Invasion

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Im ersten Moment konnte ich nicht sagen wo ich mich befand. Um mich herum herrschte gespenstische Stille. Totenstille.
Und dann kamen die ersten Erinnerungen. Stöhnend schloss ich die Augen.
Vor wenigen Minuten hatte man mich auf die Krankenstation gebracht und mich an einem Tisch festgeschnallt. Mein markerschütterndes Geschrei hallte mir noch immer in den Ohren. Mit aller Macht hatte ich mich gegen die Arme geworfen, die versucht hatten mich zu halten und von Agent Coulson wegzuzerren.
Wie konnten sie mich wegbringen? Ich durfte ihn nicht allein lassen!

'Er ist tot, Hale! Sie können nichts mehr für ihn tun. Lassen Sie es endlich gut sein.'

Am liebsten hätte ich dem Agenten die Augen ausgekratzt, als er seine Hand auf meine Schulter gelegt hatte und mich dazu drängte, endlich den Platz neben Phils Leiche zu verlassen.

Er war tot. Diese Tatsache brannte sich in mein Bewusstsein und raubte mir die Kraft zum atmen. Waren die Menschen um mich herum schon so sehr abgestumpft? Ging ihnen der Tod ihres Kollegen, ihres Freundes denn überhaupt nicht nah?

Mühsam verfrachtete ich meinen Oberkörper in eine aufrechte Position und schwang meine Beine über den Rand der Liege. Die Einstichstelle der Nadel, mit welcher man mich betäubt und ruhig gestellt hatte, jagte ein unangenehmes Ziehen durch meinen rechten Arm. Wenigstens die Fixierungen um meine Hand und Fußgelenk hatte man gelöst.

Unruhig glitt mein Blick im Raum umher. Wie lange war ich wohl ohne Bewusstsein gewesen? Minuten vielleicht, Stunden?

Vorsichtig stand ich auf und bewegte meine steifen Glieder. Mit einem leisen zischen öffnete sich die Tür der Station und entließ mich auf einen der langen Gänge des Helicarriers. Schritt für Schritt folgte ich dem Gang. Ich hatte kein bestimmtes Ziel. Eigentlich konnte ich nicht einmal genau sagen, warum ich überhaupt aufgestanden war. Welchen Sinn hatte das alles noch, fragte ich mich. Nicht nur Coulson hatten wir verloren. Unzählige Agenten hatten im Kampf gegen die Eindringlinge ihr Leben gelassen.

Ich erinnerte mich an Phils letzte Worte. Ich solle keine Rache an Loki üben. Hinter all seinen Taten würde jemand anderes, jemand viel mächtigeres und böseres stecken. Aber wie konnte Phil sich da so sicher gewesen sein. Er hatte gesagt, dass er Zweifel in Lokis Blick gesehen habe. Aber änderte dies etwas? Änderte sich überhaupt irgendetwas?

Der Tesserakt war noch immer an einem unbekannten Standort, Loki war frei und die anderen...
Was wohl mit ihnen passiert war?
Dr. Banner, Thor, Natascha, Tony... Und was war nun mit Clint? Vielleicht hatte er Loki zur Flucht verholfen und stand noch immer unter seiner Kontrolle. Vielleicht hatte er den Kampf auch nicht überlebt.

Wie ein Zombie trottete ich durch die leeren Flure. Ich fühlte mich kraftlos, zerschlagen. Niemand war hier um mir zu sagen, wie es um meine Freunde stand. Ob sie noch am Leben waren. Kein Geräusch drang an meine Ohren. Kein Mensch kam mir entgegen. Das Licht flackerte schwach, als hätte es ebenfalls den Kampf aufgegeben.

Mein Atem stockte, als ich durch die Tür am Ende des Ganges trat und mich dort wieder fand, wo Thor in die Tiefe gestürzt und Phil gestorben war. Lokis Gefängnis.
Seltsam verlassen und leer wirkte der Schacht ohne die Arestzelle. Vorsichtig trat ich an das Geländer und umfasste die kalten Metallstangen mit beiden Händen. Krampfhaft schlossen sich meine Finger um die Stäbe und ich biss die Zähne zusammen, als mein Blick in den Abgrund fiel. Unter mir befand sich nur noch die geschlossene Luke, durch welche Thor in Richtung Erde gefallen war.

"Du bist also wieder auf den Beinen", hörte ich Tony's vertraute Stimme.

Der Milliardär stand nur wenige Meter neben mir, sein Blick ebenfalls gesenkt. Ich hatte seine Anwesenheit noch nicht einmal bemerkt. Erleichterung machte sich in mir breit und ich schloss die Augen.

Shattered MeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt