fragt er noch leiser. Er fährt sich durch die Haare. "Doch, das tue ich.", flüstere ich. "Wieso sagst du es dann nicht?" Ich antworte nicht. Ich kann ihm doch nicht sagen, dass ich mich in ihn verliebt habe. Flavio sieht mich an. Tut nichts, sieht mich einfach nur an. In seinen Augen sehe ich Verzweiflung. Ich bin kurz davor es ihm zu sagen. Ich kann ihn nicht so leiden sehen. "Es... es ist so, dass ich..." Plötzlich bekommt Flavio große Augen. "Nein. Sag nichts, was du hinterher vielleicht bereust." Das Schiff schaukelt und die Kerze, die die einzige Lichtquelle im Raum war, fällt zu Boden und geht aus. Es wird dunkel. Ich sehe gar nichts mehr, denn unerklärlicherweiße hat Flavio keinr Fenster. Für einige Sekunden ist es vollkommen still. Ich greife nach vorne, um den Tisch zu erwischen und mich zur Tür zu tasten. Stattdessen stößt meine Hand an Flavios Brust. Ich hole zitternd Luft, als ich bemerke, dass sie ziemlich nahe ist. "Flavio?" Nein! Tu das nicht, du weißt, was mit Zacarias war! - Na und, Flavio ist nicht Zacarias! Er würde mich nie so verletzen! - Das hast du bei Zac auch gesagt und was ist passiert? "Schsch! Sag jetzt einfach... nichts, okay? Sag einfach gar nichts. Egal wie falsch es dir vorkommt, lass es einfach für einen einzigen Moment richtig sein." Kann er Gedanken lesen? Genau das ist es. Es ist falsch. Ich meine, es ist... es ist schwer zu erklären, aber... mein Schutzpanzer untersagte soetwas. Ich habe ihn mir zugelegt, nachdem das mit Zacarias passiert ist und er hat mir gute Dienste geleistet. Trotzdem. Flavio hat recht. Ich sollte es richtig sein lassen. Nur für den Moment. "Okay.", flüstere ich. Langsam sehe ich in der Dunkelheit Umrisse. Flavio ist noch näher gekommen. Wo ist dein Problem, Alia? Ich meine auf der Insel war es doch auch kein Problem. Wo ist der Unterschied zu jetzt? - Es war ein Spiel, es hat nichts bedeutet. Das hier ist... anders. Das hier ist wirklich. Jetzt spüre ich seinen heißen Atem auf meinen Lippen. Nur noch wenige Zentimeter trennen uns. Das Schiff schwankt wieder. Die Tür wird aufgerissen. Ich schrecke zurück, Flavio setzt sich wieder auf, schaut kurz weg und ballt seine Hand zur Faust. In der Tür steht Leonardo. "Das solltet ihr euch ansehen." Ich stehe auf und gehe nach draußen, Flavio folgt mir kurz danach. Draußen regnet es in Strömen. Die Wellen werden immer höher, was das Schaukeln des Schiffs erklärt, Blitze zucken über den nachtschwarzen Himmel, Donner grollen. "Segel einholen, bringt alles unter Deck, sichert die Kanonen.", brüllt Flavio, nachdem er die Situation erfasst hat. Ich sehe ihn kurz an. Hat er mich gerade tatsächlich fast geküsst? Reiß dich zusammen, Mädchen. Du hast dringendere Probleme! Hach, wie ich Nati liebe. "Flavio, die Kanonen sind unser geringstes Problem.", schreit Leonardo über einen Blitz hinweg. Er zeigt in eine Richtung. Als ich sehe, was er meint, kann ich nur leise zu mir selbst sagen:" Guter Gott steh uns bei." Die Wellen schleudern uns auf ein paar Inseln zu, vollkommen kahl, die wie dir Spitzen eines Dreizacks aus dem Wasser ragen. Sie sind nicht groß, allerdings groß genug, um ein Schiff auflaufen und eine Crew ertrinken zu lassen. Auch Flavio neben mir ist vollkommen geschockt. "Verfluchte scheiße." Wie werden immer näher an die Felsen getrieben. Sara steht plötzlich neben mir. "Kaptain, ich fürchte wie werden an diesen Felsen zerschellen." "Sehe ich auch so." Das Schiff wird von einer Welle nach oben gehoben und wieder nach unten gezogen, direkt auf die Spitze eines Felsen zu. Ich kann die Angst in Saras Augen sehen. "Irgendwelche letzten Befehle?" "Sei nicht immer so pessimistisch.", gebe ich lächelnd zurück. "Wir werden sterben und du sagst..." "Ah! Was haben wir gesagt?" Dann kommt das Schiff auf dem Felsen auf und ich werde von Bord geschleudert. Salzwasser umfängt mich, dringt in meine Nase und in meinen Mund. Ich paddle mit den Armen, versuche an die Oberfläche zu kommen, um nach Luft schnappen zu können. Mir fehlt die Orientierung, ich habe keine Ahnung, ob ich überhaupt nach oben schwimme. Das Meerwasser durchflutet meinr Lungen und ich versuche zu husten. Dann bin ich wieder an der Oberfläche. Ich huste und fülle meine Lungen wieder mit Luft. Die Wellen schmeißen mich hin und her, tauchen mich unter, lassen mich wieder nach oben. Ich versuche immer noch zu schwimmen, vielleicht einen Felsen zu erreichen, um daran hochzuklettern und zu warten, dass alles vorübergeht. Eine weitere Welle drückt mich unter Wasser. Diesmal schaffe ich es nicht wieder aufzutauchen. Abermals fliest das Wasser im meine Lungen, Luftblasen steigen aus meiner Nase, das Blut rauscht in meinen Ohren. Ich versuche an Luft zu kommen, aber ich finde nichts als Wasser um mich herum. Panik überkommt mich und ich versuche wieder einzuatmen. Es gelingt mir nicht. Das Wasser in meiner Lunge tut, was es immer tut: nimmt einem weiteren Seeman die Luft, das Leben. Das Meer ist grausam, denke ich. Vor wenigen Minuten bedeutet es noch Freiheit, Frieden und Ruhe. Dann weckst du seinen Zorn und es lässt seine entfesselte Kraft auf dich los, um dich auszulöschen, aufdass du als Futter für die Haie dienen kannst. - Das klingt schön, du solltest das aufschreiben. Wenn auch ein wenig pessimistisch. - Weißt du, vielleicht ist das hier genau das, was das Meer immer für mich war. Vielleicht ist der Tod, den das Meer mit sich bringt, genau das, was das Meer bedeutet: Freiheit, Frieden und Ruhe.

Fluch der Liebe - Die Geschichte eines PiratenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt