C for Chaos

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SOPHIA ➜ 10. Januar 2016 Heathrow, London

Planlos schmiss ich die letzten kurzen Klamotten in meinen Koffer. In Brasilien dürfte es ja warm sein, oder? Sicherheitshalber warf ich noch meinen selbstgestrickten Schal in die letzte freie Ecke. Prüfend schaute ich noch einmal durch die Liste, die Andy mir, fürsorglich wie er war, erstellt hatte, damit er mir nicht alle zwei Tage neue Unterhosen, eine Zahnbürste oder ein Buch für die Wirtschaftskurse per Eilkurier schicken musste.

Gestern Abend hatte ich mir zusätzlich eine Tasche gepackt, die ich mit ins Flugzeug nehmen wollte. Handy, Ladekabel, einen Schokoriegel für vor und (hoffentlich) nach dem Flug, einen Block samt Bleistift und Radiergummi, meinen alten, tragbaren CD-Spieler und ein Buch, dass Dana mir wärmstens empfohlen hatte. Ob ich wirklich ein Fan von Jane Austen werden würde, glaubte ich bis jetzt noch nicht. Doch ich hatte beschlossen, dieser schnulzigen, alten Literatur eine Chance zu geben. Zusätzlich hatte ich noch Pflaster in sämtlichen Formen, Farben und Funktionen eingepackt. Falls also ein Attentäter mit an Board war, konnte ich die Erstversorgung verantwortungsbewusst an jemand anderen abwälzen, um nicht alles noch schlimmer zu machen, als es möglicherweise schon war.


Nach einigem Kämpfen mit dem Reißverschluss des Koffers, schleppte ich beides in den Flur. Als ich mich kurz umdrehte, um in die Küche zu gehen, erschrak ich und schrie auf. „Wie siehst du denn aus?!" Um nicht vollkommen in Gelächter auszubrechen, hielt ich meine Hand vor den Mund. Ich hatte Jake schon in vielen Situationen gesehen. Doch so grausam noch nicht. Seine Haare waren fettig, er war nicht rasiert, Schokolade klebte an seinem Mundwinkel und Farbe hing ihm überall im Gesicht, seinen Händen und in den Haaren. Gestern Nacht hatte er angefangen zu malen, so viel wusste ich. Doch dass er offensichtlich so lange zu Gange gewesen war, nicht. Die tiefen Augenringe sprachen Bände.

„Ich hab' gemalt", meinte er kurz angebunden und wollte mit einer Kaffeetasse in der Hand verschwinden. „Oh nein, mein Freund. Du bleibst hier." Jake seufzte auf und nahm einen Schluck seines Kaffees. Bevor ich mir meinen Mitbewohner vorknöpfen konnte, hörte ich ein Scheppern aus der Küche. Hastig stürmte ich in besagten Raum und blieb ruckartig stehen, als ich den Grund sah. Andy hatte Dana auf die Küchenzeile gesetzt und sie aßen sich lieber gegenseitig auf, als die frischen Brötchen vom Bäcker neben an.

„Bah! Leute!" Ich hielt mir die Augen zu, als ich versuchte die Reste der Tasse aufzusammeln, ohne mich zu schneiden. „Keine sexuellen Gefälligkeiten vor 24 Uhr!"

Andy ließ endlich von meiner besten Freundin ab und grinste. „Willst du auch ein Küsschen, Sophy?" Grinsend kam er auf mich zu und wollte seine feuchten Lippen auf meine Wange drücken. „Wage es dich, Andy Samuels! Ich bin bewaffnet!" Ich setzte meinen gefährlichsten Blick auf und hielt den Henkel meiner alten, nun kaputten, Bärchentasse in seine Richtung. Allerdings war er viel schneller und auch viel stärker als ich.

Also saß ich nur zwei Minuten später im Badezimmer und schrubbte demonstrativ und rein aus Prinzip meine Wange ab. „Jetzt stell' dich mal nicht so an, Soph", lachte Dana. „Aus Prinzip", erwiderte ich nur trocken.

Dass die beiden sich dazu entschlossen hatten, immer mal wieder in die Kiste zu hüpfen, gefiel mir nicht. Vor allem nicht, da ich wusste, was Andy wirklich für Dana empfand. Doch ich hatte auf die Nähmaschine meiner Granny schwören müssen ihr gegenüber keinen Ton zu verlieren. Sonst würde er sie für zwei Pfund an den Schrottplatz verscherbeln. Denn, Zitat: „So ist immer noch besser, als gar nicht." Dieser geistreiche Satz war seine Begründung für diesen Schwachsinn. Andererseits sah ich ihm an, dass er glücklich war. Jedenfalls die meiste Zeit.

Ohne Andys Sabber, dafür aber mit etwas Puder und Lipgloss im Gesicht verließ ich das Bad. Auf dem Weg in die Küche stoppte ich am Schuhregal im Flur und zog mir meine Sandalen an.

B for Buddy ⚜️ LPWo Geschichten leben. Entdecke jetzt