Kapitel 2 - Ein Gelungenes Wiedersehen
Lillys Sicht
Störrisch stampfte ich mit meinem gesunden Fuß auf. „Wie oft soll ich es dir noch sagen? Ich werde ihn nicht verlassen"
„Du solltest wirklich wieder einmal an die frische Luft", meinte Sam ruhig und sah mich ernst an.
„Nein!"
Sam seufzte nun doch leicht entnervt auf. „Du und dein Dickkopf" Er rieb sich müde über die Augen. „Nun hör mal. Du verlässt ihn doch nicht, nur weil du dir ein bisschen die Beine vertrittst"
trocken lachte ich auf. „Da wären wir ja schon beim nächsten Punkt. Ich kann ja nicht einmal laufen. Oder wie hast du dir das vorgestellt...mit einem gebrochenen Bein?" Verstand er nicht, dass ich hier nicht wegkonnte und auch nicht wollte? Weder physisch noch psychisch. „Wirklich Sam. Jemand sollte bei ihm bleiben"
„Ja der Meinung bin ich auch", meinte Sam und deutete zur Tür. „Und deswegen hab ich nach einer Aushilfe gesucht"
Nun zu verwirrt um weiter zu protestieren, hörte ich, wie sich schwere Schritte näherten. „Du hast was...?", fing ich an, brach aber abrupt ab, als ich sah, wer sich da durch die Tür in den dunklen Raum schob. „Dwalin?", rief ich entgeistert aus und sah den Zwerg finster an. „Warum hast du ihn geholt? Reicht es dir etwa nicht, dass ich mehrere Verletzungen habe? Soll etwa auch noch Bluthochdruck zu einem Problem von mir werden?", fauchte ich und funkelte Dwalin an, der in der Tür stand.
„Ich bin hier um zu helfen", meinte dieser jedoch ruhig ohne auch nur die geringste Spur von Häme in seiner Stimme. Sein Blick glitt erst über Thorin, der in seinem Bett lag und dann über mich. „Dein Freund hat mich informiert, dass es dir nicht gut geht und dass ich dich ablösen soll"
„Ich habe es schon einmal gesagt. Ich werde nicht gehen", sagte ich entschlossen. Wann verstanden sie es endlich? Ich konnte hier nicht weg.
Sam atmete noch einmal tief durch, ehe er gezwungen ruhig sprach. „Ich gebe dir jetzt die letzte Chance dies freiwillig zu tun, ansonsten platzt mir der Kragen und ich schleife dich höchst persönlich hinter mir her"
„Wenn du mich anfasst, dann...", fauchte ich angriffslustig.
„Dann was?" Sam sah mich herausfordernd an. „Ich schätze, das wird ein kurzer Kampf werden – du hast selbst gesagt, dass dich deine Verletzungen an dieses Zimmer fesseln"
Ich schnaubte und verschränkte die Arme. „Siehst du, jetzt hast du auch verstanden, warum ich hier nicht wegkann"
„Es geht aber hier nicht um dich", brüllte Sam nun fast und sah mich unverhohlen an.
Verständnislos blickte ich zurück „Was?"
„Es geht hier nicht um dich", wiederholte er sich, nur um einiges leiser. „Es ist...Sarah. Denkst du, du bist die einzige, die Schäden in Kauf nehmen musste, die Verluste zu tragen hat? Denkst du, du bist die einzige, die Schlimmes erlebt hat?" Müde ließ er sich nun wieder auf den Stuhl sinken. „Ist dir aufgefallen, dass Sarah dich noch kein einziges Mal besucht hat? Nein, du warst so mit dir und deinem Selbstmitleid beschäftigt, dass du nicht darauf geachtet hast, was andere verloren haben"
Er stockte und in mir brandete eine Welle aus Scham auf, die von einer quälenden Frage begleitet wurde.
„Ist Kíli gefallen?"
Sam nickte stumm und ich biss mir schmerzhaft auf di Lippen, während ich mir vor Augen führte, wie egoistisch ich war. Es war nicht so, dass ich über Thorins Situation froh war, doch immerhin gab es bei ihm eine, wenn auch minimale Chance, dass er sich wieder erholte.
„Ich...es tut mir leid", murmelte ich geschlagen. „Wirklich...ich hatte nicht gedacht, dass..."
„Das andere auch mit Problemen zu kämpfen haben?", vollendete Sam trocken meinen Satz.
Für einen kurzen Moment wallte Wut in mir auf. Es war schließlich nicht so, dass mir Sarahs Schicksal gleichgültig war. Ich hatte nur selbst mit dem meinigen zu kämpfen gehabt. Doch dann nickte ich einfach nur mit dem Kopf.
„Wie geht es ihr?"
„Wenn man mal von ihrer psychischen Verfassung absieht, dann ist sie kerngesund"
„Also schlimm"
„Na was denkst du denn? Du bist ja schon ein Wrack, dabei bestehen für Thorin durchaus noch Genesungschancen. Jetzt überleg mal wie es dir gehen würde, wenn er mit einer Axt im Schädel vor dir liegen würde"
Ich schluckte hart und versuchte über Sams bitteren Sarkasmus hinwegzuhören. „Kann ich zu ihr?"
„Natürlich" Sams Stimme klang nun um einiges sanfter. „Du musst dafür nur das Zimmer verlassen"
„Aber ich kann ni-"
Sam warf frustriert die Arme in die Luft. „Meine Güte Lilly, Thorin wird dir nicht weglaufen wenn du mal kurz das Zimmer verlässt"
Ich sah ihn ruhig an. „Das war nicht lustig"
Sam seufzte und nickt. „Tut mir leid"
„Ich will ja mitkommen. Aber ich weiß einfach nicht wie" Ich deutete auf mein geschientes Bein und auf die anderen Verletzungen.
„Tja, dafür hat Dwalin dir etwas mitgebracht"
Verwirrt blickte ich nun erstmals wieder zurück auf den Zwerg, dessen Anwesenheit ich beinahe verdrängt hatte. Dwalin hatte sich bemüht im Hintergrund gehalten, konnte ich mir doch denken, dass er nicht sehr scharf darauf gewesen war sich in unser Streitgespräch einzumischen.
„Ich habe auf Geheiß von Sam Krücken anfertigen lassen", erklärte er und verwies mit den Fingern au zwei aus Holz gefertigte Gehhilfen.
„Anfertigen lassen?", wiederholte ich seine Worte, während Sam sie mir reichte.
Dwalin nickte. „Bofur hat sie aus festem Eichenholz geschnitzt"
„Richte ihm meinen Dank aus", murmelte ich und umfasste die Griffe der Krücken, bevor ich mich vom Stuhl hochstemmte. Ich spürte, wie unangenehm sich meine Verletzte Haut über den Wanden spannte und biss die Zähne zusammen.
„Das kannst du gleich selbst tun, wenn du ihn triffst"
Ich nickte stumm und humpelte an Thorins Bett. „Pass gut auf ihn auf", murmelte ich und sah Dwalin fest an. „Unterrichte mich wenn irgendetwas passiert"
„Er wird in guten Händen sein", versprach er und setzte sich an den Platz neben Thorins Bett.
„Komm schon Lil" Sam legte mir die Hand auf die Schulter. Ich seufzte tief und nickte. Es war kein gutes Gefühl, mit dem ich diesen Raum verließ, doch wusste ich, dass wenn ich es jetzt nicht tat, dann würde ich es nie tun.
„Ich bin froh dass es dir besser geht!", meinte Sam nun und führte mich langsam den Gang entlang, auf dem großes Getümmel herrschte.
„Was ist denn hier los?", fragte ich überrascht nach.
„Naja, du hast ziemlich viel verpasst, als du nicht aus deinem Zimmer heraus gegangen bist. Der Erebor wird wieder aufgebaut. Dáin und sein verbliebenes Heer bleiben noch eine Weile und helfen den Berg bewohnbar zu machen", erklärte mir Sam und bog um eine Ecke.
„Und wie lange bleiben sie noch?", fragte ich und sah etwas perplex einem Zwerg zu, der sich gerade zwei riesige, zertrümmerte Felsbrocken auf den Rücken lud und sie schnaufend fortbrachte.
„So lange bis er sicher gehen kann, dass Thorin wieder genesen wird", meinte Sam und lotste mich um eine Ecke.
„Und was wenn das nicht der Fall ist?", fragte ich leise, als mich wieder das alte, drückende Gefühl überfiel.
„Dann wird er wohl bleiben", meinte Sam und ich verstand.
Ein Schweigen breitete sich aus, während ich Sam nur durch den Berg folgte und geschäftigen Zwergen auswich, die eifrig um uns herumwuselten.
„Wann kommen die Zwerge aus den Blauen Bergen?", fragte ich nun um mich von dem Unangenehmen abzulenken.
„Du weißt ja noch wie lang wir für die Reise gebraucht haben. Fünf Monate dürften es schon noch sein, mindestens", erklärte Sam und blieb vor einer Türe stehen. „Hereinspaziert", grinste er und stieß die Türe auf. Als ich hinein trat fielen alle Blicke auf mich und ich konnte erstauntes Gemurmel hören. Vor mir saßen alle meine Gefährten beim Essen.
„Lilly", rief Gandalf erfreut und stand auf um mich zu begrüßen. „Wie geht es dir?"
„Erstaunlicherweise sogar gut", gestand ich von mir selbst überrascht. Es tat tatsächlich gut hier zu sein und nicht in dem dunklen Zimmer. Ich zwang mich zu einem Lächeln. „Und dir?"
„Kann mich nicht beklagen, aber setz dich doch. Setzt dich", sagte Gandalf eifrig und bugsierte mich zu einem Stuhl auf den er mich drückte.
„Danke", murmelte ich und blickte in elf Gesichter, die mich alle gespannt musterten.
„Willst du etwas essen, meine Liebe?", fragte Balin. Mein Blick fiel auf einen dampfenden Topf Suppe und einen großen Korb mit duftendem Brot.
Zögerlich nickte ich und erst als die warme Brühe meine Kehle hinunterlief verspürte ich die langen Tage, an denen ich nichts gegessen hatte.
„Das schmeckt köstlich"
Bombur strahlte und schob mir den Brotkorb zu. „Habe ich selbst gemacht", grinste er. „Und das Brot ist frisch aus dem Ofen"
Ich dankte ihm noch einmal und spürte wie mir das Lächeln immer leichter fiel. Dennoch sah ich leicht verwirrt zu Sam. „Wo ist Sarah? Ich dachte du bringst mich zu ihr"
„Und ich dachte, dass es besser ist, wenn du vorher was gegessen hast"
„Danke" Ich ergriff den Löffel und begann weiter zu essen, als ich bemerkte wie mich alle anstarrten.
Perplex ließ ich den Löffel sinken. „Was ist?"
Bilbo räusperte sich verlegen, bevor er zaghaft zu sprechen anfing. „Naja, wir fragen uns, was genau da oben auf dem See passiert ist. Nur du und Thorin waren beim Kampf mit Azog dabei, bis wir euch schließlich beide auf dem See gefunden haben"
„Ihr habt uns gefunden?"
„Gandalf und ich", erklärte der Hobbit. „Thorin stand noch auf den Beinen, als wir euch entdeckt hatten"
„Er stand noch?", hauchte ich und dachte an die letzten Momente zurück, an die ich mich erinnern konnte.
Gandalf sah mich ruhig an. „Er hatte deinen leblosen Körper in den Armen und wollte dich partout nicht loslassen. Schließlich ist er selbst umgekippt" Ich lief rot an und versuchte gleichzeitig den Schrecken zu verbergen.
„Er hat versucht mich zu retten", murmelte ich und spürte wie sich mein Magen zusammenzog. Hätte er mich einfach liegen gelassen, dann ginge es ihm jetzt nicht so schlecht, dann hätte er vielleicht überlebt. „Aber ich war doch eigentlich schon..."
„Tot", beendete Gandalf meinen Satz und ich nickte. Ich hatte es gewusst, Thorin hatte es gewusst. Ich hätte eigentlich nicht überleben dürfen. Azogs Schwert hatte mich dafür viel zu sehr erwischt.
„Ja es war nicht ganz einfach, doch ich habe es geschafft, deine Wunde so zu verschließen, dass sie nicht mehr lebensgefährlich war. Dein Herz fing von ganz allein wieder an zu schlagen"
„Und Thorin?"
„Bei ihm war die Prozedur etwas komplizierter"
Gerade wollte ich weiter nachhaken, als ich bemerkte wie Sam neben mir schon die ganze Zeit den Kopf schüttelte und sich den Finger vor den Mund hob, als Zeichen dafür, dass sie mich nicht auf dieses Thema ansprechen sollten.
Ich seufzte. „Ist schon in Ordnung", meinte ich an ihn gewandt und drehte mich wieder Bilbo zu, der wie auch alle anderen, mich immer noch gebannt anstarrte.
Ich schloss die Augen und erinnerte mich zurück an den Augenblick und schmerzhafte Erinnerungen brandeten auf mich ein. Ich verzog das Gesicht und presste mir die Hände auf die Augen. Ich würde jetzt nicht weinen. Nicht vor allen anderen, die hier vor mir saßen.
„Ich...-", stammelte ich, doch ich konnte diesen Moment nicht noch einmal durchleben. „Was war bei euch noch so los?", brachte ich schließlich stoßweise heraus und nahm mir hastig noch ein Stück Brot. Ich spürte, wie Sam mir sanft eine Hand auf den Rücken legte und atmete dankbar auf, als er auf den Themenwechsel einstieg.
„Oh ganz schön viel. Überall gibt es Baustellen, sogar bei den Elben und Menschen"
„Wie du vielleicht bemerkt hast, wollen wir den Erebor wieder bewohnbar machen", meinte Bofur, der einen verbundenen Arm in einer Schlinge trug. Wie er es wohl geschafft hatte mir mit dieser Verletzung die Krücken zu schnitzen?
„Ja der Berg wird wieder aufgebaut, sodass unser Volk wieder hier einziehen kann!", sagte Balin und nahm einen Schluck Wein. „Das braucht aber noch eine Weile und in dieser Zeit können wir noch viel tun, auch wenn wir es wahrscheinlich nicht bis zu der Ankunft schaffen werden"
„Und die Menschen und Elben?", fragte ich, da ich mir kaum vorstellen konnte, dass Thranduil und Bard nun so einfach abzogen.
„Bard ist im Begriff Thal wieder aufzubauen, doch muss Thorin ihm dafür erst einmal den versprochenen Anteil geben", ergriff Gandalf das Wort, der seine Pfeife anzündete und einen großen Zug nahm.
„Und der Elbenfürst wird erst gehen, wenn er das bekommen hat, für was er eigentlich gekommen ist", erklärte Balin und stütze seinen Ellenbogen auf dem Tisch ab. „Er hat vor unseren Mauern seine Zelte aufgeschlagen. Alle warten auf die Genesung Thorins, denn wenn keiner diese Sachen regelt werden wir uns wohl noch lange damit herumschlagen"
„Könnte das nicht Dáin machen?", fragte ich den alten Zwerg, der nur den Kopf schüttelte.
„Der König muss verhandeln. Und das ist im Moment nun mal Thorin"
„Und Fíli, kann das nicht er erledigen?", fragend sah ich in die Runde, als mir auffiel, dass der blonde Zwerg nicht hier war.
„Fíli ist nicht in der Lage zu verhandeln!", sagte Óin und ich verstand was er meinte, als auch alle anderen trauernd die Augen niederschlugen.
„Verzeiht, es war blöd von mir! Ich habe nicht nachgedacht" Betreten stütze ich den Kopf auf die Hände.
„Nicht schlimm", winkte Ori tapfer ab.
„So na dann, ich muss wieder an die Arbeit", rief Balin plötzlich und erhob sich von seinem Platz. „ihr wisst doch Jungs, der Berg baut sich nicht von allein wieder auf" Zustimmend schoben auch die anderen ihre Stühle zurück, um sich wieder ihren Tätigkeiten zuzuwenden.
„Wartet, ich will helfen", sagte ich nach kurzem Zögern und stand auf.
„Du?", fragte Balin und sah sichtlich verwirrt aus. „Wolltest du nicht wieder zu...-"
„Nein", schnitt ich ihm mit fester Stimme das Wort ab. „Ich...ich denke ich war lange genug untätig und ich möchte mich nicht länger verkriechen"
„Na gut, ich schätze, dass du hier überall etwas findest", sagte Balin und musterte eine Liste, die er in den Armen hielt. „Aber ich glaube Óin und Sam könnten noch Hilfe bei den Verwundeten brauchen"
Der alte Zwerg nickte und wank mich zu sich, doch Sam hielt mich zurück. „Zuerst werden wir noch Sarah aufsuchen", sagte er ernst. „Ich bring sie nachher mit", rief er Óin zu, der sich schon auf den Weg machte.
„Na dann, bring mich zu ihr"(2 349 Wörter)
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Eine Reise Durch Mittelerde
FanfictionDie Schlacht ist vorüber, aber das Leben im Berg geht weiter. Die Zwerge haben viel Arbeit damit den Berg wieder bewohnbar zu machen. Auch Bard baut mit einem Anteil des Schatzes Thal wieder auf, die Elben ziehen sich in ihr Reich zurück und der Fri...