Epilog

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Epilog

Die Sonne scheint warm auf die jungen Grashalme in der Wiese und lässt rasch die letzten Tautropfen verdunsten. Die Kirschbäume stehen in voller Blütenpracht an diesem schönen Frühlingstag. Überall regt sich neues Leben. Auf der Wiese blühen Schlüsselblumen und Aprilglocken, im Garten Primeln und Tulpen. Die Bienen fliegen emsig von Blüte zu Blüte. Selbst die große Eiche lässt inzwischen zaghaft erste grüne Blattspitzen sehen.
Fröhliches Zwitschern zeigt an, dass auch die Vögel das warme Wetter begrüßen. Ein Schwarm Rauchschwalben legt in den Ästen der Eiche einen Halt ein. Sie sind am Ende ihrer langen Reise angelangt, die sie von Afrika zurück in ihr Sommerrevier führte. Eine Familie verabschiedet sich hier vom großen Schwarm. Sie hat ihren Bestimmungsort erreicht. Eifrig wird damit begonnen, die alten Nester vom Vorjahr unter dem Dach des Stalls herzurichten und wieder bezugsbereit zu machen. Darüber vergeht der warme Frühlingstag wie im Flug.

Die kleine Spinne strampelt mit all ihren acht kurzen Beinen und versucht, sich aus dem Eikokon zu befreien. Sie ist ungeduldig, endlich dieses beengende Gefängnis zu verlassen. Bei ihren Anstrengungen bringt sie die Nachbareier durcheinander und in mehreren beginnt sich ebenfalls etwas zu regen. Endlich gelingt es der kleinen Spinne, sich von den Resten der Eihaut und den Kokonfäden zu befreien. Neugierig wirft sie einen ersten Blick in die Welt hinaus, die auf sie wartet. Im Dachstock ist es dämmrig, alles ist ruhig. Sie beschließt, einen Erkundungsgang zu unternehmen. Noch etwas ungeschickt probiert sie aus, wie sie krabbeln kann, ohne ihre acht Beine zu verheddern. Als sie das herausgefunden hat, folgt sie vorsichtig dem Dachbalken. Bald wird sie mutiger und läuft immer schneller, bis sie über eines ihrer eigenen Beine stolpert. Beinahe stürzt sie vom Balken. Aber instinktiv klebt sie gerade noch rechtzeitig einen Faden aus ihrer Spinndrüse am Holz fest. Fasziniert stell sie fest, dass sie sich daran herunterlassen und auch wieder daran hochklettern kann. Sofort beginnt sie, diese neue Fähigkeit auszutesten.

Teri erwacht bei Sonnenuntergang mit knurrendem Magen. Obwohl es seit einigen Wochen warm genug ist, dass er regelmäßig abends ausfliegen kann, fühlt er sich immer noch schwach von der langen Winterruhe und könnte ständig fressen. Deshalb wartet er nicht, bis die anderen Fledermäuse erwachen. Bevor er ausfliegt, schaut er aber wie jeden Abend kurz bei dem Kokon von Spinneneiern vorbei, der im Dachfirst hängt. Aber was ist das? Erschrocken klammert sich Teri an einen Dachsparren. Der Kokon ist zerrissen und leer. Wie ist das möglich? Hierhin kommen die anderen Fledermäuse nicht, und sonst wohnt niemand im Dachstock. Erst da bemerkt er, dass rings um die Reste des Kokons herum zahlreiche winzige Spinnen über den Firstbalken krabbeln. Eine von ihnen lässt sich neugierig an einem Faden herunter, bis sie direkt vor Teris Nase baumelt.
«Hallo, wer bist du?»
«Ich bin Teri, und du?»
Darauf weiß die kleine Spinne keine Antwort. Teri erklärt ihr lachend, dass er ihre Mutter gekannt hat. Daraufhin will seine neue Bekannte natürlich alles über Mara wissen. Teri gibt sich große Mühe, die Fragen der kleinen Spinne zu beantworten. Sie ist aber beinahe noch neugieriger, als er selbst es früher war. Schließlich versucht er zu erklären, dass er dringend ausfliegen und etwas essen muss. Die kleine Spinne ist darüber so enttäuscht, dass Teri ihr großzügig anbietet, auf seinen Rücken zu krabbeln und mitzufliegen. Das lässt sie sich nicht zweimal sagen. Sofort klammert sie sich mit allen acht Beinen in seinem Rückenfell fest.
«Bereit? Dann los!» 
Teri bemüht sich, vorsichtig zu fliegen. Aber die kleine Spinne hat keine Angst. Begeistert krabbelt sie höher, bis sie zwischen Teris Ohren sitzt. Von hier aus hat sie die bessere Aussicht. Am besten gefällt ihr, wenn Teri blitzschnell die Richtung wechselt, um Mücken zu fangen. Die beiden haben soviel Spaß, dass Teri beinahe die bekannte Gestalt übersieht, die unter der Laterne wartet.
«Teri!»
«Siva! Endlich bist du wieder da! Du musst mir alles über Afrika erzählen!»
«Das werde ich. Aber erst, wenn du mir deine kleine Freundin vorstellst.»
«Nun, das ist Maras Tochter, die heute aus ihrem Ei geschlüpft ist. Sie will die Welt sehen.»
Siva lacht. Sie erinnert sich noch gut an die gemeinsamen Abenteuer des letzen Jahres. Bestimmt werden sie mit Maras aufgeweckter Tochter auch diesen Sommer viel Spaß haben.

Teri und SivaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt