Heimkehr

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Heimkehr

Nach dem Abschied von Kona hat Teri es eilig, nach Hause zu kommen. Zunächst zieht der Hunger ihn aber zu seinem beliebtesten Jagdplatz bei der Laterne. Zum Glück fliegen heute viele Mücken aus. So kann er seinen knurrenden Magen rasch zufriedenstellen. Während der Jagd fragt er sich, wo Siva wohl steckt. Vielleicht ist sie ohne ihn in den Dachstock zurückgekehrt? Jetzt, wo es dunkel ist, ist sie bestimmt nicht mehr draußen unterwegs. Teri erinnert sich gut, dass die Schwalbe sich davor fürchtet, nachts auszufliegen. Deshalb kehrt er in sein Versteck zurück, sobald er satt ist. Mara sitzt wie üblich in ihrem Netz.
«Teri, da bist du ja! Wie war dein Ausflug?»
«Interessant, aber sehr anstrengend. Sag, Mara, hast du zufällig Siva gesehen? Wir haben uns verloren und ich hoffte, sie sei hierher zurückgekehrt.»
«Nein, ich habe sie nicht gesehen, seit ihr beide heute ausgeflogen seid. Was ist passiert?»
Teri ist besorgt um seine Freundin. Aber er weiß nicht, wo er nach ihr suchen soll. Außerdem ist er nach seinem langen Ausflug ziemlich müde. Trotzdem nimmt er sich die Zeit, Mara von seinen Erlebnissen zu erzählen. Die Spinne ist eine geduldige Zuhörerin. Teri berichtet ihr alles von Anfang an, von der Blumenwiese und dem Schmetterling, vom grellen Sonnenlicht, das ihn so blendete, dass er sich verstecken musste und wie er dabei Siva verlor. Hier unterbricht ihn Mara.
«Das war wirklich ungeschickt. Ich habe dir doch gesagt, du sollst bei Siva bleiben.»
Teri ist zerknirscht. Die Spinne hat natürlich Recht. Außerdem musste er dann ausgerechnet noch in Hibu hineinstolpern. Mara schüttelt dazu nur ungläubig den Kopf. Zuletzt berichtet Teri von seiner Begegnung mit Kona und der Katze. Dazu macht Mara große Augen. Bei einer Spinne ist das besonders eindrücklich, weil sie acht davon besitzt.
«Du wirst noch zu einem richtigen Raubtierschreck, Teri. Erst verscheuchst du den Marder und nun eine Katze. Pass einfach auf, ich bezweifle, dass sich alle Räuber von einer winzigen Fledermaus beeindrucken lassen. Ich möchte nicht, dass dir etwas zustößt.»
«Keine Angst, Mara. Ich hatte selbst mindestens genauso viel Angst wie die Katze oder der Marder. Ich lege mich bestimmt nicht freiwillig noch mal mit ihresgleichen an.»
Damit muss sich Mara zufriedengeben. Bald darauf zieht Teri sich in sein Versteck zurück. Er sorgt sich immer noch um Siva. Die Spinne versichert ihm, dass die Schwalbe sich bestimmt allein zurechtgefunden habe. Trotzdem dauert es lange, bis Teri erschöpft einschläft.

Siva sitzt unterdessen im Schwalbennest ihrer Familie, das hoch oben im Stall an einem Balken befestigt ist. Eigentlich sollte sie schon lange schlafen, aber sie sorgt sich so sehr um Teri, dass sie kein Auge schließen kann. Zudem ist sie wütend auf ihre Eltern und Brüder. Statt ihr bei der Suche nach der kleinen Fledermaus zu helfen, erhielt sie Nestarrest. Nun sitzt sie schon beinahe die ganze Nacht hier und weiß immer noch nicht, wie es ihrem Freund geht. Sie fühlt sich für Teri verantwortlich, schließlich hat sie ihn am helllichten Tag hinaus zu der Wiese begleitet.
Als sie gestern kurz vor dem Gewitter aufgeregt zum Nest zurückkehrte, um ihre Familie um Hilfe zu bitten, wurde sie zunächst von den Eltern und Geschwistern fast erdrückt. Alle freuten sich über ihre unerwartete Rückkehr. Sie hatten befürchtet, sie sei von der roten Tigerkatze gefressen worden. Natürlich musste Siva die Geschichte ihrer Rettung erzählen. Sie hielt sich dabei so kurz wie möglich, schließlich wollte sie Teri suchen. Aber als sie zu Ende erzählt hatte, war niemand bereit, bei der Suche nach der Fledermaus zu helfen. Eine Fledermaus sei kein Umgang für eine Schwalbe, meinten die Eltern. Wenn es draußen nicht geregnet hätte, wäre Siva sofort wieder losgezogen. Aber so war sie gezwungen, besseres Wetter abzuwarten. Als der Regen endlich nachließ, nahte schon der Abend und sie konnte nicht mehr ausfliegen. Ihr Bruder Hiro war der einzige, der zumindest Verständnis für sie zeigte. Aber auch er konnte nicht nachvollziehen, warum sie unbedingt mit einer Fledermaus befreundet sein wollte. Gab es etwa nicht genug Schwalben?
Siva seufzt und sucht sich eine bequemere Stellung. Nun, da sie und ihre Geschwister beinahe ausgewachsen sind, wird es eng im Nest. Hiro blinzelt und rückt zur Seite, um ihr Platz zu machen.
«Versuch zu schlafen, Siva. Dein Fledermausfreund ist inzwischen bestimmt längst nach Hause zurückgekehrt. Es ist schon mitten in der Nacht.»
Siva verzichtet darauf, ihrem Bruder zu erklären, dass Teri nachtaktiv ist. Aber plötzlich hat sie eine Idee. Vielleicht ist er ja tatsächlich längst zuhause auf seinem Dachboden. Sobald es hell genug ist, wird sie das überprüfen. Siva richtet sich auf eine lange, schlaflose Nacht ein.

Teri und SivaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt