1. Kapitel: Herzlich Willkommen in Japan, Luce!

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- Im hier und jetzt -

"Liebe Schüler, dies ist eure neue Mitschülerin, Luce Kudo!"
Ich lächelte in die Runde. Sagte höflich: "Hallo!", registrierte die Blicke und die lächelnden Gesichter. Dann setzte ich mich in die letzte Reihe. Auf den einzigen, noch freien Platz.
Erste Stunde: Englisch. Nichts Ernstes also, und erst Recht nicht für mich. Nach meinen letzten Monaten in Amerika war ich darin noch besser geworden. Ich konnte es nun Akzentfrei sprechen. Meine gute Ausprache wurde schon vorher von allen Leuten gelobt, obwohl ich das laut meiner Mutter ja im Blut hatte, denn ihr Großvater war Brite gewesen. Doch mein gutes Italienisch galt wohl eher meiner Großmutter. Von ihr hatten Mama und ich auch unseren Namen geerbt: Gina.
Nein, falsch. Luce. Ich hieß nun Luce, war Halbitalienerin, und hatte die letzten zwölf Jahre in Amerika gelebt.
Und das wichtigste war mein Nachname: Kudo. Eine Großcousine von dem berühmten Oberschuldetektiv. Naja, er wusste wohl noch nichts davon. Doch so würde ich ihn hoffentlich leichter finden.
Meine Familie lebte schon fünf Jahre nicht mehr - Flugzeugabsturz. Ich wohne also alleine, derzeit noch in einem Hotel, ach ja, ich bin jetzt 16 Jahre alt, denn ich hatte vor vier Monaten Geburtstag und, was wichtig war, ich ging seit heute auf das Beika Gymnasium.
Das war zumindest die offizielle Geschichte. Natürlich war davon kein bisschen wahr, außer vielleicht die ein oder andere Ähnlichkeit mit meiner wahren Identität. Doch genau nach so einer Ähnlichkeit, würde die Organisation ganz sicher nicht suchen. Eher nach einer ganz anderen Story. Doch die würden sie nicht finden. Nicht in Amerika und nicht in Japan. Denn wenn sie nicht zufällig hellsehen können, dann müsste ich ihrer Ansicht nach noch in den USA sein. Nicht mehr in "The family house of kids!", meinem "zu Hause" der letzten sechs Monate, aber auch nicht in Japan, denn das müssten sie ja wissen...

"Und, wie gefällt dir es in Tokyo?", fragte mich das Mädchen mit den blond-gefärbten Haaren in der nächsten Pause. Im Ernst?! Bei Japanern sehen blonde Haare so - gar nicht richtig - aus. Aber vielleicht bildete sie sich ja etwas darauf ein, dafür sprach zumindest ihre Haltung.
"Oh, die Stadt ist toll!", meinte ich lächelnd, "Auch wenn ich nicht mehr viele Erinnerungen habe, an meine Vier-jährige Kindheit, so kommt mir doch Einiges bekannt vor. Aber ich hätte Nichts gegen einen Stadtrundgang, oder wenigstens eine kleine Führung durch Beika. Denn hier kenne ich mich so gut wie gar nicht aus.
(Was stimmte, ich hatte mir zwar den Stadtplan sehr genau angesehen, aber das Viertel hatte ich vorher in meinem Leben erst ein Mal betreten (und mich mit Naomi hoffnungslos verirrt) und das, obwohl es direkt neben Haido lag (meinem Heimatstadtteil). Der Grund, weshalb ich hierher gezogen bin, ist einfach: Hier wohnte Shinichi Kudo und ging zur Schule. Und da er laut meiner Mutter und einer gewissen Lady in Black nicht tot, sondern irgendwo unter den Lebenden wandelte, vermutete ich, dass er sich in Beika aufhielt, denn nirgendwo fühlt sich ein Mensch so sicher, als in seinem eigenen Bau. Außerdem wäre das ein interessanter Gedanke. Nicht in der Schusslinie, aber nahe genug, um alles im Blick zu haben - die Natur eines Detektivs.
Die Blondine nickte auf meine Bemerkung nur und wandte sich dann arrogant ab. Doch dafür sprach mich jetzt ein kleines (noch kleiner als ich) Mädchen mit schwarzen Haaren an: "Ich würde dich gerne herumführen! Ich heiße übrigens Midori. Midori Hiyoda!" Ich lächelte aufrichtig: "Freut mich, dich kennen zu lernen, Midori!"
Sie grinste zurück: "Willkommen, in Japan, Luce!"


Gina Amanasawa - Ihr Name und die OrganisationWo Geschichten leben. Entdecke jetzt