Kapitel 13: Ein verwegener Plan

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»Es sah alles so gut aus«, jammerte Anne. »Ich konnte die Männer, die mich verfolgten, abhängen und kam unversehrt wieder zum Ausgang, wo unser Seil noch hing. Ich musste mich ganz schön überwinden schon wieder überm Abgrund zu hängen, aber was hatte ich schon für eine Wahl: Ich wollte ja nicht diesen miesen Typen in die Arme laufen. Also schnappte ich mir den Strick und hangelte mich hoch. Ich hab' es auch schön bleiben lassen nach unten zu schauen, immer nur nach oben. Ohne deine Wunderhandschuhe – hier hast du sie zurück, Dick – hätten meine Hände das wohl kaum mitgemacht... Als ich oben war, nahm ich meinen Rucksack und hab' gemacht, dass ich wegkomme. Ich tankte noch mal Wasser an dem Bach und folgte dann dem Weg, den wir gekommen waren. Bergab ging es nachher ungefähr zehn Mal so schnell wie bei unserem endlos langen Aufstieg.«

»Konntest du nicht irgendjemanden anrufen, per Icony?«, wunderte sich Julian.

»Kein Empfang hier zwischen den Bergen. Später hatte ich dann keine Gelegenheit mehr dazu. Denn am Ortseingang von Vaupière lauerten sie mir auf.«

»Die Banditen?«

»Zwei von ihnen um genau zu sein.«

»Und dann?«

»Ich dachte mir schon, dass da was faul ist. Ein dunkler Geländewagen, der einsam am Ortseingang parkt, das ist ja mehr als verdächtig. Aber leider habe ich zu spät geschaltet. Ich weiß auch nicht... Ich war wie sterilisiert!«

Julian und Dick sahen einander verwundert an. Dick sagte: »Du meinst paralysiert.«

»Gelähmt«, verdeutlichte Julian.

»Sag ich doch! Auf jeden Fall gehen plötzlich bei der Kiste zwei Türen auf und ein Laufduell beginnt. Naja, und wer gewonnen hat, seht ihr ja.«

»Tess!«, schimpfte Julian.

»Gesundheit«, sagte Dick.

»Ehe ich mit meinem schweren Rucksack abhauen kann, packt mich der eine Typ auch schon am Arm. Ich hab' ihm zwar noch ein paar Tritte verpasst und der andere hat jetzt 'n zerkratztes Gesicht, aber dafür hätten die mir anschließend fast den Arm ausgerenkt. Nicht sehr lustig, kann ich euch sagen.«

»Oh Mann«, seufzte Julian. »Was machen wir jetzt?«

»Erst mal schlafen«, lautete Annes Vorschlag. »Ich fall' nämlich sonst gleich tot um.«

»Also, das wollen wir nun wirklich nicht«, sagte Julian.

»Es wäre auch so sinnlos – nachdem wir dich unter Aufbietung aller uns von Gott verliehenen Kräfte mit Mühe und Not aus dem Abgrund gerettet haben«, fügte Dick mit einem breiten Grinsen hinzu.

»Na, der Galgenhumor ist euch hier ja nicht vergangen, Jungs.«

»Aber leider wird man davon nicht satt«, entgegnete Dick. »Und was die uns hier zum Abendessen serviert haben, spottet wirklich jeder Beschreibung.«

»Hoffentlich kriegst du davon keine Alpträume, Julianchen! Denn wenn du wieder im Schlaf anfängst zu sprechen, krieg' ich kein Auge zu.«

»Ich und im Schlaf sprechen? Das hast du wohl geträumt.«

»Na, dafür hätte ich erst mal schlafen können müssen.«

»Ich denke, du warst letzte Nacht einfach zu aufgekratzt.«

»Schluss jetzt, ihr Wortklauber«, gebot Dick ungeduldig, »für geistreiche Wortwechsel habt ihr morgen noch genug Zeit. Jedenfalls hoffe ich das.«

»Wer weiß, was die mit uns anstellen«, sorgte sich Anne.

Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend begaben sich schließlich alle zur verdienten Ruhe. Sylvain und Hamid hatten sich uneigennützig bereit erklärt ihre Matratzen mit den Neuankömmlingen zu teilen. Sie schoben sie zusammen und legten sich dann alle quer darüber. Das reichte zwar nur mit Mühe und Not, aber es reichte. Zum Glück hatten die Gangster sie mit genügend Decken ausgestattet, denn die Nacht hier oben erwies sich als kälter, als der schweißtreibende Tag vermuten ließ.

Fünf Freunde ... im Rachen des LöwenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt