Te Amo

101 9 3
                                    

Als die Sonne aufgeht, laufen wir in den Hafen ein. Ich komme verschlafen von unter Deck hervor, sehe, wo wir sind und taumel zurück. Flavio fängt mich auf und stellt mich wieder auf die Füße. Ich bin den Tränen nahe, Erinnerungen schwappen über mich. "Natalia, was ist los?" Ich schaffe es nicht, zu antworten. "Alles okay?" Das einzige, was ich zustande bringe, ist ein Kopfschütteln. "Es liegt an diesem Ort, nicht wahr? Irgendetwas ist damit." Ein Nicken, zum Sprechen bin ich immer noch nicht fähig, als ich versuche, die Treppen wieder hinauszugehen scheitere ich kläglich. Flavio trägt mich die Treppen hinunter. Ich lehne mich an die Wand, rutsche daran hinunter und hole zitternd Luft. Flavio kniet sich vor mich hin. Einr einzelne Träne rinnt meine Wange hinunter. "Das ist nicht möglich.", flüstere ich kaum hörbar und raufe mir die Haare.
Es braucht eine weitere halbe Stunde und eine halbe Flasche Rum, bis ich in der Verfassunf bin, darüber zu sprechen. "Das ist mein Heimatdorf." Flavio sieht mich verständnislos an. Er weiß gar nichts über meine Kindheit. "Meine... meine Mutter war eine Hure im besten Bordell dieser Stadt. Sie bekam mich und Olivia und ein weiteres Kind, dass bei der Geburt starb. Dann, eines Nachts kamen drei Männer zu ihr. Sie tat ihren Job und bereitete ihnen Freude, dann weigerten sich die Fremden zu zahlen. Meine Mutter blieb standhaft und verlangte, was ihr zustand, dann wurden die drei aggresiv und... und ermordeten sie. Ich habe die Schreie gehört und bin ins Zimmer gestürzt, aber ich fand nur noch meinr sterbende Mutter." Flavio starrt mich fassungslos an. Dann nimmt er mich einfach in den Arm. "Ich besorg uns ein Schiff, dass uns hier wegbringt, so schnell wie möglich, bis dahin kannst du hierbleiben.", flüstert er in meine Haare. "Danke."
Es funktionierte nicht. Der Kaptain der Morgendämmerung schmiss uns raus und wir mussten uns ein Hotel suchen. Ich bin immer noch total fertig, Flavio ist durchgehend im Hafen und sucht nach einem passenden Schiff.
Irgendwann halte ich es im Zimmer des Gasthauses nicht mehr aus und gehe nach draußen. Es ist unglaublich, wie vertraut die Straßen mir nach all den Jahren noch sind. Wie von selbst tragen mich meine Füße weiter in die Stadt hinein. Vor einem bestimmten Haus bleibe ich stehen und schaue daran hinauf. Die dunkle Fassade hebt sich von den anderen ab, die Fenster sind mit dicken Vorhängen aus farbenfrohem Stoff verhängt, trotzdem hört man Geräusche von innen. Alles ist so, wie an dem Tag, an dem ich mit Zoé und Cloe weggelaufen bin. Es ist, als wäre ich nie weggewesen. Ich mache einen Schritt auf die Tür zu, dann noch einen. Ohne es zu wollen stehe ich plötzlich drinnen. Tische stehen herum, in den Ecken wurden gemütliche Sitzplätze eingerichtet. Mehrere leicht bekleidete Mädchen laufen umher, an ein paar Tischen sitzen Männer mit Mädchen auf dem Schoß, die über etwas lachen, in einer Ecke sitzt ein Pärchen, das Mädchen in der Hose des Mannes, seine Hände auf ihrer Brust, die Zungen im Mund des jeweils anderen. Ich wende mich ab und suche nach einem bekannten Gesicht, finde aber keines. Das Sortiment hat vollständig gewechselt, zumindest das, was ich hier sehe. Kein Wunder, als Hure bleibt man nicht lang im Geschäft. Eine Frau kommt aus einer Tür, vollbehängt mit Schmuck, gekleidet in den edelsten Stoff, mit einer Hochsteckfrisur, die ihresgleichen sucht. Als sie mich sieht, kommt sie auf mich zu. Im ersten Moment erkenne ich sie gar nicht, aber dann wird mir bewusst, dass nicht alles sich verändert hat. Es ist definitiv Laila. Sie erkennt mich nicht und herrscht mich an. "Was willst du hier, Kind? Bei uns in die Dienste treten? Dann musst du aber dein Aussehen gehörig verändern. Und Neulinge werden nicht gut bezahlt, bis sie sich als nützlich erwiesen haben. Wie steht es um deine Schauspielkünste?" Mein Gesicht verzieht sich zu einem Grinsen, das erste Mal seit Tagen. "Laila, Laila, geht man so mit alten Freunden um? Hat dir denn niemand auch nur ein bisschen Respekt eingebläut?" Genau das hat sie gesagt, als ich einmal meine Mutter unterbrochen habe, während sie ihre Pflicht tat. Lailas Gesicht hellt sich auf. "Natalia? Bist du es wirklich? Meine Güte bist du aber gewachsen. Was führt dich hierher? Willst du vielleicht wirklich hier anfangen?" Bei dem Gedanken schaudere ich. "Nein danke, ich... eigentlich weiß ich nicht, wieso ich hier bin. Kann ich... kann ich das Zimmer sehen?" Wenn ich schon hier bin, kann ich mit dem ganzen vielleicht abschließen. Laila nickt leicht, in ihren Augen spiegelt sich Sorge. Sie führt mich eine Treppe rauf, durch einen Gang dann in das Zimmer. Eigentlich kenne ich den Weg in- und auswendig. Ich betrete das Zimmer und höre, wie Laila die Tür hinter mir schließt. Ich bin allein. Der Raum hat sich kaum verändert, das riesige Bett steht immer noch da, dort, wo es immer gestanden hat. Am Fenster mit den roten Vorhängen steht eine Kommode, in der immer der Schmuck und die Kleidung meiner Mutter lagen. Auf dem Bett liegt ein Mädchen. Sie beobachtet mich verwundert. "Ein Mädchen haben sie mir noch nie geschickt, aber ich denke, das bekomme ich auch hin." Sie lächelt freundlich. Ich starre sie an. Das hatte ich nicht erwartet. Sie erinnert mich irgendwie an Sofia, mit den langen, honigfarbenen Haaren, den blauen Augen und der Art, wie sie sich bewegt, als sie auf mich zukommt. Sie kann nicht älter als fünfzehn sein, hatte aber vermutlich schon mehr Männer im letzten Jahr, als alle ehrbaren Frauen dieser Stadt zusammen. Sie steht jetzt direkt vor mir. Sie riecht nach Jasmin und Rosen. Denkt sie wirklich ich bin hier, um mit ihr rumzumachen? Offensichtlich, denn jetzt drückt sie ihre Lippen auf meine und beginnt meine Bluse aufzuknöpfen. Was glaubst du, wie ist es, wenn wir weitermachen? - HAST DU DEN VERSTAND VERLOREN? Sanft drücke ich sie weg. Irritiert sieht sie mich an. "Ich bin nicht dafür hier. Ich... das hört sich für dich jetzt sicher seltsam an, aber ich habe einmal hier gewohnt. In diesem kleinen Nebenzimmer um genau zu sein. Ich wollte nur noch mal... hier her kommen, bevor ich die Stadt verlasse." Die Lüge ging mir leicht über die Lippen. "Und du willst sicher nicht...?" Sie legt eine Hand auf meine Lippen, mit der anderen fährt sie in meine Bluse, nimmt meine rechte Brust und drückt kurz zu. Ich schüttle den Kopf und tauche an ihr vorbei. Langsam wird es mir unangenehm. "Kannst du draußen warten? Ich würde gerne kurz allein sein." Das Mädchen nickt leicht enttäuscht und verschwindet. Ich gehe in den kleinen Nebenraum. Mein Zimmer, dass ich mir mit Olivia geteilt habe. Es hat sich nicht verändert, offenbar wird es nicht mehr benutzt. Die zwei kleinen Betten standen immer noch genau so, wie Olivia und ich sie zusammengeschoben hatten, es hingen immer noch Kleider über dem Bettpfosten. Ich legte mich in das viel zu kleine Bett und starrte an die Decke. Plötzlich bin ich wieder zehn Jahre alt, liege friedlich schlafend in meinem Bett.
Ich werde von einem Geräusch geweckt. Olivia schläft friedlich neben mir. Was hat mich geweckt? Im Nebenzimmer stöhnt meine Mutter auf, aber daran habe ich mich mittlerweile gewöhnt. Irgendwann kehrt Ruhe ein. Ich höre die Stimme meiner Mutter und die mehrerer Männer. Sie scheinen zu streiten, aber ich verstehe die Wörter nicht. Plötzlich schreit meine Mutter auf. Stiefel trampeln über den Boden, eine Tür wird zugeschlagen. Dann wird es still. Zu still. Ich stehe auf, mache vorsichtig die Tür zum anderen Raum auf und stecke den Kopf durch den Spalt, um zu sehen, was los ist. Meine Mutter liegt am Bett, keucht. Sie bemerkt mich nicht. Langsam gehe ich auf das Bett zu. Meine Mutter liegt auf den weißen Laken, um sie herum breitet sich rote Farbe aus. Rot und dick wie die Vorhänge fließt das Blut aus einer Wunde direkt über ihrem Herzen und färbt ihre Haut und das Bett rot. Ich schreie auf und klettere in das Bett. Jetzt bemerkt mich meine Mutter. "Natalia. Geh. Geh und hol deine Schwester. Verschwindet hier. Bringt euch in Sicherheit." "Nein." Feuchte Tränen laufen mir über die Wangen und ziehen Spuren auf meinem Gesicht und im Blut auf dem Bauch meiner Mutter. Ich weine. Weine immer weiter, während der Atem meiner Mutter immer flacher wird. Sie hat Schmerzen, will sie aber vor mir nicht zeigen. "Natalia. Geh mit deiner Schwester. Bringt... bringt euch in Sicherheit. Findet den Bruder." Was sie sagt ergibt keinen Sinn. Wir haben keinen Bruder. Die grünen Augen meiner Mutter sind mit Tränen gefüllt, als ich mich auf sie werfe und sie festhalte. Ich versuche das Blut zu stoppen, das unaufhörlich aus dem Loch in ihrer Brust fließt. Ich streiche mit den blutigen Händen durch ihr schwarzes Haar, um sie zu beruhigen, wie sie es bei mir immer gemacht hat. Ich versuche sie festzuhalten, damit sie nicht weggeht. Damit sie am Leben bleibt. Ich weile unaufhörlich, kann nicht aufhören, Mutters Atem wird immer flacher. Ich kann nichts dagegen tun, muss hilflos zusehen, wie sie in meinen Armen stirbt. Ich bin schon vollkommen blutverschmiert, als sie noch ein letztes Mal Luft holt. "Te amo, Olivia. Te amo, Elvio.Te amo, Natalia." Dann hört ihr Herz auf zu schlagen. Ich schreie. Weine. Schreie, bis ich heißer und weine, bis alle Tränen versiegt sind. Im Morgengrauen findet mich Laila über der Leiche meiner Mutter, ich halte den kalten, toten Körper fest umklammert und schluchze ohne Stimme, ohne Tränen, ich bin vollkommen in ihr Blut getränkt. Sie ist tot. Die Frau, die mir immer zärtlich durchs Haar gestrichen und mir vorgesungen hat, wenn ich nicht einschlafen konnte, die Frau, die meine Schwester beruhigt hat, wenn ich es nicht konnte, die Frau, sie zehn Jahre lang als einzige für mich da war ist tot. Sie ist in meinen Armen gestorben und ich konnte nichts dagegen tun. Ein Teil von mir starb in dieser Nacht. Ein Teil von mir wurde mit meiner Mutter ermordet. Aber ich kann nicht aufgeben. Laila hat uns nur hier wohnen lassen, weil Mutter da war. Jetzt bin ich hier nicht mehr sicher. Ich schnappe mir meine Schwester, die von allem nichts ahnt, die denkt, Mum ist einfach im Schlaf gestorben, die zwei anderen Mädchen im Haus und verschwinde. Verschwinde, frst davon überzeugt nie wieder hier her zurückzukehren. Noch lange danach höre ich vor dem schlafengehen ihre letzten Worte. Te amo, Olivia. Te amo, Elvio. Te amo, Natalia. Aber ich vergieße keine Träne. Ich bleibe stark, für Olivia, baue für uns ein neues Leben auf. Te amo. Ich liebe dich.

____________________________________

Wichtig!!! Bitte lesen!!!

Hallo alle zusammen! Ich habe eine bitte: jeder, der das hier ließt, lässt bitte ein kommentar da, damit ich weiß, wer das hier aller liest!

Habt ihr es gelesen??

Ansonsten bedanke ich mich bei allen einmal, die hier fleißig lesen und voten. Ich weiß, dass das hier fast keiner liest, aber ich wollte es trotzdem mal gesagt habe

Bis dann
Tinti

Fluch der Liebe - Die Geschichte eines PiratenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt